Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

18 
 Juni 
 
2016

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Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

 

Die Heinzelmännchen von Köln (0:56)
August Kopisch (1799– 1853)
Wie war zu Köln es doch vordem
Mit Heinzelmännchen so bequem!
Denn, war man faul, man legte sich
Hin auf die Bank und pflegte sich.
Da kamen bei Nacht,
Eh mans gedacht,
Die Männlein und schwärmten
Und klappten und lärmten
Und rupften
Und zupften
Und hüpften und trabten
Und putzten und schabten.
Und eh ein Faulpelz noch erwacht,
War all sein Tagewerk bereits gemacht.

Die Zimmerleut streckten sich
Hin auf die Spän und reckten sich.
Indessen kam die Geisterschar
Und sah, was da zu zimmern war,
Nahm Meißel und Beil
Und die Säg in Eil.
Die sägten und stachen
Und hieben und brachen,
Berappten
Und kappten,
Visierten wie Falken
Und setzten die Balken.
Eh sichs der Zimmermann versah,
Klapp! Stand das ganze Haus schon fertig da!

Beim Bäckermeister war nicht Not,
Die Heinzelmännchen backten Brot.
Die faulen Burschen legten sich,
Die Heinzelmännchen regten sich.
Und ächzten daher
Mit den Säcken schwer
Und kneteten tüchtig
Und wogen es richtig
Und hoben
Und schoben
Und fegten und backten
Und klopften und hackten.
Die Burschen schnarchten noch im Chor
Da rückte schon das Brot, das neue, vor!

Beim Fleischer ging es just so zu:
Gesell und Bursche lag in Ruh.
Indessen kamen die Männlein her
Und hackten das Schwein die Kreuz und Quer.
Das ging so geschwind
Wie die Mühl im Wind!
Die klappten mit Beilen,
Die schnitzten an Speilen,
Die spülten,
Die wühlten,
Die mengten und mischten
Und stopften und wischten.
Tat der Gesell die Augen auf,
Wapp! Hing die Wurst schon da im Ausverkauf!

Beim Schenken war es so. Es trank
Der Küfer bis er niedersank.
Am hohlen Fasse schlief er ein.
Die Männlein sorgten um den Wein
Und schwefelten fein
Alle Fässer ein.
Sie rollten und hoben
Mit Winden und Kloben
Und schenkten
Und senkten
Und gossen und panschten
Und mengten und manschten.
Und eh der Küfer noch erwacht,
War schon der Wein geschönt und fein gemacht!

Einst hatt ein Schneider große Pein:
Der Staatsrock sollte fertig sein!
Warf hin das Zeug und legte sich
Hin auf das Ohr und pflegte sich.
Da schlüpften sie frisch
Auf den Schneidertisch
Und schnitten und rückten
Und nähten und stickten
Und fassten
Und passten
Und strichen und guckten
Und zupften und ruckten.
Und eh mein Schneiderlein erwacht,
War Bürgermeisters Rock bereits gemacht!

Neugierig war des Schneiders Weib
Und macht sich diesen Zeitvertreib:
Streut Erbsen hin die andre Nacht.
Die Heinzelmännchen kommen sacht.
Eins fähret nun aus,
Schlägt hin im Haus.
Die gleiten von Stufen
Und plumpen in Kufen,
Die fallen
Mit Schallen,
Die lärmen und schreien
Und vermaledeien!
Sie springt hinunter auf den Schall
Mit Licht: husch husch husch husch! – verschwinden all.

O weh! Nun sind sie alle fort,
Und keines ist mehr hier am Ort!
Man kann nicht mehr wie sonsten ruhn,
Man muss nun alles selber tun!
Ein jeder muss fein
Selbst fleißig sein
Und kratzen und schaben
Und rennen und traben
Und schniegeln
Und bügeln
Und klopfen und hacken
Und kochen und backen.
Ach, dass es noch wie damals wär!
Doch kommt die schöne Zeit nicht wieder her!

Die Wahrheit ohne Herberge (5:23)
August Kopisch (1799– 1853)
Wer klopft bei solchem Wetter? »Ich bins, ein armer Mann,
Der, weil er Wahrheit redet, nicht unterkommen kann.«
»Wie schlimm sind doch die Leute! Geh, Hans, tu auf die Tür!
Ich such indes was Warmes dem armen Mann herfür.«
»Herein! Wir li-li-lieben ein wa-wa-wahres Wort!«
»Wer weiß, vielleicht muss ich auch hier bald wieder fort.
Doch sagt mir, krumme Mutter und stotteriger Mann,
Wo häng ich jetzo hier mein Reiseränzel an?«
»Du Fle-Fle-Fle-Fle-Flegel! Fo – fort aus unserm Haus!«
»Da habt ihrs! Niemand hält mehr die reine Wahrheit aus!«
Das Meeresleuchten (7:00)
August Kopisch (1799– 1853)
Komm in mein Schiff,
Geliebter, hier her!
Die Nacht ist so still, und
Es leuchtet das Meer!

Doch wo ich auch rudre,
Entbrennet die Flut!
Es schaukelt mein Nachen
In wallender Glut!
Die Glut ist die Liebe
Der Nachen bin ich.
Ich sink in die Flammen.
O rette Du mich!

 
 
29 
 Dezember 
 
2012

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Unruhe (6:45)
Annette von Droste-Hülshoff (1797 – 1848)

Ich will hier ein wenig ruhn am Strande.
Sonnenstrahlen spielen auf dem Meere.
Seh ich doch der Wimpel weiße Heere.
Viele Schiffe ziehn zum fernen Lande.

Oh, ich möchte wie ein Vogel fliehen!
Mit den hellen Wimpeln möcht ich ziehen!
Weit, o weit, wo noch kein Fußtritt schallte,
Keines Menschen Stimme wiederhallte,
Noch kein Schiff durchschnitt die flüchtige Bahn!

Und noch weiter, endlos, ewig neu
Mich durch fremde Schöpfungen, voll Lust,
Hinzuschwingen fessellos und frei!
Oh, das pocht, das glüht in meiner Brust!
Rastlos treibts mich um im engen Leben.
Freiheit heißt der Seele banges Streben,
Und im Busen tönts Unendlichkeit!

Fesseln will man mich am eignen Herde!
Meine Sehnsucht nennt man Wahn und Traum.
Und mein Herz, dies kleine Klümpchen Erde,
Hat doch für die ganze Schöpfung Raum!

Doch stille, still, mein töricht Herz!
Willst vergebens du dich sehnen?
Aus lauter Vergeblichkeit hadernde Tränen
Ewig vergießen in fruchtlosem Schmerz?
Sei ruhig, Herz, und lerne dich bescheiden.

So will ich heim vom feuchten Strande kehren.
Hier zu weilen, tut nicht wohl.
Meine Träume drücken schwer mich nieder.
Und die alte Unruh kehret wieder.
Ich muß heim vom feuchten Strande kehren.
Wandrer auf den Wogen, fahret wohl!

Fesseln will man uns am eignen Herde!
Unsre Sehnsucht nennt man Wahn und Traum
Und das Herz, dies kleine Klümpchen Erde
Hat doch für die ganze Schöpfung Raum!

 
 
29 
 September 
 
2012

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Das Grab im Busento (0:46)
August Graf von Platen (1796 – 1835)

Nächtlich am Busento lispeln,
Bei Cosenza, dumpfe Lieder.
Aus den Wassern schallt es Antwort,
Und in Wirbeln klingt es wider!

Und den Fluss hinauf, hinunter
Ziehn die Schatten tapfrer Goten,
Die den Alarich beweinen,
Ihres Volkes besten Toten.

Allzufrüh und fern der Heimat
Mussten hier sie ihn begraben,
Während noch die Jugendlocken
Seine Schultern blond umgaben.

Und am Ufer des Busento
Reihten sie sich um die Wette.
Um die Strömung abzuleiten,
Gruben sie ein frisches Bette.

In der wogenleeren Höhlung
Wühlten sie empor die Erde.
Senkten tief hinein den Leichnam,
Mit der Rüstung, auf dem Pferde.

Deckten dann mit Erde wieder
Ihn und seine stolze Habe,
Dass die hohen Stromgewächse
Wüchsen aus dem Heldengrabe.

Abgelenkt zum zweiten Male,
Ward der Fluss herbeigezogen.
Mächtig in ihr altes Bette
Schäumten die Busentowogen.

Und es sang ein Chor von Männern:
»Schlaf in deinen Heldenehren!
Keines Römers schnöde Habsucht
Soll dir je dein Grab versehren!«

Sangens, und die Lobgesänge
Tönten fort im Gotenheere.
Wälze sie, Busentowelle,
Wälze sie von Meer zu Meere!

 

 
Es sehnt sich ewig dieser Geist ins Weite (3:35)
August Graf von Platen (1796 – 1835)

Es sehnt sich ewig mein Geist ins Weite.
Und so möchte ich weiter und weiter streben.
Nie konnte ich lang nur an Einem kleben,
Und hätt ich ein Eden an meiner Seite.

Mein Geist, bewegt von innerem Streite,
Empfand in diesem so kurzen Leben,
Wie leicht es ist, die Heimat aufzugeben,
Allein wie schwer es ist, zu finden eine Zweite.

Doch wer wie ich aus voller Seele hasst das Schlechte,
Den wird es aus der Heimat bald verjagen,
Weil es verehrt wird dort vom Volk der Knechte.

Weit klüger ists dem Vaterlande zu entsagen,
Als unter einem kindischen Geschlechte
Das Joch des blinden Pöbelhasses tragen.

 

 
Tristan (5:05)
August Graf von Platen (1796 – 1835)

Wer die Schönheit angeschaut mit Augen,
Ist dem Tode schon anheimgegeben.
Wird für keinen Dienst auf Erden taugen,
Und doch wird er vor dem Tode beben,
Wer die Schönheit angeschaut mit Augen!

Ewig währt für ihn der Schmerz der Liebe,
Denn ein Tor nur kann auf Erden hoffen,
Zu genügen einem solchen Triebe.
Wen der Pfeil des Schönen je getroffen,
Ewig währt für ihn der Schmerz der Liebe!

Ach, er möchte wie ein Quell versiegen,
Jedem Hauch der Luft ein Gift entsaugen
Und den Tod aus jeder Blume riechen.
Wer die Schönheit angeschaut mit Augen,
Ach, er möchte wie ein Quell versiechen!

 

 
Farbenstäubchen auf der Schwinge (6:17)
August Graf von Platen (1796 – 1835)

Farbenstäubchen auf der Schwinge
Sommerlicher Schmetterlinge.

Flüchtig sind sie, sind vergänglich,
Wie die Gaben, die ich bringe,
Wie die Kränze, die ich flechte,
Wie die Lieder, die ich singe.

Schnell vorüber schweben alle,
Ihre Dauer ist geringe,
Wie ein Schaum auf schwanker Welle,
Wie ein Hauch auf blanker Klinge.

Nicht Unsterblichkeit verlang ich,
Sterben ist das Los der Dinge.
Meine Töne sind zerbrechlich
Wie das Glas, an das ich klinge.

 

 
Ich möchte, wenn ich sterbe, wie die lichten (8:33)
August Graf von Platen (1796 – 1835)

Ich möchte, wenn ich sterbe, wie die lichten
Gestirne schnell und unbewusst erbleichen.
Erliegen möcht ich einst des Todes Streichen,
Wie Sagen uns vom Pindaros berichten.

Nein, ich will nicht im Leben oder Dichten
Den großen Unerreichlichen erreichen.
Jedoch möcht ich, oh Freund, im Tod ihm gleichen.
So höre nun die schönste der Geschichten!

Er saß im Schauspiel, vom Gesang beweget,
Und hatte, der ermüdet war, die Wangen
Auf seines Lieblingsknaben schönes Knie geleget.

Als nun der Chöre Melodien verklangen,
Da will wecken ihn, der ihn so sanft geheget,
Doch zu den Göttern war Pindaros heimgegangen.