Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

2 
 April 
 
2012

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Fremd bin ich eingezogen,
Fremd zieh ich wieder aus.
Der Mai war mir gewogen
Mit manchem Blumenstrauß.
Das Mädchen sprach von Liebe,
Die Mutter gar von Eh’ –
Nun ist die Welt so trübe,
Der Weg gehüllt in Schnee.

Ich kann zu meiner Reisen
Nicht wählen mit der Zeit:
Muß selbst den Weg mir weisen
In dieser Dunkelheit.
Es zieht ein Mondenschatten
Als mein Gefährte mit,
Und auf den weißen Matten
Such ich des Wildes Tritt.

Was soll ich länger weilen,
Daß man mich trieb’ hinaus?
Laß irre Hunde heulen
Vor ihres Herren Haus!
Die Liebe liebt das Wandern,
Gott hat sie so gemacht –
Von einem zu dem andern –
Fein Liebchen, gute Nacht!

Will dich im Traum nicht stören,
Wär schad um deine Ruh,
Sollst meinen Tritt nicht hören –
Sacht, sacht die Türe zu!
Schreib im Vorübergehen
Ans Tor dir gute Nacht,
Damit du mögest sehen,
An dich hab ich gedacht.

 

Textdichter Wilhelm Müller
Lesung Jürgen Hentsch
Bereitstellung wortlover

 
 
1 
 April 
 
2012


 

DICHTUNG Theodor Fontane
LESUNG Otto Sander
BEREITSTELLUNG wortlover



John Maynard!
“Wer ist John Maynard?”
“John Maynard war unser Steuermann,
aushielt er, bis er das Ufer gewann,
er hat uns gerettet, er trägt die Kron’,
er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
John Maynard.”

Die “Schwalbe” fliegt über den Erie-See,
Gischt schäumt um den Bug wie Flocken von Schnee;
von Detroit fliegt sie nach Buffalo –
die Herzen aber sind frei und froh,
und die Passagiere mit Kindern und Fraun
im Dämmerlicht schon das Ufer schaun,
und plaudernd an John Maynard heran
tritt alles: “Wie weit noch, Steuermann?”
Der schaut nach vorn und schaut in die Rund:
“Noch dreißig Minuten … Halbe Stund.”

Alle Herzen sind froh, alle Herzen sind frei –
da klingt’s aus dem Schiffsraum her wie Schrei,
“Feuer!” war es, was da klang,
ein Qualm aus Kajüt und Luke drang,
ein Qualm, dann Flammen lichterloh,
und noch zwanzig Minuten bis Buffalo.

Und die Passagiere, bunt gemengt,
am Bugspriet stehn sie zusammengedrängt,
am Bugspriet vorn ist noch Luft und Licht,
am Steuer aber lagert sich´s dicht,
und ein Jammern wird laut: “Wo sind wir? wo?”
Und noch fünfzehn Minuten bis Buffalo. –

Der Zugwind wächst, doch die Qualmwolke steht,
der Kapitän nach dem Steuer späht,
er sieht nicht mehr seinen Steuermann,
aber durchs Sprachrohr fragt er an:
“Noch da, John Maynard?”
“Ja,Herr. Ich bin.”

“Auf den Strand! In die Brandung!”
“Ich halte drauf hin.”
Und das Schiffsvolk jubelt: “Halt aus! Hallo!”
Und noch zehn Minuten bis Buffalo. – –

“Noch da, John Maynard?” Und Antwort schallt’s
mit ersterbender Stimme: “Ja, Herr, ich halt’s!”
Und in die Brandung, was Klippe, was Stein,
jagt er die “Schwalbe” mitten hinein.
Soll Rettung kommen, so kommt sie nur so.
Rettung: der Strand von Buffalo!

Das Schiff geborsten. Das Feuer verschwelt.
Gerettet alle. Nur einer fehlt!

Alle Glocken gehn; ihre Töne schwell’n
himmelan aus Kirchen und Kapell’n,
ein Klingen und Läuten, sonst schweigt die Stadt,
ein Dienst nur, den sie heute hat:
Zehntausend folgen oder mehr,
und kein Aug’ im Zuge, das tränenleer.

Sie lassen den Sarg in Blumen hinab,
mit Blumen schließen sie das Grab,
und mit goldner Schrift in den Marmorstein
schreibt die Stadt ihren Dankspruch ein:

“Hier ruht John Maynard! In Qualm und Brand
hielt er das Steuer fest in der Hand,
er hat uns gerettet, er trägt die Kron,
er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
John Maynard.”

 
 
28 
 März 
 
2012

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Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

Tausend Dank an Lutz Görner für die Einstellung auf YouTube!
Eventuelle Kommentare zum Video-Clip bitte direkt auf YouTube!

 

 
Das Harz-Moos (0:09)
Anna Louisa Karsch (1722 – 1791)

Seht dort das Moos.
Es bleibt, wenn all die Blumen schon gestorben,
Tief unter Schnee noch unverdorben.
Das Moos, wie ähnlich ist es mir! Tief lag ich unter Gram
Viel schwere Jahre lang, und als mein Winter kam,
Da stand ich unverwelkt und fing erst an zu grünen.

 

 
An den Domherrn von Rochow (3:09)
Anna Louisa Karsch (1722 – 1791)

Als er gesagt hatte, die Liebe müsse mich
Gelehret haben, so schöne Verse zu machen.

Kenner von dem sapphischen Gesange!
Unter deinem weißen Überhange
Klopft ein Herze voller Glut in dir!
Von der Liebe war es unterrichtet,
Dies dein Herze, aber ganz erdichtet
Nennst du die Liebe: Lehrerin von mir!

Meine Jugend war gedrückt von Sorgen.
Seufzend sang an manchem Sommermorgen
Meine Einfalt ihr gestammelt Lied.
Nicht dem Jüngling töneten Gesänge,
Nein, dem Gott, der auf der Menschen Menge,
Wie auf Ameishaufen nieder sieht!

Ohne Liebe, die ich oft beschreibe,
Ohne Zärtlichkeit ward ich zum Weibe!
Ward zur Mutter! Wie im wilden Krieg,
Unverliebt ein Mädchen werden müsste,
Die ein Krieger halb gezwungen küsste,
Der die Mauer einer Stadt erstieg.

Wenn ich Lieder singe für der Liebe Kenner,
Dann erträum ich mir den zärtlichsten der Männer,
Den ich immer wünschte, aber nie erhielt.
Keine Gattin küsste je getreuer,
Als ich in der Dichtung sanftem Feuer
Lippen küsste, die ich nie gefühlt.

Was wir heftig lange wünschen müssen,
Aber doch nicht zu erhalten wissen,
Drückt sich tief in unserm Herzen ein.
Rebensaft verschwendet der Gesunde,
Und erquickend schmeckt des Kranken Munde
Auch im Traum der ungetrunkne Wein.

 

 
Freund, zeichne diesen Tag mit einem größern Strich! (5:10)
Anna Louisa Karsch (1722 – 1791)

Freund, zeichne diesen Tag mit einem größern Strich!
Er war doch ganz für dich und mich.
Wir wandelten im Hain und hörten Vögel singen
In dicken Fichten, wo der Mann das Weibchen hascht.
Gut wars, dass über uns nicht Edens Äpfel hingen,
Indem wir Hand in Hand durch das Gebüsche gingen.
Da hätten du und ich genascht
Und im Entzücken nicht die Folgen von den Bissen –
Ja, auch nur einen Augenblick bedacht.
So hat es Eva einst gemacht,
So machens heute noch Verliebte, die sich küssen –
Bald werd ich nichts zu schwatzen wissen,
Als ewig von dem Kuss. Und meiner Mutter Mann,
Durch den ich ward, ist Schuld daran,
Dass ich so gern von Küssen sing und sage,
Denn er verküsste sich des Lebens schwere Plage.
 

 
Lob der schwarzen Kirschen (7:36)
Anna Louisa Karsch (1722 – 1791)

Des Weinstocks Saftgewächse ward
Von tausend Dichtern laut erhoben.
Warum will denn nach Sängerart
Kein Mensch die Kirsche loben?
Kein Apfel reizet so den Gaum
Und löschet so des Durstes Flammen,
Er mag gleich vom Chineser-Baum
In echter Abkunft stammen.
Der ausgekochte Kirschensaft
Gibt aller Sommersuppen beste.
Verleiht der Leber neue Kraft
Und kühlt der Adern Äste.
Und wem das schreckliche Verbot
Des Arztes jeden Wein geraubet,
Der misch ihn mit der Kirsche rot
Dann ist er ihm erlaubet.
Und wäre seine Lunge wund,
Und seine ganze Brust durchgraben,
So darf sich doch sein matter Mund
Mit diesem Tranke laben.
Wenn ich den goldnen Rheinstrandwein
Und silbernen Champagner meide,
Dann Freunde mischt mir Kirschblut drein
Zur Aug- und Zungenweide.
Dann werd ich ebenso verführt,
Als Eva, die den Baum betrachtet,
So hübsch gewachsen und geziert
Und nach der Frucht geschmachtet.
Ich trink und rufe dreimal hoch!
Ihr Männer singt im Ernst und Scherze
Zu oft die Rebe, singet doch
Einmal der Kirschen Schwärze!