Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

1 
 April 
 
2012

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DICHTUNG Theodor Fontane
LESUNG Otto Sander
BEREITSTELLUNG wortlover



»Ich hab’ es getragen sieben Jahr,
und ich kann es nicht tragen mehr,
wo immer die Welt am schönsten war,
da war sie öd’ und leer.

Ich will hintreten vor sein Gesicht
in dieser Knechtsgestalt,
er kann meine Bitte versagen nicht,
ich bin ja worden alt,

Und trüg’ er noch den alten Groll,
frisch wie am ersten Tag,
so komme, was da kommen soll,
und komme, was da mag.«

Graf Douglas sprichts. Am Weg ein Stein
lud ihn zu harter Ruh’,
er sah in Wald und Feld hinein,
die Augen fielen ihm zu.

Er trug einen Harnisch, rostig und schwer,
darüber ein Pilgerkleid, –
da horch, vom Waldrand scholl es her
wie von Hörnern und Jagdgeleit.

Und Kies und Staub aufwirbelte dicht,
herjagte Meut’ und Mann,
und ehe der Graf sich aufgericht’t,
waren Roß und Reiter heran.

König Jakob saß auf hohem Roß,
Graf Douglas grüßte tief,
dem König das Blut in die Wangen schoß,
der Douglas aber rief:

»König Jakob, schaue mich gnädig an
und höre mich in Geduld,
was meine Brüder dir angetan,
es war nicht meine Schuld.

Denk nicht an den alten Douglas-Neid,
der trotzig dich bekriegt,
denk lieber an deine Kinderzeit,
wo ich dich auf den Knieen gewiegt.

Denk lieber zurück an Stirling-Schloß,
wo ich Spielzeug dir geschnitzt,
dich gehoben auf deines Vaters Roß
und Pfeile dir zugespitzt.

Denk lieber zurück an Linlithgow,
an den See und den Vogelherd,
wo ich dich fischen und jagen froh
und schwimmen und springen gelehrt.

O denk an alles, was einsten war,
und sänftige deinen Sinn,
ich hab’ es gebüßet sieben Jahr,
daß ich ein Douglas bin.«

»Ich seh’ dich nicht, Graf Archibald,
ich hör’ deine Stimme nicht,
mir ist, als ob ein Rauschen im Wald
von alten Zeiten spricht.

Mir klingt das Rauschen süß und traut,
ich lausch’ ihm immer noch,
dazwischen aber klingt es laut:
Er ist ein Douglas doch.

Ich seh dich nicht, ich höre dich nicht,
das ist alles, was ich kann,
ein Douglas vor meinem Angesicht
wär’ ein verlorener Mann.«

König Jakob gab seinem Roß den Sporn,
bergan ging jetzt sein Ritt,
Graf Douglas faßte den Zügel vorn
und hielt mit dem Könige Schritt.

Der Weg war steil, und die Sonne stach,
und sein Panzerhemd war schwer;
doch ob er schier zusammenbrach,
er lief doch nebenher.

»König Jakob, ich war dein Seneschall,
ich will es nicht fürder sein,
ich will nur warten dein Roß im Stall
und ihm schütten die Körner ein.

Ich will ihm selber machen die Streu
und es tränken mit eigner Hand,
nur laß mich atmen wieder aufs neu
die Luft im Vaterland.

Und willst du nicht, so hab’ einen Mut,
und ich will es danken dir,
und zieh dein Schwert und triff mich gut
und laß mich sterben hier.«

König Jakob sprang herab vom Pferd,
hell leuchtete sein Gesicht,
aus der Scheide zog er sein breites Schwert,
aber fallen ließ er es nicht.

»Nimm’s hin, nimm’s hin und trag es neu,
und bewache mir meine Ruh’,
der ist in tiefster Seele treu,
der die Heimat liebt wie du.

Zu Roß, wir reiten nach Linlithgow,
und du reitest an meiner Seit’,
da wollen wir fischen und jagen froh
als wie in alter Zeit.«

 
 
28 
 März 
 
2012

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Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

Tausend Dank an Lutz Görner für die Einstellung auf YouTube!
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Das Harz-Moos (0:09)
Anna Louisa Karsch (1722 – 1791)

Seht dort das Moos.
Es bleibt, wenn all die Blumen schon gestorben,
Tief unter Schnee noch unverdorben.
Das Moos, wie ähnlich ist es mir! Tief lag ich unter Gram
Viel schwere Jahre lang, und als mein Winter kam,
Da stand ich unverwelkt und fing erst an zu grünen.

 

 
An den Domherrn von Rochow (3:09)
Anna Louisa Karsch (1722 – 1791)

Als er gesagt hatte, die Liebe müsse mich
Gelehret haben, so schöne Verse zu machen.

Kenner von dem sapphischen Gesange!
Unter deinem weißen Überhange
Klopft ein Herze voller Glut in dir!
Von der Liebe war es unterrichtet,
Dies dein Herze, aber ganz erdichtet
Nennst du die Liebe: Lehrerin von mir!

Meine Jugend war gedrückt von Sorgen.
Seufzend sang an manchem Sommermorgen
Meine Einfalt ihr gestammelt Lied.
Nicht dem Jüngling töneten Gesänge,
Nein, dem Gott, der auf der Menschen Menge,
Wie auf Ameishaufen nieder sieht!

Ohne Liebe, die ich oft beschreibe,
Ohne Zärtlichkeit ward ich zum Weibe!
Ward zur Mutter! Wie im wilden Krieg,
Unverliebt ein Mädchen werden müsste,
Die ein Krieger halb gezwungen küsste,
Der die Mauer einer Stadt erstieg.

Wenn ich Lieder singe für der Liebe Kenner,
Dann erträum ich mir den zärtlichsten der Männer,
Den ich immer wünschte, aber nie erhielt.
Keine Gattin küsste je getreuer,
Als ich in der Dichtung sanftem Feuer
Lippen küsste, die ich nie gefühlt.

Was wir heftig lange wünschen müssen,
Aber doch nicht zu erhalten wissen,
Drückt sich tief in unserm Herzen ein.
Rebensaft verschwendet der Gesunde,
Und erquickend schmeckt des Kranken Munde
Auch im Traum der ungetrunkne Wein.

 

 
Freund, zeichne diesen Tag mit einem größern Strich! (5:10)
Anna Louisa Karsch (1722 – 1791)

Freund, zeichne diesen Tag mit einem größern Strich!
Er war doch ganz für dich und mich.
Wir wandelten im Hain und hörten Vögel singen
In dicken Fichten, wo der Mann das Weibchen hascht.
Gut wars, dass über uns nicht Edens Äpfel hingen,
Indem wir Hand in Hand durch das Gebüsche gingen.
Da hätten du und ich genascht
Und im Entzücken nicht die Folgen von den Bissen –
Ja, auch nur einen Augenblick bedacht.
So hat es Eva einst gemacht,
So machens heute noch Verliebte, die sich küssen –
Bald werd ich nichts zu schwatzen wissen,
Als ewig von dem Kuss. Und meiner Mutter Mann,
Durch den ich ward, ist Schuld daran,
Dass ich so gern von Küssen sing und sage,
Denn er verküsste sich des Lebens schwere Plage.
 

 
Lob der schwarzen Kirschen (7:36)
Anna Louisa Karsch (1722 – 1791)

Des Weinstocks Saftgewächse ward
Von tausend Dichtern laut erhoben.
Warum will denn nach Sängerart
Kein Mensch die Kirsche loben?
Kein Apfel reizet so den Gaum
Und löschet so des Durstes Flammen,
Er mag gleich vom Chineser-Baum
In echter Abkunft stammen.
Der ausgekochte Kirschensaft
Gibt aller Sommersuppen beste.
Verleiht der Leber neue Kraft
Und kühlt der Adern Äste.
Und wem das schreckliche Verbot
Des Arztes jeden Wein geraubet,
Der misch ihn mit der Kirsche rot
Dann ist er ihm erlaubet.
Und wäre seine Lunge wund,
Und seine ganze Brust durchgraben,
So darf sich doch sein matter Mund
Mit diesem Tranke laben.
Wenn ich den goldnen Rheinstrandwein
Und silbernen Champagner meide,
Dann Freunde mischt mir Kirschblut drein
Zur Aug- und Zungenweide.
Dann werd ich ebenso verführt,
Als Eva, die den Baum betrachtet,
So hübsch gewachsen und geziert
Und nach der Frucht geschmachtet.
Ich trink und rufe dreimal hoch!
Ihr Männer singt im Ernst und Scherze
Zu oft die Rebe, singet doch
Einmal der Kirschen Schwärze!

 
 
31 
 Juli 
 
2011


 

DICHTUNG Annette von Droste-Hülshoff
LESUNG Katharina Thalbach
BEREITSTELLUNG wortlover


 

An des Balkones Gitter lehnte ich
Und wartete, du mildes Licht, auf dich.
Hoch über mir, gleich trübem Eiskristalle,
Zerschmolzen schwamm des Firmamentes Halle;
Der See verschimmerte mit leisem Stöhnen,
Zerfloßne Perlen oder Wolkentränen?
Es rieselte, es dämmerte um mich,
Ich wartete, du mildes Licht, auf dich.

Hoch stand ich, neben mir der Linden Kamm,
Tief unter mir Gezweige, Ast und Stamm;
Im Laube summte der Phalänen Reigen,
Die Feuerfliege sah ich glimmend steigen,
Und Blüten taumelten wie halb entschlafen;
Mir war, als treibe hier ein Herz zum Hafen,
Ein Herz, das übervoll von Glück und Leid
Und Bildern seliger Vergangenheit.

Das Dunkel stieg, die Schatten drangen ein –
Wo weilst du, weilst du denn, mein milder Schein?
Sie drangen ein, wie sündige Gedanken,
Des Firmamentes Woge schien zu schwanken,
Verzittert war der Feuerfliege Funken,
Längst die Phaläne an den Grund gesunken,
Nur Bergeshäupter standen hart und nah,
ein finstrer Richterkreis, im Düster da.

Und Zweige zischelten an meinem Fuß
Wie Warnungsflüstern oder Todesgruß;
Ein Summen stieg im weiten Wassertale
Wie Volksgemurmel vor dem Tribunale;
Mir war, als müsse etwas Rechnung geben,
Als stehe zagend ein verlornes Leben,
Als stehe ein verkümmert Herz allein,
Einsam mit seiner Schuld und seiner Pein.

Da auf die Wellen sank ein Silberflor,
Und langsam stiegst du, frommes Licht, empor;
Der Alpen finstre Stirnen strichst du leise,
Und aus den Richtern wurden sanfte Greise,
Der Wellen Zucken ward ein lächelnd Winken,
An jedem Zweige sah ich Tropfen blinken,
Und jeder Tropfen schien ein Kämmerlein,
Drin flimmerte der Heimatlampe Schein.

O Mond, du bist mir wie ein später Freund,
Der seine Jugend dem Verarmten eint,
Um seine sterbenden Erinnerungen
Des Lebens zarten Widerschein geschlungen,
Bist keine Sonne, die entzückt und blendet,
In Feuerströmen lebt, im Blute endet –
Bist, was dem kranken Sänger sein Gedicht,
Ein fremdes, aber o! ein mildes Licht.