Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

24 
 Juli 
 
2012


 

 

Aus des Meeres tiefem, tiefem Grunde
Klingen Abendglocken dumpf und matt,
Uns zu geben wunderbare Kunde
Von der schönen alten Wunderstadt.

In der Fluten Schoß hinabgesunken
Blieben unten ihre Trümmer stehn.
Ihre Zinnen lassen goldne Funken
Widerscheinend auf dem Spiegel sehn.
Und der Fischer, der den Zauberschimmer

Einmal sah im hellen Abendrot,
Nach derselben Stelle schifft er immer,
Ob auch ringsumher die Klippe droht.
Aus des Herzens tiefem, tiefem Grunde
Klingt es mir, wie Glocken, dumpf und matt.

Ach, sie geben wunderbare Kunde
Von der Liebe, die geliebt es hat.
Eine schöne Welt ist da versunken,
Ihre Trümmer blieben unten stehn,
Lassen sich als goldne Himmelsfunken

Oft im Spiegel meiner Träume sehn.
Und dann möcht ich tauchen in die Tiefen,
Mich versenken in den Widerschein
Und mir ist, als ob mich Engel riefen
In die alte Wunderstadt herein.

 

Textdichter Wilhelm Müller
Lesung Corinna Kirchhoff
Bereitstellung wortlover

 
 
29 
 April 
 
2012


 

https://www.youtube.com/watch?v=kzZWZUwlU_g

Wie mir der Abend das Grün der feiernden Tannen vergoldet
und noch mit leuchtendem Rot drunter die Stämme beglückt!
Irgendwo zwitschern und zwitschern noch kleine beseligte Meisen;
fernher, fernhin rollt selten ein spätes Gefährt,
oder es schlägt die Flut des Strands verborgene Zeile,
wenn ein Dampfer sie jäh rauschenden Buges verdrängt.

Aber da schaudert es plötzlich – die Sonne versank hinter Bergen,
und in das hohe Gewölk eilt nun der purpurne Glanz.
Farblos steht nun der Wald, allein die Gewässer, sie strahlen
lang noch das rötliche Blau mächtig entloderter Luft . . .
Also sah ich einmal noch um Mitternacht rosige Schimmer
in des umschwiegenen Fjords zitternder Spiegelung ruhn.

 

Dichtung Christian Morgenstern
Lesung Hartmut Schories
Bereitstellung wortlover

 
 
28 
 April 
 
2012


 

https://www.youtube.com/watch?v=CgDzyWao4PE

Ich sah vom Weg aus in ein Landhauszimmer,
drin eine junge Dame Karten legte …
Sie war in Weiss … und bei dem matten Schimmer
der Lampe kam’s, dass mich ihr Bild bewegte …

Du hast hier einst gewohnt! – Ich stand und dachte:
Dort hat sie also auch einmal gesessen …
und unerlebt noch lag und undurchmessen
der Weg vor ihr, der sie zum Weibe machte …

Begnügst du dich mit dem Gewinn der Reise?
Möchtst du der Jahre Zeiger rückwärts drehen?
Mein lieb fern Seitenbild zu jenem nahen!

Oh Teuerste, ich weiss, – nun wehrst du leise:
“Wie könnt ich das! Dann würd ja ungeschehen -!”
Doch war’s dein Glück denn, dass wir – uns – geschahen? ..

 

Dichtung Christian Morgenstern
Lesung Hartmut Schories
Bereitstellung wortlover