Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

31 
 März 
 
2012

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Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

Tausend Dank an Lutz Görner für die Einstellung auf YouTube!
Eventuelle Kommentare zum Video-Clip bitte direkt auf YouTube!

 

 
Der Mensch (0:09)
Christian Matthias Claudius (1740 – 1815)

Empfangen und genähret
Vom Weibe wunderbar,
Kommt er und sieht und höret
Und nimmt des Trugs nicht wahr.
Gelüstet und begehret
Und bringt sein Tränlein dar.
Verachtet und verehret,
Hat Freude und Gefahr,
Glaubt, zweifelt, wähnt und lehret,
Hält nichts und alles wahr.
Erbauet und zerstöret
Und quält sich immerdar.
Schläft, wachet, wächst und zehret,
Trägt braun und graues Haar.
Und alles dieses währet,
Wenns hoch kommt, achtzig Jahr.
Dann legt er sich zu seinen Vätern nieder,
Und er kommt nimmer wieder.

 

 
Epigramm von Lessing über Klopstock (0:09)
Christian Matthias Claudius (1740 – 1815)

Wer wird nicht einen Klopstock loben?
Doch wird ihn jeder lesen? – Nein.
Wir möchten weniger erhoben
Und fleißiger gelesen sein.

 

 
Abendlied (4:24)
Christian Matthias Claudius (1740 – 1815)

Der Mond ist aufgegangen.
Die goldnen Sternlein prangen
Am Himmel hell und klar.
Der Wald steht schwarz und schweiget,
Und aus den Wiesen steiget
Der weiße Nebel wunderbar.

Wie ist die Welt so stille
Und in der Dämmrung Hülle
So traulich und so hold.
Wie eine stille Kammer,
Wo ihr des Tages Jammer
Verschlafen und vergessen sollt.

Seht ihr den Mond dort stehen? –
Er ist nur halb zu sehen
Und ist doch rund und schön!
So sind wohl manche Sachen,
Die wir getrost belachen,
Weil unsre Augen sie nicht sehn.

Wir stolzen Menschenkinder
Sind doch nur arme Sünder
Und wissen gar nicht viel.
Wir spinnen Luftgespinste
Und treiben viele Künste
Und kommen weiter von dem Ziel.

So legt euch denn, ihr Brüder,
In Gottes Namen nieder.
Kalt ist der Abendhauch.
Verschon uns, Gott, mit Strafen,
Und lass uns ruhig schlafen
Und unsern kranken Nachbar auch!

 

 
Täglich zu singen (6:11)
Christian Matthias Claudius (1740 – 1815)

Ich danke Gott und freue mich
Wies Kind am Weihnachttage,
Dass ich bin, bin! Und dass ich dich,
Schön menschlich Antlitz habe.

Dass ich die Sonne, Berg und Meer
Und Laub und Gras kann sehen,
Und abends unterm Sternenheer
Und lieben Monde gehen.

Und dass mir dann zumute ist,
Wie wenn wir Kinder kamen,
Und sahen, was der heilge Christ
Bescheret hatte, Amen!

Ich danke Gott mit Saitenspiel,
Dass ich kein König worden.
Ich wär geschmeichelt worden viel
und wär vielleicht verdorben.

Auch bet ich ihn von Herzen an,
Dass ich auf dieser Erde
Nicht bin ein großer, reicher Mann,
Und auch wohl keiner werde.

Denn Ehr und Reichtum treibt und bläht,
Hat mancherlei Gefahren.
Und vielen hats das Herz verdreht,
Die weiland wacker waren.

Und all das Geld und all das Gut
Gewährt zwar viele Sachen.
Gesundheit, Schlaf und guten Mut
Kann’s aber doch nicht machen.

Und die sind doch bei Ja und Nein
Ein rechter Lohn und Segen!
Drum will ich mich nicht groß kastei’n
Des vielen Geldes wegen.

Gott gebe mir nur jeden Tag,
So viel ich brauch zum Leben.
Er gibts dem Sperling auf dem Dach.
Wie sollt ers mir nicht geben!

 

 
Die Sternseherin Lise (8:10)
Christian Matthias Claudius (1740 – 1815)

Ich sehe oft um Mitternacht,
Wenn ich mein Werk getan,
Und niemand mehr im Hause wacht
Die Stern am Himmel an.

Sie gehn da, hin und her zerstreut,
Als Lämmer auf der Flur,
In Rudeln auch, und aufgereiht
Wie Perlen an der Schnur!

Und funkeln alle weit und breit
Und funkeln rein und schön.
Ich seh die große Herrlichkeit,
Und kann mich satt nicht sehn.

Dann saget unterm Himmelszelt
Mein Herz mir in der Brust:
Es gibt was bessers in der Welt
Als all ihr Schmerz und Lust.

Ich werf mich auf mein Lager hin,
Und liege lange wach.
Und suche es in meinem Sinn.
Und sehne mich danach.

 
 
7 
 Februar 
 
2012

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Wie herrlich leuchtet
mir die Natur!
Wie glänzt die Sonne!
Wie lacht die Flur!
Es dringen Blüten
aus jedem Zweig
und tausend Stimmen
aus dem Gesträuch.

Und Freud und Wonne
aus jeder Brust.
O Erd, o Sonne!
O Glück, o Lust!
O Lieb, o Liebe!
So golden schön,
wie Morgenwolken
auf jenen Höhn!

Du segnest herrlich
das frische Feld,
im Blütendampfe
die volle Welt.

O Mädchen, Mädchen,
wie lieb ich dich!
Wie blinkt dein Auge!
Wie liebst Du mich!

So liebt die Lerche
Gesang und Luft,
und Morgenblumen
den Himmelsduft,
wie ich dich liebe
mit warmem Blut
die du mir Jugend
und Freud und Mut
zu neuen Liedern
und Tänzen gibst.
Sei ewig glücklich,
wie du mich liebst!

 

Textdichter Johann Wolfgang von Goethe
Lesung Gerd Wameling
Bereitstellung wortlover

 
 
5 
 Februar 
 
2012

abgelegt in
Diverses | Esperanto

 

La eta princo Der kleine Prinz
Esperanto Deutsch

 

Ho, eta princo,
mi ekkomprenis tiele,
iom-post-iome,
vian melankolian vivon…

Dum longa tempo
vi havis kiel distraĵon nur
la mildecon de sunsubiroj.

Tiun ĉi novan detalon
mi eksciis la kvaran tagon matene,
kiam vi diris al mi:
“Al mi multe plaĉas sunsubiroj.
Ni iru
vidi sunsubirojn!…”
“Sed necesas atendi.”
“Kion atendi?”
“Ke la suno subiru.”
Unue vi ŝajnis tre surprizita,
sed poste ridis pri vi mem.
Kaj vi diris al mi:
“Mi ĉiam pensas kvazaŭ
mi estus hejme!”

Efektive.
Kiam tagmezas
en Usono,
la suno – ĉiuj scias tion –
subiras super Francio.

Por ĉeesti
la sunsubiron sufixus,
ke oni povu en
unu minuto atingi Francion.

Bedaŭrinde,
Francio estas multe tro malproksima.
Sed via tiel eta planedo
nur sufiĉis,
ke vi tiru vian seĝon
je kelkaj paŝoj.
Kaj vi rigardis krepuskon
tiel ofte kiel vi deziris…

“Unu tagon
mi vidis la sunon subiri
kvardek tri fojojn!”

Kaj iom pli poste vi aldonis:
“Vi scias…
se oni estas malgaja,
oni amas sunsubirojn…”
“Do, ĉu en la kvardek-tri-foja tago
vi estis tiom malĝoja?”

Sed la eta princo ne respondis.

Ach, kleiner Prinz,
ich habe verstanden, so
nach und nach,
dein schwermütiges Leben…

Lange Zeit
hattest du als Zerstreuung nur
die Lieblichkeit der Sonnenuntergänge.

Diese neue Einzelheit (Detail)
verstand ich am vierten Tag morgens,
als du mir sagtest:
“Mir (sehr) gefallen Sonnenuntergänge.
Lass uns gehen,
Sonnenuntergänge anzuschauen…”
“Aber es ist nötig, noch zu warten.”
“Worauf warten?”
“Dass die Sonne untergeht.”
Zuerst schienst du sehr überrascht,
aber dann lachtest du über dich selbst.
Und du sagtest zu mir:
“Ich immer denke sozusagen,
ich sei zu Hause!”

In der Tat.
Wenn es Mittag ist
in den Vereinigten Staaten
die Sonne – wie jeder weiß –
geht über Frankreich unter.

Um dort
einem Sonnenuntergang beizuwohnen,
müsste man (können) in
einer Minute Frankreich erreichen.

Unglücklicherweise,
ist Frankreich viel zu weit weg.
Aber auf deinem so kleinen Planeten
genügte es lediglich,
dass du deinen Sessel weiterdrehst
um einige Schritte.
Und du schautest die Dämmerung
so oft du es dir wünschtest…

“An einem Tag
habe ich die Sonne untergehen sehen
dreiundvierzigmal”

Und ein wenig später fügtest du hinzu:
“Du weißt…
wenn man traurig ist,
liebt man die Sonnenuntergänge…”
“Am Tag mit den dreiunvierzigmal
warst du besonders traurig?”

Aber der kleine Prinz antwortete nicht.

 


Autor Antoine de Saint-Exupéry
Übersetzung Pierre Delaire
Bereitstellung Tarkuax