Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

29 
 Juni 
 
2012

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DICHTUNG Andreas Gryphius
LESUNG Ritter von Schönhering
BEREITSTELLUNG Ritter von Schönhering


 

AVff Todten! auff! die Welt verkracht in letztem Brande!
Der Sternen Heer vergeht! der Mond ist dunckel-rott /
Die Sonn’ ohn allen Schein! Auff / ihr die Grab vnd Kott
Auff! ihr die Erd vnd See vnd Hellen hilt zu pfande!

Ihr die ihr / lebt komm’t an: der HErr / der vor in Schande
Sich richten ließ / erscheint / vor Ihm laufft Flamm’ vnd Roth
Bey Ihm steht Majestätt / nach ihm / folgt Blitz vnd Tod /
Vmb ihn / mehr Cherubim als Sand an Pontus Strande.
Wie lieblich spricht Er an / die seine Recht’ erkohren.

Wie schrecklich donnert Er / auff diese / die verlohren
Vnwiderrufflich Wort / kommt Freunde / Feinde fliht!
Der Himmel schleußt sich auff! O GOtt! welch frölich scheiden!
Die Erden reist entzwey. Welch Weh / welch schrecklich Leiden.
Weh / Weh dem / der verdamm’t: wol dem / der JEsum siht!

 
 
29 
 April 
 
2012


 

https://www.youtube.com/watch?v=kzZWZUwlU_g

Wie mir der Abend das Grün der feiernden Tannen vergoldet
und noch mit leuchtendem Rot drunter die Stämme beglückt!
Irgendwo zwitschern und zwitschern noch kleine beseligte Meisen;
fernher, fernhin rollt selten ein spätes Gefährt,
oder es schlägt die Flut des Strands verborgene Zeile,
wenn ein Dampfer sie jäh rauschenden Buges verdrängt.

Aber da schaudert es plötzlich – die Sonne versank hinter Bergen,
und in das hohe Gewölk eilt nun der purpurne Glanz.
Farblos steht nun der Wald, allein die Gewässer, sie strahlen
lang noch das rötliche Blau mächtig entloderter Luft . . .
Also sah ich einmal noch um Mitternacht rosige Schimmer
in des umschwiegenen Fjords zitternder Spiegelung ruhn.

 

Dichtung Christian Morgenstern
Lesung Hartmut Schories
Bereitstellung wortlover

 
 
1 
 April 
 
2012


 

DICHTUNG Theodor Fontane
LESUNG Otto Sander
BEREITSTELLUNG wortlover



John Maynard!
“Wer ist John Maynard?”
“John Maynard war unser Steuermann,
aushielt er, bis er das Ufer gewann,
er hat uns gerettet, er trägt die Kron’,
er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
John Maynard.”

Die “Schwalbe” fliegt über den Erie-See,
Gischt schäumt um den Bug wie Flocken von Schnee;
von Detroit fliegt sie nach Buffalo –
die Herzen aber sind frei und froh,
und die Passagiere mit Kindern und Fraun
im Dämmerlicht schon das Ufer schaun,
und plaudernd an John Maynard heran
tritt alles: “Wie weit noch, Steuermann?”
Der schaut nach vorn und schaut in die Rund:
“Noch dreißig Minuten … Halbe Stund.”

Alle Herzen sind froh, alle Herzen sind frei –
da klingt’s aus dem Schiffsraum her wie Schrei,
“Feuer!” war es, was da klang,
ein Qualm aus Kajüt und Luke drang,
ein Qualm, dann Flammen lichterloh,
und noch zwanzig Minuten bis Buffalo.

Und die Passagiere, bunt gemengt,
am Bugspriet stehn sie zusammengedrängt,
am Bugspriet vorn ist noch Luft und Licht,
am Steuer aber lagert sich´s dicht,
und ein Jammern wird laut: “Wo sind wir? wo?”
Und noch fünfzehn Minuten bis Buffalo. –

Der Zugwind wächst, doch die Qualmwolke steht,
der Kapitän nach dem Steuer späht,
er sieht nicht mehr seinen Steuermann,
aber durchs Sprachrohr fragt er an:
“Noch da, John Maynard?”
“Ja,Herr. Ich bin.”

“Auf den Strand! In die Brandung!”
“Ich halte drauf hin.”
Und das Schiffsvolk jubelt: “Halt aus! Hallo!”
Und noch zehn Minuten bis Buffalo. – –

“Noch da, John Maynard?” Und Antwort schallt’s
mit ersterbender Stimme: “Ja, Herr, ich halt’s!”
Und in die Brandung, was Klippe, was Stein,
jagt er die “Schwalbe” mitten hinein.
Soll Rettung kommen, so kommt sie nur so.
Rettung: der Strand von Buffalo!

Das Schiff geborsten. Das Feuer verschwelt.
Gerettet alle. Nur einer fehlt!

Alle Glocken gehn; ihre Töne schwell’n
himmelan aus Kirchen und Kapell’n,
ein Klingen und Läuten, sonst schweigt die Stadt,
ein Dienst nur, den sie heute hat:
Zehntausend folgen oder mehr,
und kein Aug’ im Zuge, das tränenleer.

Sie lassen den Sarg in Blumen hinab,
mit Blumen schließen sie das Grab,
und mit goldner Schrift in den Marmorstein
schreibt die Stadt ihren Dankspruch ein:

“Hier ruht John Maynard! In Qualm und Brand
hielt er das Steuer fest in der Hand,
er hat uns gerettet, er trägt die Kron,
er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
John Maynard.”