Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

8 
 August 
 
2016

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Geh aus, mein Herz, und suche Freud
in dieser lieben Sommerzeit
an deines Gottes Gaben;
Schau an der schönen Gärten Zier,
und siehe, wie sie mir und dir
sich ausgeschmücket haben.

Die Bäume stehen voller Laub,
das Erdreich decket seinen Staub
mit einem grünen Kleide;
Narzissus und die Tulipan,
die ziehen sich viel schöner an
als Salomonis Seide.

Die Lerche schwingt sich in die Luft,
das Täublein fliegt aus seiner Kluft
und macht sich in die Wälder;
die hochbegabte Nachtigall
ergötzt und füllt mit ihrem Schall
Berg, Hügel, Tal und Felder.

Die Glucke führt ihr Völklein aus,
der Storch baut und bewohnt sein Haus,
das Schwälblein speist die Jungen,
der schnelle Hirsch, das leichte Reh
ist froh und kommt aus seiner Höh
ins tiefe Gras gesprungen.

Die Bächlein rauschen in dem Sand
und malen sich an ihrem Rand
mit schattenreichen Myrten;
die Wiesen liegen hart dabei
und klingen ganz vom Lustgeschrei
der Schaf und ihrer Hirten.

Die unverdroßne Bienenschar
fliegt hin und her, sucht hier und da
ihr edle Honigspeise;
des süßen Weinstocks starker Saft
bringt täglich neue Stärk und Kraft
in seinem schwachen Reise.

Der Weizen wächset mit Gewalt;
darüber jauchzet jung und alt
und rühmt die große Güte
des, der so überfließend labt,
und mit so manchem Gut begabt
das menschliche Gemüte.

Ich selber kann und mag nicht ruhn,
des großen Gottes großes Tun
erweckt mir alle Sinnen;
ich singe mit, wenn alles singt,
und lasse, was dem Höchsten klingt,
aus meinem Herzen rinnen.

Ach, denk ich, bist du hier so schön
und läßt du’s uns so lieblich gehn
auf dieser armen Erden;
was will doch wohl nach dieser Welt
dort in dem reichen Himmelszelt
und güldnen Schlosse werden!

Welch hohe Lust, welch heller Schein
wird wohl in Christi Garten sein!
Wie muß es da wohl klingen,
da so viel tausend Seraphim
mit unverdroßnem Mund und Stimm
ihr Halleluja singen?

O wär ich da! O stünd ich schon,
ach süßer Gott, vor deinem Thron
und trüge meine Palmen:
So wollt ich nach der Engel Weis
erhöhen deines Namens Preis
mit tausend schönen Psalmen.

Doch gleichwohl will ich, weil ich noch
hier trage dieses Leibes Joch,
auch nicht gar stille schweigen;
mein Herze soll sich fort und fort
an diesem und an allem Ort
zu deinem Lobe neigen.

Hilf mir und segne meinen Geist
mit Segen, der vom Himmel fleußt,
daß ich dir stetig blühe;
gib, daß der Sommer deiner Gnad
in meiner Seele früh und spat
viel Glaubensfrüchte ziehe.

Mach in mir deinem Geiste Raum,
daß ich dir werd ein guter Baum,
und laß mich Wurzel treiben.
Verleihe, daß zu deinem Ruhm
ich deines Gartens schöne Blum
und Pflanze möge bleiben.

Erwähle mich zum Paradeis
und laß mich bis zur letzten Reis
an Leib und Seele grünen,
so will ich dir und deiner Ehr
allein und sonsten keinem mehr
hier und dort ewig dienen.

 

Dichter  Paul Gerhardt   |   Sprecher  Jürgen Fritsche

 
 
18 
 Juni 
 
2016

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Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

 

Die Heinzelmännchen von Köln (0:56)
August Kopisch (1799– 1853)
Wie war zu Köln es doch vordem
Mit Heinzelmännchen so bequem!
Denn, war man faul, man legte sich
Hin auf die Bank und pflegte sich.
Da kamen bei Nacht,
Eh mans gedacht,
Die Männlein und schwärmten
Und klappten und lärmten
Und rupften
Und zupften
Und hüpften und trabten
Und putzten und schabten.
Und eh ein Faulpelz noch erwacht,
War all sein Tagewerk bereits gemacht.

Die Zimmerleut streckten sich
Hin auf die Spän und reckten sich.
Indessen kam die Geisterschar
Und sah, was da zu zimmern war,
Nahm Meißel und Beil
Und die Säg in Eil.
Die sägten und stachen
Und hieben und brachen,
Berappten
Und kappten,
Visierten wie Falken
Und setzten die Balken.
Eh sichs der Zimmermann versah,
Klapp! Stand das ganze Haus schon fertig da!

Beim Bäckermeister war nicht Not,
Die Heinzelmännchen backten Brot.
Die faulen Burschen legten sich,
Die Heinzelmännchen regten sich.
Und ächzten daher
Mit den Säcken schwer
Und kneteten tüchtig
Und wogen es richtig
Und hoben
Und schoben
Und fegten und backten
Und klopften und hackten.
Die Burschen schnarchten noch im Chor
Da rückte schon das Brot, das neue, vor!

Beim Fleischer ging es just so zu:
Gesell und Bursche lag in Ruh.
Indessen kamen die Männlein her
Und hackten das Schwein die Kreuz und Quer.
Das ging so geschwind
Wie die Mühl im Wind!
Die klappten mit Beilen,
Die schnitzten an Speilen,
Die spülten,
Die wühlten,
Die mengten und mischten
Und stopften und wischten.
Tat der Gesell die Augen auf,
Wapp! Hing die Wurst schon da im Ausverkauf!

Beim Schenken war es so. Es trank
Der Küfer bis er niedersank.
Am hohlen Fasse schlief er ein.
Die Männlein sorgten um den Wein
Und schwefelten fein
Alle Fässer ein.
Sie rollten und hoben
Mit Winden und Kloben
Und schenkten
Und senkten
Und gossen und panschten
Und mengten und manschten.
Und eh der Küfer noch erwacht,
War schon der Wein geschönt und fein gemacht!

Einst hatt ein Schneider große Pein:
Der Staatsrock sollte fertig sein!
Warf hin das Zeug und legte sich
Hin auf das Ohr und pflegte sich.
Da schlüpften sie frisch
Auf den Schneidertisch
Und schnitten und rückten
Und nähten und stickten
Und fassten
Und passten
Und strichen und guckten
Und zupften und ruckten.
Und eh mein Schneiderlein erwacht,
War Bürgermeisters Rock bereits gemacht!

Neugierig war des Schneiders Weib
Und macht sich diesen Zeitvertreib:
Streut Erbsen hin die andre Nacht.
Die Heinzelmännchen kommen sacht.
Eins fähret nun aus,
Schlägt hin im Haus.
Die gleiten von Stufen
Und plumpen in Kufen,
Die fallen
Mit Schallen,
Die lärmen und schreien
Und vermaledeien!
Sie springt hinunter auf den Schall
Mit Licht: husch husch husch husch! – verschwinden all.

O weh! Nun sind sie alle fort,
Und keines ist mehr hier am Ort!
Man kann nicht mehr wie sonsten ruhn,
Man muss nun alles selber tun!
Ein jeder muss fein
Selbst fleißig sein
Und kratzen und schaben
Und rennen und traben
Und schniegeln
Und bügeln
Und klopfen und hacken
Und kochen und backen.
Ach, dass es noch wie damals wär!
Doch kommt die schöne Zeit nicht wieder her!

Die Wahrheit ohne Herberge (5:23)
August Kopisch (1799– 1853)
Wer klopft bei solchem Wetter? »Ich bins, ein armer Mann,
Der, weil er Wahrheit redet, nicht unterkommen kann.«
»Wie schlimm sind doch die Leute! Geh, Hans, tu auf die Tür!
Ich such indes was Warmes dem armen Mann herfür.«
»Herein! Wir li-li-lieben ein wa-wa-wahres Wort!«
»Wer weiß, vielleicht muss ich auch hier bald wieder fort.
Doch sagt mir, krumme Mutter und stotteriger Mann,
Wo häng ich jetzo hier mein Reiseränzel an?«
»Du Fle-Fle-Fle-Fle-Flegel! Fo – fort aus unserm Haus!«
»Da habt ihrs! Niemand hält mehr die reine Wahrheit aus!«
Das Meeresleuchten (7:00)
August Kopisch (1799– 1853)
Komm in mein Schiff,
Geliebter, hier her!
Die Nacht ist so still, und
Es leuchtet das Meer!

Doch wo ich auch rudre,
Entbrennet die Flut!
Es schaukelt mein Nachen
In wallender Glut!
Die Glut ist die Liebe
Der Nachen bin ich.
Ich sink in die Flammen.
O rette Du mich!

 
 
30 
 Dezember 
 
2012

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Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

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An Sibylle (0:47)
Annette von Droste-Hülshoff (1797 – 1848)

Die Abendröte war zerflossen.
Wir standen an des Weihers Rand,
Und ich hielt meine Hand geschlossen
Um deine kleine, kalte Hand. Ich sprach:
»So müssen wir denn wirklich scheiden?
Das Schicksal würfelt mit uns beiden,
Wir sind wie herrenloses Land.

Da wir von keines Herdes Pflicht gebunden,
Meint jeder nur, wir seien grad
Für sein Bedürfnis nur erfunden,
Das hilfsbereite fünfte Rad.
Was nützt es uns, dass frei wir stehen,
Auf keines Mannes Hände sehen?
Sie zeichnen dennoch uns den Pfad!

O hätten wir nur Mut, zu walten
Der Gaben, die das Glück beschert!
Wer dürft uns hindern? Wer uns halten?
Wer neiden uns den eignen Herd?
So leiden wir nach altem Rechte,
Dass, wer sich selber macht zum Knechte,
Nicht ist der goldnen Freiheit wert.

Zieh hin, wie du berufen worden,
Nach der Campagna Glut und Schweiß!
Und ich will ziehn nach meinem Norden,
Zu siechen unter Schnee und Eis.
Nicht würdig sind wir bessrer Tage,
Denn wer nicht kämpfen mag, der trage!
Dulde, wer nicht zu handeln weiß!«

So habe ich an Weihers Rand gesprochen,
Im Zorne halb, und halb in Pein.
Du, ich, wir hätten gern den Bann gebrochen
Aus all dem Sticheln, allen Tyrannein.
Doch als drauf Regenwolken stiegen,
Wühlten erst recht wir mit Vergnügen
Uns in den Ärger ganz hinein.

So lang die Tropfen einzeln fielen,
Wars Naphtaöl für unsern Trutz.
Auch eins von des Geschickes Spielen:
Zum Schaden uns und Keiner Nutz!
Doch als der Himmel Schlossen streute,
Da machten wirs wie andre Leute
Und suchten einer Linde Schutz.

Dort stand ein Häuflein dicht beisammen,
Sich schauernd unterm Blätterdach.
Die Wolke zuckte Schwefelflammen
Und jagte Regenstriemen nach.
Wir hörtens auf den Blättern springen.
Jedoch kein Tropfen konnte dringen
In unser laubiges Gemach.

Ein armes Häuflein Männlein war es,
Das hier dem Wettersturm entrann.
Ein hagrer Jud gebleichten Haares,
Mit seinem Hund ein blinder Mann,
Ein Schuladjunkt im magren Fracke,
Und dann, mit seinem Bettelsacke,
Der kleine, hinkende Johann.

Und alle sahn bei jedem Stoße
Behaglich an dem Stamm hinauf.
Rückten ihr Bündelchen im Schoße
Und drängten lächelnd sich zuhauf.
Denn um so ärger schlug der Regen,
So breiter warf, dem Sturm entgegen,
Die Linde ihre grünen Schirme auf.

Ich fühlte seltsam mich befangen.
Beschämt, mit hocherglühten Wangen,
Hab in die Krone ich geschaut,
Der Linde, die doch keinem Manne eigen,
Verloren in der Heide stand,
Nicht Früchte trug in ihren Zweigen,
Nicht Nahrung für des Herdes Brand.

Zur Freundin sah ich, sie herüber,
Wir dachten Gleiches wohl vielleicht,
Denn auch Sibylles Miene wurde trüber,
Auch ihre lieben Augen feucht.
Doch haben wir kein Wort gesprochen,
Vom Baum ein Zweiglein nur gebrochen
Und still die Hände uns gereicht.

 

 
Schenke am See (6:18)
Annette von Droste-Hülshoff (1797 – 1848)

Ists nicht ein heitrer Ort, mein junger Freund,
Das kleine Haus, das schier vom Hange gleitet?
Wo so possierlich uns der Wirt begrüßt,
So übermächtig sich die Landschaft breitet?
Wo uns ergötzt, im neckischen Kontrast,
Das Wurzelmännchen mit verschmitzter Miene,
Das wie ein Aal sich schlingt und kugelt fast,
Im Angesicht der stolzen Alpenbühne?

Sitz nieder. – Trauben! – Und behend erscheint
Zopfwedelnd der geschäftige Pygmäe.
O sieh nur, wie manch reife Beere weint
Schon blutge Tränen um des Endes Nähe –
Frisch, greif in die kristallne Schale, frisch!
Die saftigen Rubine glühn und locken!
Schon fühl ich an des Herbstes reichem Tisch,
Den kargen Winter nahn auf leisen Socken –

Das sind dir Hieroglyphen, junges Blut.
Und ich, ich will an deiner lieben Seite
Froh schlürfen meiner Neige letztes Gut –
Schau her, schau drüben in die Näh und Weite,
Wie uns zur Seite sich der Felsen bäumt,
Als könnten wir mit Händen ihn ergreifen!
Wie uns zu Füßen das Gewässer schäumt,
Als könnten wir im Schwunge drüber streifen!

Trink aus! – die Alpen liegen stundenweit.
Nur nah die Meersburg, heimisches Gemäuer.
Wo Träume lagern langverschollner Zeit,
Seltsame Mär und zornge Abenteuer!
Wohl ziemt es mir, in Räumen schwer und grau,
Zu grübeln über dunkler Taten Reste,
Doch du, Levin, schaust aus dem grimmen Bau,
Wie eine Schwalbe aus dem Mauerneste.

Sieh drunten auf dem See im Abendrot
Die Taucherente hin und wieder schlüpfend!
Nun sinkt sie nieder wie des Netzes Lot,
Nun wieder aufwärts mit den Wellen hüpfend!
Seltsames Spiel! Recht wie ein Lebenslauf!
Wir beide schaun gespannten Blickes nieder.
Du flüsterst lächelnd: immer kommt sie auf.
Und ich, ich denke, immer sinkt sie wieder.

Noch einen Blick dem segensreichen Land,
Den Hügeln, Auen, üppgem Wellenrauschen,
Und heimwärts dann, wo von der Zinne Rand
Freundliche Augen unserm Pfade lauschen.
Herr Wirt! – Da haspelt in behendem Lauf
Das Männlein Abschied wedelnd uns entgegen:
»Guts Nächtle! Stehns nit zu zeitig auf!«
Das ist der lustgen Schwaben Abendsegen.