Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

16 
 September 
 
2012


 

Wenn ihr Freunde vergeßt, wenn ihr die Euern all,
O ihr Dankbaren, sie, euere Dichter schmäht,
Gott vergeb’ es, doch ehret
Nur die Seele der Liebenden.

Denn o saget, wo lebt menschliches Leben sonst,
Da die knechtische jetzt alles, die Sorge, zwingt?
Darum wandelt der Gott auch
Sorglos über dem Haupt uns längst.

Doch, wie immer das Jahr kalt und gesanglos ist
Zur beschiedenen Zeit, aber aus weißem Feld
Grüne Halme doch sprossen,
Oft ein einsamer Vogel singt,

Wenn sich mählich der Wald dehnet, der Strom sich regt,
Schon die mildere Luft leise von Mittag weht
Zur erlesenen Stunde,
So ein Zeichen der schönern Zeit,

Die wir glauben, erwächst einziggenügsam noch,
Einzig edel und fromm über dem ehernen,
Wilden Boden die Liebe,
Gottes Tochter, von ihm allein.

Sei gesegnet, o sei, himmlische Pflanze, mir
Mit Gesange gepflegt, wenn des ätherischen
Nektars Kräfte dich nähren,
Und der schöpfrische Strahl dich reift.

Wachs und werde zum Wald! eine beseeltere,
Vollentblühende Welt! Sprache der Liebenden
Sei die Sprache des Landes,
Ihre Seele der Laut des Volks!

 

Hier findet Sprach’ und Musik sich vereint, geschwisterlich traut!

 

Textdichter Friedrich Hölderlin
Lesung Christian Brückner
Musik Edward Elgar – Enigma Variationen – nimrod (adagio)
Bereitstellung 59Berger

 
 
6 
 April 
 
2012


 

Die Zeit ist, was ihr seyd
Gedancken über der Zeit

Ihr lebet in der Zeit
und kennt doch keine Zeit
So wisst Ihr Menschen nicht
von und in was
Ihr seyd.

Diß wisst Ihr
daß ihr seyd
in einer Zeit gebohren.
Und daß ihr werdet auch
in einer Zeit verlohren.

Was aber war die Zeit
die euch in sich gebracht?
Und was wird diese seyn
die euch
zu nichts mehr macht?

Die Zeit ist was
und nichts.
Der Mensch in gleichem Falle.
Doch was dasselbe was
und nichts sey zweifeln alle.

Die Zeit die stirbt in sich
und zeucht sich auch aus sich.
Diß kommt
aus mir und dir
von dem du bist und ich.

Der Mensch ist in der Zeit;
sie ist in ihm ingleichen.
Doch aber muß der Mensch
wenn sie noch bleibet
weichen.

Die Zeit ist was ihr seyd
und ihr seyd was die Zeit
Nur daß ihr wenger noch
als was die Zeit ist
seyd.

Ach daß doch jene Zeit
die ohne Zeit ist
kähme
Und uns aus dieser Zeit
in ihre Zeiten nähme.

Und aus uns selbsten uns
daß wir gleich köndten seyn
Wie der itzt
jener Zeit
die keine Zeit geht ein.

 

Dichtung Paul Fleming
Lesung Christian Brückner
Bereitstellung wortlover

 
 
2 
 April 
 
2012


 

DICHTUNG Matthias Claudius
LESUNG Katharina Thalbach
BEREITSTELLUNG LYRIK & MUSIK


 

Der Mond ist aufgegangen,
die goldnen Sternlein prangen
am Himmel hell und klar;
der Wald steht schwarz und schweiget,
und aus den Wiesen steiget
der weiße Nebel wunderbar.

Wie ist die Welt so stille
und in der Dämmrung Hülle
so traulich und so hold!
Als eine stille Kammer,
wo ihr des Tages Jammer
verschlafen und vergessen sollt.

Sehr ihr den Mond dort stehen?
Er ist nur halb zu sehen
und ist doch rund und schön.
So sind wohl manche Sachen,
die wir getrost belachen,
weil unsre Augen sie nicht sehn.

Wir stolze Menschenkinder
sind eitel arme Sünder
und wissen gar nicht viel;
wir spinnen Luftgespinste
und suchen viele Künste
und kommen weiter von dem Ziel.

Gott, laß uns Dein Heil schauen,
auf nichts Vergänglichs trauen,
nicht Eitelkeit uns freun!
Laß uns einfältig werden
und vor Dir hier auf Erden
wie Kinder fromm und fröhlich sein!

Wollst endlich sonder Grämen
aus dieser Welt uns nehmen
durch einen sanften Tod,
und wenn Du uns genommen,
laß uns in Himmel kommen,
Du, unser Herr und unser Gott!

So legt euch denn, ihr Brüder,
in Gottes Namen nieder!
Kalt ist der Abendhauch.
Verschon uns, Gott, mit Strafen;
und laß uns ruhig schlafen
und unsern kranken Nachbar auch!