Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

8 
 Juli 
 
2012

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Aufgestanden ist er, welcher lange schlief,
Aufgestanden unten aus Gewölben tief.
In der Dämmrung steht er, groß und unbekannt,
Und den Mond zerdrückt er in der schwarzen Hand.

In den Abendlärm der Städte fällt es weit,
Frost und Schatten einer fremden Dunkelheit.
Und der Märkte runder Wirbel stockt zu Eis.
Es wird still. Sie sehn sich um. Und keiner weiß.

In den Gassen faßt es ihre Schulter leicht.
Eine Frage. Keine Antwort. Ein Gesicht erbleicht.
In der Ferne zittert ein Geläute dünn,
Und die Bärte zittern um ihr spitzes Kinn.

Auf den Bergen hebt er schon zu tanzen an,
Und er schreit: Ihr Krieger alle, auf und an!
Und es schallet, wenn das schwarze Haupt er schwenkt,
Drum von tausend Schädeln laute Kette hängt.

Einem Turm gleich tritt er aus die letzte Glut,
Wo der Tag flieht, sind die Ströme schon voll Blut.
Zahllos sind die Leichen schon im Schilf gestreckt,
Von des Todes starken Vögeln weiß bedeckt.

Über runder Mauern blauem Flammenschwall
Steht er, über schwarzer Gassen Waffenschall.
Über Toren, wo die Wächter liegen quer,
Über Brücken, die von Bergen Toter schwer.

In die Nacht er jagt das Feuer querfeldein,
Einen roten Hund mit wilder Mäuler Schrein.
Aus dem Dunkel springt der Nächte schwarze Welt,
Von Vulkanen furchtbar ist ihr Rand erhellt.

Und mit tausend hohen Zipfelmützen weit
Sind die finstren Ebnen flackend überstreut,
Und was unten auf den Straßen wimmelnd flieht,
Stößt er in die Feuerwälder, wo die Flamme brausend zieht.

Und die Flammen fressen brennend Wald um Wald,
Gelbe Fledermäuse, zackig in das Laub gekrallt,
Seine Stange haut er wie ein Köhlerknecht
In die Bäume, dass das Feuer brause recht.

Eine große Stadt versank in gelbem Rauch,
Warf sich lautlos in des Abgrunds Bauch.
Aber riesig über glühnden Trümmern steht,
Der in wilde Himmel dreimal seine Fackel dreht,

Über sturmzerfetzter Wolken Widerschein,
In des toten Dunkels kalten Wüstenein,
Dass er mit dem Brande weit die Nacht verdorr,
Pech und Feuer träufet unten auf Gomorrh.

 

Textdichter Georg Heym
Lesung Samuel Weiss
Bereitstellung wortlover

 
 
1 
 Januar 
 
1995

abgelegt in
Reimgedichte

 

[1995?]
Einen Gruß meinem Gewitterwölkchen

Verzeih,
dass haschend nach dem Schreibgeräte
verschüchtert zu dem Federkiele ich gegriffen,
anstatt in kühner Ritterrede
mit Wortjuwelen kunstvoll geschliffen
die Botschaft, vorbei an kant’gen Felsenriffen
in den Herzenshafen Dir zu schiffen …

Doch künde mir:
Wie sollt’ ich’s sonst denn halten,
gegeiselt von hemmenden Gewalten?

Fürwahr, jeder strahlende Sonnenblick,
Deines Antlitzes blumiges Geschmück,
bringt meiner Verzagtheit Gletscherfelsen,
tröpfchenweise erlösend zum Schmelzen.

Doch zuweilen verfinstert sich Dein Augenglanz,
durch aufziehender Wolken grauen Gewands,
und dieses drohende Wolkenmeer
erscheint mir wie ein Feindesheer,
schwärzlicher Engelsgestalten,
am Himmelsgewölb, dem zorngeballten.

Entschwunden ist das funkelnde Blinken,
Deiner Augen sanftes Loderwerk,
lässt tapf’ren Heldenmut mir schändlich sinken
degradieret mich zum stummen Zwerg.

Die Lippen beben, lassen mich erschüttern,
furchteinflößend ahnend wittern,
dass dem zitterndem Herzen entsprungene Gedanken
beflügelt durch der Seele Hauch,
belebt zum Mund empor sich ranken,
doch vergehen wie Schall und Rauch.

Denn hilflos sie sich schnell verfangen,
in der Scheuheit krallender Pranken,
sogleich gerät der Redefluß ins Wanken,
und ich Ärmster muß arg bangen.

Die Sprache, sie stockt,
die Zung’ ist gelähmt,
mir’s nicht frohlockt,
dass sie sich jeglichen Lautes grämt.

Drum Federhalter, husch’ übers Papier,
sollst’ nicht verweilen,
fass’ die Gefühle in liebliche Zeilen,
und beichte meiner Augenzier,
wie es ist um mich bestellt
in trostloser Gedankenwelt:

Deiner Augen flutender Schein,
sät ins Herz mir zweifelnde Pein!

Nun, trotz aller Furcht, will ich es wagen,
und dich ganz unverblümet fragen,
ob Deines Blickes lieblicher Natur,
desöfteren sich mit meinem schneidet,
als ob er graset, auf mir sich weidet,
meinem stillen Wesen zollt Bravour?

Ist’s ein zarter Wink, vielleicht ein Liebesschwur,
oder ist von wahrer Liebe keine Spur?
Drum, bitt’ ich Dich, mir’s zu künden,
wie ist diese Geste zu ergründen?

Die Zeit, sie eilet,
der Zweifel verweilet
im Herzen mir.

Dein Mund, er schweiget,
die Antwort verweilet,
ich fast die Hoffnung nun verlier’.

Drum laß die Feder schwingen,
einen linden Brief gelingen,
die Antwort sanft durchdringen,
sonst könnt’ die Not mich gar verschlingen…