30 Oktober 2012 | |
Die Mutter lag im Totenschrein,
zum letztenmal geschmückt;
da spielt das kleine Kind herein,
das staunend sie erblickt.
Die Blumenkron’ im blonden Haar
gefällt ihm gar zu sehr,
die Busenblumen, bunt und klar,
zum Strauß gereiht, noch mehr.
Und sanft und schmeichelnd ruft es aus:
»Du liebe Mutter, gib
mir eine Blum’ aus deinem Strauß,
ich hab’ dich auch so lieb!«
Und als die Mutter es nicht tut,
da denkt das Kind für sich:
Sie schläft, doch wenn sie ausgeruht,
so tut sie’s sicherlich.
Schleicht fort, so leis’ es immer kann,
und schließt die Türe sacht
und lauscht von Zeit zu Zeit daran,
ob Mutter noch nicht erwacht.
Dichtung | Friedrich Hebbel | |
Lesung | Gertrud Kückelmann | |
Bereitstellung | 59Berger |
5 Mai 2012 | |
DICHTUNG | Ernst Toller | |
LESUNG | Ernst Toller | |
BEREITSTELLUNG | wortlover |
Wann endlich, Tiere, bündet Ihr Euch
Zum Bunde, wider die Menschheit?
Ich, ein Mensch,
Rufe Euch auf!
Euch Nachtigallen, geblendet mit glühender Nadel,
Euch Hammel, gewürgt in Kasematten vergaster Übungsschiffe,
Euch Esel, sanfteste Tiere, zusammenbrechend unter Peitschenhieben,
Euch Strauße, zuckenden Atems gerupft und fühlenden Herzens,
Euch Pferde, sonnenlos werkend in verpesteten Schächten,
Euch Bären, dressiert auf glühender Eisenmatte,
Euch Löwen, gezähmt im Zirkus von stählerner Knute,
Euch Alle Euch Alle
Rufe ich auf!
Erwachet!
Rächen wollen wir
Die Opfer des Menschen:
Tiere für Gaumenkitzel atmend gefoltert,
Tiere für Modelaunen lachend geschunden,
Tiere berauschten Arenen eitel geopfert,
Tiere in Kriegen sinnlos zerfetzt…
Ich will mich an Eure Spitze stellen, Ich, ein Renegat der Menschheit,
Will Euch führen gegen den einen Feind
Mensch.
Tiere der Wüste: Brüllet Alarm!
Tiere des Dschungels: Heulet Sturm!
Keine Unterscheidung lassen wir gelten,
Weiße und Schwarze, Gelbe und Braune,
Alle alle Erdschänder! Muttermörder! Sternenräuber!