Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

10 
 April 
 
2012

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Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

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Der Schatzgräber (0:51)
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)

Arm am Beutel, krank am Herzen,
Schleppt ich meine langen Tage.
Armut ist die größte Plage,
Reichtum ist das höchste Gut!
Und, zu enden meine Schmerzen,
Ging ich, einen Schatz zu graben.
Meine Seele sollst du haben!
Schrieb ich hin mit eignem Blut.

Und so zog ich Kreis um Kreise,
Stellte wunderbare Flammen,
Kraut und Knochenwerk zusammen:
Die Beschwörung war vollbracht.
Und auf die gelernte Weise
Grub ich nach dem alten Schatze
Auf dem angezeigten Platze.
Schwarz und stürmisch war die Nacht.

Doch ich sah ein Licht von weitem,
Und es kam gleich einem Sterne
Hinten aus der fernsten Ferne,
Eben als es zwölfe schlug.
Und da galt kein Vorbereiten:
Heller wards mit einem Male
Von dem Glanz der vollen Schale,
Die ein schöner Knabe trug.

Holde Augen sah ich blinken
Unter dichtem Blumenkranze.
In des Trankes Himmelsglanze
Trat er in den Kreis herein.
Und er hieß mich freundlich trinken.
Und ich dacht: es kann der Knabe
Mit der schönen lichten Gabe
Wahrlich nicht der Böse sein.

Trinke Mut des reinen Lebens!
Dann verstehst du die Belehrung,
Kommst, mit ängstlicher Beschwörung,
Nicht zurück an diesen Ort.
Grabe hier nicht mehr vergebens:
Tages Arbeit! Abends Gäste!
Saure Wochen! Frohe Feste!
Sei dein künftig Zauberwort.

 

 
Der Edelknabe und die Müllerin (3:30)
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)

»Wohin? Wohin?
Schöne Müllerin!
Wie heißt du?«

»Liese.«

»Wohin denn? Wohin?
Mit dem Rechen in der Hand?«

»Auf des Vaters Land,
Auf des Vaters Wiese.«

»Und gehst so allein?«

»Das Heu soll herein,
Das bedeutet der Rechen.
Und im Garten
Fangen die Birnen zu reifen an,
Die will ich brechen.«
»Ist nicht eine stille Laube dabei?«

»Sogar ihrer zwei,
An beiden Ecken.«

»Ich komme dir nach,
Und am heißen Mittag
Wollen wir uns drein verstecken,
Nicht wahr, im grünen vertraulichen Haus …«

»Das gäbe Geschichten!«

»Ruhst du in meinen Armen aus?«

»Mitnichten!«

 

 
Der Zauberlehrling (5:02)
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)

Hat der alte Hexenmeister
Sich doch einmal wegbegeben!
Und nun sollen seine Geister
Auch nach meinem Willen leben.
Seine Wort und Werke
Merkt ich und den Brauch,
Und mit Geistesstärke
Tu ich Wunder auch.

Walle! Walle
Manche Strecke,
Dass zum Zwecke …

Und nun komm, du alter Besen!
Nimm die schlechten Lumpenhüllen.
Bist schon lange Knecht gewesen.
Nun erfülle meinen Willen!
Auf zwei Beinen stehe!
Oben sei ein Kopf!
Eile nun und gehe
Mit dem Wassertopf! –

Walle! Walle
Manche Strecke,
Dass zum Zwecke
Wasser fließe
Und mit reichem, vollen Schwalle
Zu dem Bade sich ergieße.

Seht! er läuft zum Ufer nieder,
Wahrlich! ist schon an dem Flusse,
Und mit Blitzesschnelle wieder
Ist er hier mit raschem Gusse.
Schon zum zweiten Male!
Wie das Becken schwillt!
Wie sich jede Schale
Voll mit Wasser füllt!

Stehe! Stehe!
Denn wir haben
Deiner Gaben
Vollgemessen! – –
Ach, ich merk es! Wehe! Wehe!
Hab ich doch das Wort vergessen!

Ach, das Wort, worauf am Ende
Er das wird, was er gewesen.
Ach, er läuft und bringt behende!
Wärst du doch der alte Besen!
Immer neue Güsse
Bringt er schnell herein,
Ach! und hundert Flüsse
Stürzen auf mich ein.

Nein, nicht länger
Kann ichs lassen.
Will dich fassen.
Das ist Tücke!
Ach! nun wird mir immer bänger!
Welche Miene! welche Blicke!

O, du Ausgeburt der Hölle!
Soll das ganze Haus ersaufen?
Seh ich über jede Schwelle
Doch schon Wasserströme laufen.
Ein verruchter Besen,
Der nicht hören will!
Stock, der du gewesen,
Steh doch endlich still!

Willst am Ende
Gar nicht lassen? Will dich fassen,
Will dich halten
Und das alte Holz behende
Mit dem scharfen Beile spalten!

Wahrlich! brav getroffen!
Seht, er ist entzwei!
Und nun kann ich hoffen,
Und ich atme frei!

Wehe! Wehe!
Beide Teile
Stehn in Eile
Schon als Knechte
Völlig fertig in die Höhe!
Helft mir, ach! ihr hohen Mächte!

Und sie laufen! Nass und nässer
Wirds im Saal und auf den Stufen.
Welch entsetzliches Gewässer!
Herr und Meister! hör mich rufen! –
Aah! da oben kommt der Meister!
Herr, die Not ist groß!
Die ich rief, die Geister,
Werd ich nun nicht los.

»In die Ecke
Besen! Besen!
Seids gewesen.
Denn als Geister
Ruft euch nur, zu diesem Zwecke,
Erst hervor der alte Meister.«

 
 
3 
 April 
 
2012


 
Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

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Alter Samen artet leicht aus (0:10)
Gottfried August Bürger (1747 – 1794)

Das schwör ich dir, bei meinem hohen Namen,
Mein guter Klaus, ich bin aus altem Samen!
Das ist nicht gut, erwidert Klaus,
Oft artet alter Samen aus.

 

 
Der Bauer an seinen durchlauchtigen Tyrannen (0:50)
Gottfried August Bürger (1747 – 1794)

Wer bist du, Fürst, dass ohne Scheu
Zerrollen mich dein Wagenrad,
Zertreten darf dein Ross?

Wer bist du, Fürst, dass in mein Fleisch
Dein Freund, der Jagdhund, ungestraft
Darf Klaun und Zähne haun?

Wer bist du, dass, durch Saat und Forst,
Das Waldhorn deiner Jagd mich treibt,
Entkräftet, wie das Wild? –

Die Saat, die deine Jagd zertritt,
Was Pferd und Hund und du verfrisst,
Das alles Fürst, ist mein.

Du hast ja nicht, mit Egg und Pflug,
Den Erntetag durchschwitzt.
Mein ist der Fleiß, das Brot! –

Was? Du wärst Obrigkeit von Gott?
Gott spendet Segen aus. Du raubst!
Du nicht von Gott, Tyrann!

 

 
An die Menschengesichter (5:31)
Gottfried August Bürger (1747 – 1794)

Ich habe was Liebes, das hab ich so lieb.
Was kann ich, was kann ich dafür?
Drum sind mir die Menschengesichter nicht hold.
Doch spinn ich ja leider nicht Seide, noch Gold,
Ich spinne nur Herzeleid mir.

Auch mich hat was Liebes im Herzen so lieb.
Was kann es, was kanns für sein Herz?
Auch ihm sind die Menschengesichter nicht hold.
Auch spinnt es wie ich weder Seide noch Gold,
Es spinnt sich nur Elend und Schmerz.

Wir seufzen und sehnen, wir schmachten uns an.
Wir sehnen und seufzen uns krank.
Die Menschengesichter verargen auch das.
Verleumden uns, reden, ich weiß nicht was,
Und schmieden uns Fessel und Zwang.

Wir quälen euch Menschengesichter doch nicht.
Wir quälen ja nur uns allein.
Drum, Menschengesichter, wir bitten euch sehr,
Ach, lasst uns gewähren, und quält uns nicht mehr,
O lasst uns allein für uns sein!

 

 
Naturrecht (5:19)
Gottfried August Bürger (1747 – 1794)

Von Blum und Frucht, die die Natur erschafft,
Darf ich zur Lust, wie zum Bedürfnis, pflücken.
Ich darf getrost nach allem Schönen blicken,
Und atmen darf ich jedes Würzkrauts Kraft.

Ich darf die Traube, darf der Biene Saft,
Des Schafes Milch in meine Schale drücken.
Mir dient der Stier. Mir leiht das Ross den Rücken.
Der Seidenwurm spinnt Atlas mir und Taft.

Es darf das Lied der holden Nachtigallen
Mich, hingestreckt auf flaumenweichem Moos,
Wohl in den Schlaf, wohl aus dem Schlafe hallen.

Warum wehrt Menschensatzung mir denn bloß,
Voll Liebe in Augustes Wonneschoß,
Von Lust bezwungen, hinzufallen.

 
 
3 
 April 
 

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DICHTUNG Georg Trakl
LESUNG Oskar Werner
QUELLE wortlover



 

Gelassen stieg die Nacht ans Land,
Lehnt träumend an der Berge Wand,
Ihr Auge sieht die goldne Waage nun
Der Zeit in gleichen Schalen stille ruhn;
Und kecker rauschen die Quellen hervor,
Sie singen der Mutter, der Nacht, ins Ohr
Vom Tage,
Vom heute gewesenen Tage.

Das uralt alte Schlummerlied,
Sie achtet’s nicht, sie ist es müd;
Ihr klingt des Himmels Bläue süßer noch,
Der flücht’gen Stunden gleichgeschwungnes Joch.
Doch immer behalten die Quellen das Wort,
Es singen die Wasser im Schlafe noch fort
Vom Tage,
Vom heute gewesenen Tage.