Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

16 
 Mai 
 
2008

abgelegt in
Kapitel III.

 

 



Prometheus
 

Körper und Geist

Ewig entrauscht schon kristallenem Urquell des göttlichen Willens
wundersam Seele, bestrebt, Heimat im Weltenbezirk,
Wohnung in ird’schem Gefäße zu finden. Denn die Idee des
Wahren, des edleren Sinns göttlich verborgenen Seins
möchte als ew’ge Gestalterin in der Welt der Erscheinung,
in der Materie Reich einzig beheimatet sein.

Möchte gestalten der klumpen Masse sterbliche Hülle,
prägen und kunstvoll grazil Anmut verleih’n. Und die Hand
bildenden Geists formt geduldig nach höherm Prinzip das
Wesen allen Geschöpfs: Pflanze, Getier als auch Mensch.

Denn im Vergänglichen erst reift die Vernunft, sie zähmt ihrer Stoffe
wilder Mechanik und drängt zur Vervollkommung hin.


 


 

Also erhub auch Prometheus, der stolze Titanensohn sich, be-
seelten Tatendrangs voll. Denn der Leib der Erdengeschöpfe
ward noch nicht so beschaffen, dass göttlicher Geist ihn beherrschen,
gänzlich Besitz gar ergreife konnte und befriedet, bezwung’ne
Triebe in heiligem Wandel sich zeigten.

Sei’n es die Pflanzen,
oder die Tiere, die wilden, alles noch folgte dem Laster
planlosem, blindem Gefüge.

Jenes gewahrte Prometheus,
nahm drum vom Ton feuchter Grube und formte geduldig den Klumpen,
dass er fasse geschmeidige Züge von Menschengestalt, als
rühmendes Ebenbild des olympischen Herrschergeschlechtes:
 

Hände liebkosten und Finger polierten mit Gleichmaß des plumpen
Lehmkloßes schroffe Konturen, damit aus der Ungestalt Erden-
scholle mit Feingefühl die nun rundungsvolle durch Venus’
Gnaden schönheiterstehende Statur rankt und dann tonge-
brannt im Farbgewand noch lieblicher prangt schönes Kunstwerk.

 
Was jedoch nutzen dem prunken Gefäß zierlich gewundene Linien?
Was gebieren die rührenden Seufzer bei andächt’ger stiller
Wohlgestalt? Oh, nimmer mit gar weiser Einsicht erspüren
sie den rechten Pfad auf des Lebens Drangsal verschlung’nen
Wegen!

So trat die Göttin der Weisheit, Pallas Athene,
barmend hinzu und blies in das tönern Gefäß nun den Geist, und
göttlicher Funke entfachte in bisher erfahr’ner Umnachtung.

Nebst der Athene Geschenk, der Vernuft, bescherte Hephaistos,
Glieder beseelend, die Erdengebor’nen mit Fingergeschick für
klugen Werkzeuggebrauch: der Kultur empfangene Segnung.

Eins in das and’re ergossen: Der wohlgeziemeten Götter
Tracht in wohlgelungene Fleischespracht. Für das heilig
Amt nun bedacht, entsendet als ird’schen Regenten an götter-
statt, um durch frommer Sitten Bewahrung mit heilsamen Händen
treu zu verwalten das kostbare Erdengut, als Leihpfand der Götter.

 

16ter Mai 1827,  Scardanelli *    

 
 
11 
 Februar 
 
2008

abgelegt in
Gedankenschau

 

Vom Ammenmärchen der menschlichen Monogamie

Vorab möchte ich mich von einer sexistisch anmutenden Sachdarstellung lossprechen und eine neutrale Position in dem schon seit Urzeiten wütenden Geschlechterkampf beziehen.

Gleichfalls möchte ich mich hinsichtlich der Erschaffung der Welt weder auf die Seite der bibelkonformen Kreationisten (“Gott erschuf Himmel und Erde”) noch auf jene der Evolutionsverfechter (“Urknall-Theorie”) schlagen, sondern eine Mittelstellung einnehmen: Die Erde sowie alle Lebens- und Erscheinungsformen in ihr sind Zufallsprodukte, allerdings durch eine verborgene, kreative Macht gewirkt (Schiller: […] und huldiget der furchtbar’n Macht, die richtend im Verborgnen wacht, die unerforschlich, unergründet des Schicksals dunklen Knäuel flicht […]).

Das ist allerdings – wie der Rest des Beitrags – nur eine Gedankenspielerei ohne wissenschaftlichen Fundus.

Gott stellt für mich ein Sammelbegriff aller Naturgesetze dar, abstrakt gesehen ein strukturschaffender Algorithmus, personalisiert betrachtet ein experimentierfreudiger Wissenschaftler, der in einer eigens angelegten Biosphäre (uns allen als Heimatplaneten „Erde“ bekannt) vor rund 4,6 Mrd. Jahren die wohl größte Versuchsreihe überhaupt startete.

“Zufälle” (innerhalb der Evolution) sind in diesem Kontext sehr wohl Würfelspiel im Weltengemenge.

Allerdings setzt(e) Gott oft gezielt “gezinkte Würfel” ein, um ein bestimmtes Ergebnis (z.B. bauliche Prinzipien, markante menschliche Erfindungen) zu erzwingen und zu beschleunigen.

Wichtig in seiner Versuchsreihe war ihm jeher eine Variationsbreite oder -biologisch ausgedrückt- ein Genpool, um durch größtmögliche Vielfalt das Potential möglicher Spezien voll auszuschöpfen.

Wie die breite Basis einer Pyraminde sich begünstigend auf die Stabilität und Höhe auswirkt, so garantiert ein großer Genpool durch Variabilität ein Höchstmaß an Anpassungsvermögen und damit Fortbestand einer Spezies in der Erdgeschichte.

Stagnation (Erstarrtheit) einer Art bedeutet für sie nicht nur Stillstand, sondern sie wird mittels natürlicher Selektion vom Platz des Weltgeschehens verwiesen.

Vielfalt ermöglicht Veränderung und ohne Veränderung gibt es kein Leben.

Daher scheint sich das Konzept der Polygamie (Rückgriff auf mehrere Sexualpartner, auf mehrere Genpoole) bewährt zu haben.

Während Primaten (Herrentiere) wie z.B. Schimpansen polygam leben, finden sich bei den Gibbons monogame Lebensweisen.
Gerne wäre ich ein Gibbon, Angehöriger einer Spezies mit festen Bezugspunkten, lebenslänglicher Verlässlichkeit und Urvertrauen.

Bin ich allerdings nicht.
Ich gehöre -will man dem Biologiebuch Glauben schenken- zu den Wirbeltieren, dort wiederum zu den Säugern aus der Ordnung der Primaten.

Primaten? Ja, aber die Primaten, die hatten wir doch schon?

Richtig!
Bei den Primaten wird “gewürfelt” und zwar richtig, meist ohne gezinkte Würfel.

Dadurch erhofft sich sowohl Männchen als auch Weibchen durch wechselnde Sexualpartner einen günstigen Wurf zu erzielen (etymologische Zusammenhänge zwischen “Wurf” und “Geburt” drängen sich mir auf!).

Wer will auch schon sein Leben lang mit EINEM Partner zusammenleben, ständig mit ihm einen Dreier- oder Viererpasch würfeln, wenn er mit einem anderen auch eine “Große Straße” erwürfeln kann?
Monogamisten mögen jetzt Sturm laufen, aber so lautet nun mal das Regelwerk, das genetisch in uns verankert ist.

Wem’s wiederstrebt, braucht sich ja nicht an den großen Spieltisch zu setzen.
So wie ich.

Ich bin nämlich streng monogam mit Hang zur geistigen Verklärung erotischer Liebe und spiele lieber mit Mozart, Schiller und Hesse auf dem Parterre Karten.
Und wir haben schon seit Jahren, auch ohne großen Spieleinsatz, einen Heidenspaß.

 
 
19 
 Juni 
 
2005


 

Schön ist, Mutter Natur, deiner Erfindung Pracht
Auf die Fluren verstreut, schöner ein froh Gesicht,
Das den großen Gedanken
Deiner Schöpfung noch einmal denkt.

Komm, und lehre mein Lied jugendlich heiter seyn,
Süße Freude, wie du! gleich dem beseelteren
Schnellen Jauchzen des Jünglings,
Sanft, der fühlenden Fanny gleich.

Jetz empfing uns die Au in die beschattenden
kühlen Arme des Walds, welcher die Insel krönt;
Da, da kamest du, Freude!
Volles Maßes auf uns herab!

Göttin Freude! du selbst! Dich, wir empfanden Dich!
Ja, du warest es selbst, Schwester der Menschlichkeit,
Deiner Unschuld Gespielin,
die sich über uns ganz ergoß.

Süß ist, fröhlicher Lenz, deiner Begeistrung Hauch,
Wenn die Flur dich gebiert, wenn sich dein Odem sanft
in der Jünglinge Herzen,
und die Herzen der Mädchen gießt.

Ach, du machst das Gefühl siegend, es steigt durch dich
jede blühende Brust schöner, und bebender,
lauter redet der Liebe
nun entzauberter Mund durch dich!