Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

9 
 Juli 
 
2016

abgelegt in
Weltliteratur
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Willst du dein Herz mir schenken,
So fang es heimlich an,
Daß unser beider Denken
Niemand erraten kann.
Die Liebe muß bei beiden
Allzeit verschwiegen sein,
Drum schließ die größten Freuden
In deinem Herzen ein!

Behutsam sei und schweige
Und traue keiner Wand,
Lieb innerlich und zeige
Dich außen unbekannt:
Kein Argwohn mußt du geben,
Verstellung nötig ist,
Genug, daß du, mein Leben,
Der Treu versichert bist.

Begehre keine Blicke
Von meiner Liebe nicht.
Der Neid hat viele Tücke
Auf unsern Bund gericht’.
Du mußt die Brust verschließen,
Halt deine Neigung ein,
Die Lust, die wir genießen,
Muß ein Geheimnis sein.

Zu frei sein, sich ergehen,
Hat oft Gefahr gebracht.
Man muß sich wohl verstehen,
Weil ein falsch Auge wacht.
Du mußt den Spruch bedenken,
Den ich vorher getan:
Willst du dein Herz mir schenken,
So fang es heimlich an.

Verfasser unbekannt
Lesung Imogen Kogge
Bereitstellung wortlover

 
 
18 
 Juni 
 
2016

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Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

 

Die Heinzelmännchen von Köln (0:56)
August Kopisch (1799– 1853)
Wie war zu Köln es doch vordem
Mit Heinzelmännchen so bequem!
Denn, war man faul, man legte sich
Hin auf die Bank und pflegte sich.
Da kamen bei Nacht,
Eh mans gedacht,
Die Männlein und schwärmten
Und klappten und lärmten
Und rupften
Und zupften
Und hüpften und trabten
Und putzten und schabten.
Und eh ein Faulpelz noch erwacht,
War all sein Tagewerk bereits gemacht.

Die Zimmerleut streckten sich
Hin auf die Spän und reckten sich.
Indessen kam die Geisterschar
Und sah, was da zu zimmern war,
Nahm Meißel und Beil
Und die Säg in Eil.
Die sägten und stachen
Und hieben und brachen,
Berappten
Und kappten,
Visierten wie Falken
Und setzten die Balken.
Eh sichs der Zimmermann versah,
Klapp! Stand das ganze Haus schon fertig da!

Beim Bäckermeister war nicht Not,
Die Heinzelmännchen backten Brot.
Die faulen Burschen legten sich,
Die Heinzelmännchen regten sich.
Und ächzten daher
Mit den Säcken schwer
Und kneteten tüchtig
Und wogen es richtig
Und hoben
Und schoben
Und fegten und backten
Und klopften und hackten.
Die Burschen schnarchten noch im Chor
Da rückte schon das Brot, das neue, vor!

Beim Fleischer ging es just so zu:
Gesell und Bursche lag in Ruh.
Indessen kamen die Männlein her
Und hackten das Schwein die Kreuz und Quer.
Das ging so geschwind
Wie die Mühl im Wind!
Die klappten mit Beilen,
Die schnitzten an Speilen,
Die spülten,
Die wühlten,
Die mengten und mischten
Und stopften und wischten.
Tat der Gesell die Augen auf,
Wapp! Hing die Wurst schon da im Ausverkauf!

Beim Schenken war es so. Es trank
Der Küfer bis er niedersank.
Am hohlen Fasse schlief er ein.
Die Männlein sorgten um den Wein
Und schwefelten fein
Alle Fässer ein.
Sie rollten und hoben
Mit Winden und Kloben
Und schenkten
Und senkten
Und gossen und panschten
Und mengten und manschten.
Und eh der Küfer noch erwacht,
War schon der Wein geschönt und fein gemacht!

Einst hatt ein Schneider große Pein:
Der Staatsrock sollte fertig sein!
Warf hin das Zeug und legte sich
Hin auf das Ohr und pflegte sich.
Da schlüpften sie frisch
Auf den Schneidertisch
Und schnitten und rückten
Und nähten und stickten
Und fassten
Und passten
Und strichen und guckten
Und zupften und ruckten.
Und eh mein Schneiderlein erwacht,
War Bürgermeisters Rock bereits gemacht!

Neugierig war des Schneiders Weib
Und macht sich diesen Zeitvertreib:
Streut Erbsen hin die andre Nacht.
Die Heinzelmännchen kommen sacht.
Eins fähret nun aus,
Schlägt hin im Haus.
Die gleiten von Stufen
Und plumpen in Kufen,
Die fallen
Mit Schallen,
Die lärmen und schreien
Und vermaledeien!
Sie springt hinunter auf den Schall
Mit Licht: husch husch husch husch! – verschwinden all.

O weh! Nun sind sie alle fort,
Und keines ist mehr hier am Ort!
Man kann nicht mehr wie sonsten ruhn,
Man muss nun alles selber tun!
Ein jeder muss fein
Selbst fleißig sein
Und kratzen und schaben
Und rennen und traben
Und schniegeln
Und bügeln
Und klopfen und hacken
Und kochen und backen.
Ach, dass es noch wie damals wär!
Doch kommt die schöne Zeit nicht wieder her!

Die Wahrheit ohne Herberge (5:23)
August Kopisch (1799– 1853)
Wer klopft bei solchem Wetter? »Ich bins, ein armer Mann,
Der, weil er Wahrheit redet, nicht unterkommen kann.«
»Wie schlimm sind doch die Leute! Geh, Hans, tu auf die Tür!
Ich such indes was Warmes dem armen Mann herfür.«
»Herein! Wir li-li-lieben ein wa-wa-wahres Wort!«
»Wer weiß, vielleicht muss ich auch hier bald wieder fort.
Doch sagt mir, krumme Mutter und stotteriger Mann,
Wo häng ich jetzo hier mein Reiseränzel an?«
»Du Fle-Fle-Fle-Fle-Flegel! Fo – fort aus unserm Haus!«
»Da habt ihrs! Niemand hält mehr die reine Wahrheit aus!«
Das Meeresleuchten (7:00)
August Kopisch (1799– 1853)
Komm in mein Schiff,
Geliebter, hier her!
Die Nacht ist so still, und
Es leuchtet das Meer!

Doch wo ich auch rudre,
Entbrennet die Flut!
Es schaukelt mein Nachen
In wallender Glut!
Die Glut ist die Liebe
Der Nachen bin ich.
Ich sink in die Flammen.
O rette Du mich!

 
 
27 
 April 
 
2016

abgelegt in
Ávila, Teresa von | Gebete

 

O Herr, Du weißt besser als ich,
dass ich von Tag zu Tag älter
und eines Tages alt sein werde.

Bewahre mich vor der Einbildung,
bei jeder Gelegenheit und zu jedem Thema
etwas sagen zu müssen.
Erlöse mich von der großen Leidenschaft,
die Angelegenheiten anderer ordnen zu wollen.

Lehre mich, nachdenklich, aber nicht grüblerisch,
hilfreich, aber nicht diktatorisch zu sein.
Bei meiner ungeheuren Ansammlung von
Weisheit erscheint es mir ja schade,
sie nicht weiterzugeben – aber Du verstehst o Herr,
dass ich mir ein paar Freunde erhalten möchte.

Bewahre mich vor der Aufzählung endloser
Einzelheiten und
verleihe mir Schwingen, zur Pointe zu gelangen.
Lehre mich schweigen über meine Krankheiten
und Beschwerden.
Sie nehmen zu, und die Lust, sie zu beschreiben,
wächst von Jahr zu Jahr.

Ich wage nicht, die Gabe zu erflehen,
mir die Krankheitsschilderungen anderer
mit Freude anzuhören, aber lehre mich,
sie geduldig zu ertragen.

Lehre mich die wunderbare Weisheit,
dass ich mich irren kann.
Erhalte mich so liebenswert wie möglich.
Ich möchte kein Heiliger sein – mit ihnen lebt es sich so schwer -,
aber ein alter Griesgram ist das Krönungswerk des Teufels.

Lehre mich, an anderen Menschen unerwartete
Talente zu entdecken, und verleihe mir o Herr,
die schöne Gabe, sie auch zu erwähnen.

 

Dichtung Teresa von Ávila
Lesung Fritz Stavenhagen