9 Juni 2017 | |
DICHTUNG | Hermann Hesse | |
LESUNG | Andreas Nowak | |
BEREITSTELLUNG | LYRIK & MUSIK |
Ist auch alles Trug und Wahn
Und die Wahrheit stets unnennbar,
Dennoch blickt der Berg mich an
Zackig und genau erkennbar.
Hirsch und Rabe, rote Rose
Meeresblau und bunte Welt:
Sammle dich – und sie zerfällt
Ins Gestalt- und Namenlose.
Sammle dich und kehre ein,
Lerne schauen, lerne lesen!
Sammle dich – und Welt wird Schein.
Sammle dich – und Schein wird Wesen.
20 Dezember 2015 | |
He shall feed his flock
aus: “Der Messias”
von Georg Friedrich Händel
He shall feed His flock like a shepherd and He shall gather the lambs with His arm and carry them in his bosom, and gently lead those that are with young. Come unto Him Take His yoke | Er wird seine Herde weiden wie ein Hirte; und er wird sammeln die Lämmer in seinen Arm und sie tragen an seinem Busen. und sanft führen, diejenigen, die Junge haben. Kommt her zu ihm, Nehmt sein Joch |
28 Juni 2012 | |
DICHTUNG | Gottfried Benn | |
LESUNG | Fritz Stavenhagen |
I
Ich trete in die dunkelblaue Stunde –
da ist der Flur, die Kette schließt sich zu
und nun im Raum ein Rot auf einem Munde
und eine Schale später Rosen — Du!
Wir wissen beide, jene Worte,
die jeder oft zu anderen sprach und trug,
sind zwischen uns wie nichts und fehl am Orte:
dies ist das Ganze und der letzte Zug.
Das Schweigende ist so weit fortgeschritten
und füllt den Raum und denkt sich selber zu
die Stunde — nichts gehofft und nichts gelitten —
mit ihrer Schale später Rosen — Du.
II
Dein Haupt verfließt, ist weiß und will sich hüten,
indessen sammelt sich auf deinem Mund
die ganze Lust, der Purpur und die Blüten
aus deinem angestammten Ahnengrund.
Du bist so weiß, man denkt, du wirst zerfallen
vor lauter Schnee, vor lauter Blütenlos,
totweiße Rosen, Glied für Glied — Korallen
nur auf den Lippen, schwer und wundengroß.
Du bist so weich, du gibst von etwas Kunde,
von einem Glück aus Sinken und Gefahr
in einer blauen, dunkelblauen Stunde
und wenn sie ging, weiß keiner, ob sie war.
III
Ich frage dich, du bist doch eines andern,
was trägst du mir die späten Rosen zu?
Du sagst, die Träume gehn, die Stunden wandern,
was ist das alles: er und ich und du?
«Was sich erhebt, das will auch wieder enden,
was sich erlebt — wer weiß denn das genau,
die Kette schließt, man schweigt in diesen Wänden
und dort die Weite, hoch und dunkelblau.»