Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

30 
 Dezember 
 
2012

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Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

Tausend Dank an Lutz Görner für die Einstellung auf YouTube!
Eventuelle Kommentare zum Video-Clip bitte direkt auf YouTube!

 

 

Blumentod (0:33)
Annette von Droste-Hülshoff (1797 – 1848)

Wie sind meine Finger so grün?
Blumen hab ich zerrissen.
Sie wollten für mich blühn
Und haben sterben müssen.

Wie neigten sie um mein Angesicht,
Wie fromme schüchterne Lieder.
Ich war in Gedanken, ich achtets nicht
Und bog sie zu mir nieder.

Zerriss die lieben Glieder
In sorgenlosem Mut.
Da floss ihr grünes Blut
Um meine Finger nieder.

Sie weinten nicht, sie klagten nicht,
Sie starben ohne Laut.
Nur dunkel ward ihr Angesicht,
Wie wenn der Himmel graut.

Sie konnten mirs nicht ersparen,
Sonst hätten sies wohl getan.
Wohin bin ich gefahren
In trüben Sinnens Wahn?

O töricht Kinderspiel!
O schuldlos Blutvergießen!
Es gleicht dem Leben viel.
Lasst mich die Augen schließen.

Denn was geschehn ist, ist geschehn,
Und wer kann für die Zukunft stehn?

 

 
Am ersten Sonntage nach Heilige Drei Könige (2:44)
Annette von Droste-Hülshoff (1797 – 1848)

Evang.: Jesus lehrt im Tempel

Oh, sieh, ich habe dich gesucht mit Schmerzen,
Mein Herr und Gott, wo werde ich dich finden?
Ach, nicht im eigenen, ausgestorbnen Herzen,
Wo längst dein Ebenbild erlosch in Sünden.
Da tönt aus allen Winkeln, ruf ich dich,
Mein eignes Echo wie ein Spott um mich.

Wer einmal hat dein göttlich Bild verloren,
Was ihm doch eigen war, wie seine Seele,
Mit dem hat sich die ganze Welt verschworen,
Daß sie dein heilig Antlitz ihm verhehle;
Und wo der Fromme dich auf Tabor schaut,
Da hat er sich im Tal sein Haus gebaut.

So muß ich denn zu meinem Graun erfahren
Das Rätsel, das ich nimmer konnte lösen,
Als mir in meinen hellen Unschuldsjahren
Ganz unbegreiflich schien, was da vom Bösen,
Daß eine Seele, wo dein Bild geglüht,
Dich gar nicht mehr erkennt, wenn sie dich sieht.

Rings um mich klingt der klare Vogelreigen:
»Hör doch, wir Vöglein singen seinem Ruhme!«
Und will ich mich zu einer Blüte neigen:
»Sieh doch, sein mildes Auge schaut aus jeder Blume.«
Ich hab dich drum in der Natur gesucht.
Doch weltlich Wissen war die eitle Frucht!
Oh bittre Schmach,
Dies Wissen musste meinen Glauben töten.

 

 
Im Grase (4:50)
Annette von Droste-Hülshoff (1797 – 1848)

Süße Ruh, süßer Taumel im Gras.
Von des Krautes Arom umhaucht.
Tiefe Flut, tief, tief trunkne Flut.
Wenn die Wolk am Azure verraucht.
Wenn aufs müde schwimmende Haupt
Süßes Lachen gaukelt herab.
Liebe Stimme säuselt und träuft,
Wie die Lindenblüt auf ein Grab.

Wenn im Busen die Toten dann,
Jede Leiche sich streckt und regt,
Leise, leise Odem einzieht,
Die geschlossne Wimper bewegt.
Tote Lieb, tote Lust, tote Zeit.
Wenn all die Schätze, im Schutt verwühlt,
Sich berühren mit schüchternem Klang,
Gleich den Glöckchen, vom Winde umspielt.

Stunden, flüchtiger ihr als der Kuss
Eines Strahls auf den trauernden See.
Als des ziehenden Vogels Lied,
Das mir niederperlt aus der Höh.
Als des schillernden Käfers Blitz,
Wenn den Sonnenpfad er durcheilt.
Als der flüchtige Druck einer Hand,
Die zum letzten Male verweilt.

Dennoch, Himmel, immer mir nur
Dieses Eine nur: für das Lied
Jedes freien Vogels im Blau
Eine Seele, die mit ihm zieht.
Für jeden kärglichen Strahl
Meinen farbig schillernden Saum.
Jeder warmen Hand meinen Druck
Und für jedes Glück meinen Traum.

 

 
Die Schwermütige (7:47)
Annette von Droste-Hülshoff (1797 – 1848)

Wenn in dem dunkeln Haine
Die sanfte Nachtigall,
Während ich traurig weine,
Mir bringt der Schwermut Schall,
So ists als bräche mir das Herz
Vor lauter wehmutsvollem Schmerz.

Wenn auf der hellen Heide
Die frohe Lerche steigt,
– Ach, diese Augenweide
Macht auch mein Herz nicht leicht –
Dann denk ich ans entflohne Glück.
Es wich wie sie so schnell zurück.

Geh ich zur kleinen Quelle
Und folg ihr überall,
So sprech ich: »Murmle helle,
Du Bach klar wie Kristall.
Ich hol dich schnelles Ding nicht ein.«
So wirds auch mit dem Glücke sein.

So macht mir alles Kummer.
Das Beste wird zur Qual.
Und selbst im tiefsten Schlummer
Verfolgts mich überall.
O böse Mördrin meiner Ruh!
Melancholie, wann weichest du?

 
 
16 
 August 
 
2011


 

DICHTUNG Friedrich Schiller
LESUNG Jürgen Goslar



Drei Worte hört man, bedeutungschwer,
Im Munde der Guten und Besten.
Sie schallen vergeblich, ihr Klang ist leer,
Sie können nicht helfen und trösten.
Verscherzt ist dem Menschen des Lebens Frucht,
So lang er die Schatten zu haschen sucht.

So lang er glaubt an die goldene Zeit,
Wo das Rechte, das Gute wird siegen –
Das Rechte, das Gute führt ewig Streit,
Nie wird der Feind ihm erliegen,
Und erstickst du ihn nicht in den Lüften frei,
Stets wächst ihm die Kraft auf der Erde neu.

So lang er glaubt, daß das buhlende Glück
Sich dem Edeln vereinigen werde –
Dem Schlechten folgt es mit Liebesblick;
Nicht dem Guten gehöret die Erde,
Er ist ein Fremdling, er wandert aus
Und suchet ein unvergänglich Haus.

So lang er glaubt, daß dem ird’schen Verstand
Die Wahrheit je wird erscheinen –
Ihren Schleier hebt keine sterbliche Hand;
Wir können nur rathen und meinen.
Du kerkerst den Geist in ein tönend Wort,
Doch der freie wandelt im Sturme fort.

Drum, edle Seele, entreiß dich dem Wahn
Und den himmlischen Glauben bewahre!
Was kein Ohr vernahm, was die Augen nicht sahn,
Es ist dennoch das Schöne, das Wahre!
Es ist nicht draußen, da sucht es der Thor;
Es ist in dir, du bringst es ewig hervor.