Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

15 
 April 
 
2012


 

aus: “Sebastian im Traum”

Wanderschaft durch dämmernden Sommer
An Bündeln vergilbten Korns vorbei. Unter getünchten Bogen,
Wo die Schwalbe aus und ein flog, tranken wir feurigen Wein.

Schön: o Schwermut und purpurnes Lachen.
Abend und die dunklen Düfte des Grüns
Kühlen mit Schauern die glühende Stirne uns.

Silberne Wasser rinnen über die Stufen des Walds,
Die Nacht und sprachlos ein vergessenes Leben.
Freund; die belaubten Stege ins Dorf.

 

Dichtung Georg Trakl
Lesung Frederik Kranemann
Bereitstellung Der Critische Musicus

 
 
14 
 April 
 
2012


 

aus: “Sebastian im Traum”

Er wahrlich liebte die Sonne, die purpurn den Hügel hinabstieg,
Die Wege des Walds, den singenden Schwarzvogel
Und die Freude des Grüns.

Ernsthaft war sein Wohnen im Schatten des Baums
Und rein sein Antlitz.
Gott sprach eine sanfte Flamme zu seinem Herzen:
O Mensch!

Stille fand sein Schritt die Stadt am Abend;
Die dunkle Klage seines Munds:
Ich will ein Reiter werden.

Ihm aber folgte Busch und Tier,
Haus und Dämmergarten weißer Menschen
Und sein Mörder suchte nach ihm.

Frühling und Sommer und schön der Herbst
Des Gerechten, sein leiser Schritt
An den dunklen Zimmern Träumender hin.
Nachts blieb er mit seinem Stern allein;

Sah, daß Schnee fiel in kahles Gezweig
Und im dämmernden Hausflur den Schatten des Mörders.

Silbern sank des Ungebornen Haupt hin.

 

Dichtung Georg Trakl
Lesung Frederik Kranemann
Bereitstellung Der Critische Musicus

 
 
11 
 April 
 
2012


 

Was doch heut Nacht ein Sturm gewesen,
bis erst der Morgen sich geregt!
Wie hat der ungebetne Besen
Kamin und Gassen ausgefegt!

Da kommt ein Mädchen schon die Straßen,
das halb verschüchtert um sich sieht;
wie Rosen, die der Wind zerblasen,
so unstet ihr Gesichtchen glüht.

Ein schöner Bursch tritt ihr entgegen,
er will ihr voll Entzücken nahn:
wie sehn sich freudig und verlegen
die ungewohnten Schelme an!

Er scheint zu fragen, ob das Liebchen
die Zöpfe schon zurecht gemacht,
die heute Nacht im offnen Stübchen
ein Sturm in Unordnung gebracht.

Der Bursche träumt noch von den Küßen,
die ihm das süße Kind getauscht,
er steht, von Anmut hingerissen,
derweil sie um die Ecke rauscht.

 

Textdichter Eduard Mörike
Lesung Oskar Werner
Bereitstellung wortlover