Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

24 
 August 
 
2012


 

DICHTUNG Nelly Sachs
LESUNG Imogen Kogge
BEREITSTELLUNG wortlover


 

Abgewandt
warte ich auf dich
weit fort von den Lebenden weilst du
oder nahe.

Abgewandt
warte ich auf dich
denn nicht dürfen Freigelassene
mit Schlingen der Sehnsucht
eingefangen werden
noch gekrönt
mit der Krone aus Planetenstaub —

die Liebe ist eine Sandpflanze
die im Feuer dient
und nicht verzehrt wird —

Abgewandt
wartet sie auf dich —

 
 
1 
 Mai 
 
2012


 

Zum großen Geist des Universums trat
ein Sterblicher von dem Planeten Erde.
“Was bringst du mir in meine Einsamkeit?
Bringst du den Vorwurf, daß ich dich erschuf,
den Anspruch, daß ich dich entschädigen soll,
die Nachricht, daß dein Stern zuschanden ward,
den Vorschlag einer neuen ‘bessern’ Welt?”
“Von allem nichts, du hoher Geist”, so sprach
der Sterbliche zurück – “ich bringe dir
ein Spiel dafür, das all dies in sich trägt:
Des Lebens Tragik wie Notwendigkeit,
wie du, Notwendiger und Tragischer,
es uns erschufst: ein Spiel, der Spiele Spiel;
für deine weltumrauschte Einsamkeit
das einzige Spiel, wie es das meine war:
Ich bringe dir, mein hoher Geist – das Schach.”

 
 
5 
 Februar 
 
2012

abgelegt in
Diverses | Esperanto

 

La eta princo Der kleine Prinz
Esperanto Deutsch

 

Ho, eta princo,
mi ekkomprenis tiele,
iom-post-iome,
vian melankolian vivon…

Dum longa tempo
vi havis kiel distraĵon nur
la mildecon de sunsubiroj.

Tiun ĉi novan detalon
mi eksciis la kvaran tagon matene,
kiam vi diris al mi:
“Al mi multe plaĉas sunsubiroj.
Ni iru
vidi sunsubirojn!…”
“Sed necesas atendi.”
“Kion atendi?”
“Ke la suno subiru.”
Unue vi ŝajnis tre surprizita,
sed poste ridis pri vi mem.
Kaj vi diris al mi:
“Mi ĉiam pensas kvazaŭ
mi estus hejme!”

Efektive.
Kiam tagmezas
en Usono,
la suno – ĉiuj scias tion –
subiras super Francio.

Por ĉeesti
la sunsubiron sufixus,
ke oni povu en
unu minuto atingi Francion.

Bedaŭrinde,
Francio estas multe tro malproksima.
Sed via tiel eta planedo
nur sufiĉis,
ke vi tiru vian seĝon
je kelkaj paŝoj.
Kaj vi rigardis krepuskon
tiel ofte kiel vi deziris…

“Unu tagon
mi vidis la sunon subiri
kvardek tri fojojn!”

Kaj iom pli poste vi aldonis:
“Vi scias…
se oni estas malgaja,
oni amas sunsubirojn…”
“Do, ĉu en la kvardek-tri-foja tago
vi estis tiom malĝoja?”

Sed la eta princo ne respondis.

Ach, kleiner Prinz,
ich habe verstanden, so
nach und nach,
dein schwermütiges Leben…

Lange Zeit
hattest du als Zerstreuung nur
die Lieblichkeit der Sonnenuntergänge.

Diese neue Einzelheit (Detail)
verstand ich am vierten Tag morgens,
als du mir sagtest:
“Mir (sehr) gefallen Sonnenuntergänge.
Lass uns gehen,
Sonnenuntergänge anzuschauen…”
“Aber es ist nötig, noch zu warten.”
“Worauf warten?”
“Dass die Sonne untergeht.”
Zuerst schienst du sehr überrascht,
aber dann lachtest du über dich selbst.
Und du sagtest zu mir:
“Ich immer denke sozusagen,
ich sei zu Hause!”

In der Tat.
Wenn es Mittag ist
in den Vereinigten Staaten
die Sonne – wie jeder weiß –
geht über Frankreich unter.

Um dort
einem Sonnenuntergang beizuwohnen,
müsste man (können) in
einer Minute Frankreich erreichen.

Unglücklicherweise,
ist Frankreich viel zu weit weg.
Aber auf deinem so kleinen Planeten
genügte es lediglich,
dass du deinen Sessel weiterdrehst
um einige Schritte.
Und du schautest die Dämmerung
so oft du es dir wünschtest…

“An einem Tag
habe ich die Sonne untergehen sehen
dreiundvierzigmal”

Und ein wenig später fügtest du hinzu:
“Du weißt…
wenn man traurig ist,
liebt man die Sonnenuntergänge…”
“Am Tag mit den dreiunvierzigmal
warst du besonders traurig?”

Aber der kleine Prinz antwortete nicht.

 


Autor Antoine de Saint-Exupéry
Übersetzung Pierre Delaire
Bereitstellung Tarkuax