Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

2 
 April 
 
2012


 
Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

Tausend Dank an Lutz Görner für die Einstellung auf YouTube!
Eventuelle Kommentare zum Video-Clip bitte direkt auf YouTube!

 

 
Welt (3:07)
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)

Dieses ist das Bild der Welt,
Die man für die beste hält:
Fast wie eine Mördergrube,
Fast wie eines Burschen Stube,
Fast so wie ein Opernhaus,
Fast wie ein Magisterschmaus,
Fast wie Köpfe von Poeten,
Fast wie schöne Raritäten,
Fast wie abgehatztes Geld
Sieht sie aus, die beste Welt.

 

 
Katechisation (5:16)
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)

»Bedenk, o Kind, woher sind deine Gaben?
Du kannst nichts von dir selber haben.«
»Ei! Alles hab ich vom Papa.«
»Und der, woher hats der?«
»Vom Großpapa.«
»Nicht doch!
Woher hats denn der Großpapa bekommen?«
»Der hats genommen!«

 

 
Rettung (7:18)
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)

Mein Mädchen ward mir ungetreu.
Das machte mich zum Freudenhasser.
Da lief ich an ein fließend Wasser.
Das Wasser lief vor mir vorbei,

Da stand ich nun, verzweifelnd, stumm.
Im Kopfe wars mir wie betrunken.
Fast wär ich in den Strom gesunken.
Es ging die Welt mit mir herum.

Auf einmal hört ich was, das rief.
Ich wandte just dahin den Rücken.
Es war ein Stimmchen zum Entzücken:
»Nimm dich in Acht! der Fluss ist tief.«

Da lief mir was durchs ganze Blut.
Ich seh, so ists ein liebes Mädchen.
Ich frage sie, wie heißt du? »Kätchen!«
O schönes Kätchen, du bist gut!

Du hältst vom Tode mich zurück!
Auf immer dank ich dir mein Leben.
Allein, das heißt mir wenig geben.
Nun sei auch meines Lebens Glück!

Und dann klagt ich ihr meine Not.
Sie schlug die Augen lieblich nieder.
Ich küsste sie, und sie mich wieder.
Und vor der Hand nichts mehr vom Tod.

 
 
28 
 März 
 
2012

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Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

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Rosen (1:42)
Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719 – 1803)

Rosen lieb ich, wenn sie blühn!
Morgen ist nicht heut!
Keine Stunde lass entfliehn –
Flüchtig ist die Zeit.
Trink und küsse! Sieh, es ist
Heut Gelegenheit!
Weißt du, wo du morgen bist?
Flüchtig ist die Zeit.
Aufschub einer guten Tat
Hat schon oft gereut!
Heute leben ist mein Rat –
Flüchtig ist die Zeit!

 

 
An die Schwalbe (3:12)
Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719 – 1803)

Liebe Kleine, kommst du wieder?
Zu dem Dichter, der dich liebt?
Und für deine süßen Lieder
Dir so gern ein Obdach gibt?

Kannst nur singen, kannst nicht sprechen.
Das ist schade, sonst fragt ich
Nach den Strömen, nach den Bächen,
Die du sahst, du Liebe, dich.

An dem einen oder andern
Wohnt ein lieber Freund von mir.
Du kannst fliegen, ich nur wandern,
Schau, sonst flög ich oft mir dir.

Lern doch sprechen, liebe Kleine!
Wenn dus kannst, dann nenn ich dir
Meine lieben Freunde am Rheine,
Und du grüßest sie von mir.

 

 
Gleim wird von allen bösen Zungen (4:21)
Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719 – 1803)

Gleim wird von allen bösen Zungen,
So schlimm verlästert und betrübt.«
»Schon recht! Warum hat er von Lieb und Wein gesungen
Und nicht getrunken, nicht geliebt?

 

 
Gesungen im Zelt (4:51)
Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719 – 1803)

Die Erde geht, wir gehen mit,
Unwissend, wo wir sind.
Wir gehn im Dunkeln Schritt vor Schritt,
Wir tappen alle blind!

Wir gehn so manchen schmalen Steg
Zu Lebens Lust und Leid.
Wir müssen sterben! Tod ist Weg
Von Zeit zu Ewigkeit!

Wir gehn in jeder Lebensfrist
An eines Grabes Rand!
Ich wüsste nicht, was schöner ist,
Als Tod fürs Vaterland!

 

 
An den Mond (6:23)
Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719 – 1803)

Dein stilles Silberlicht
Erquickt mir mein Gesicht.
O Mond, Gedankenfreund, ich sehe dich von weitem
Und winke dich zu mir
Und bin nicht weit von dir
Und denk an schönre Zeiten.

Wer einst, du lieber Mond,
In diesem Hüttchen wohnt,
Und sieht dein Silberlicht, dem mögen keine Falten
Auf seiner Stirne stehn,
Magst still vorübergehn,
Und ihn für glücklich halten.

Dass ichs nicht bin, sag ich
Nur dir und tröste mich –
O Mond, Gedankenfreund, lass stille Nächte kommen!
Dir nur vertrau ichs, dir:
Schon manche stille Nacht hat mir
Des lauten Tages Gram genommen.

 

 
Der Greis (7:58)
Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719 – 1803)

Hin ist alle meine Kraft!
Alt und schwach bin ich.
Wenig nur erquicket mich
Scherz und Rebensaft!

Hin ist alle meine Zier!
Meiner Wangen Rot
Ist hinweggeflohn! Der Tod
Klopft an meine Tür!

Unerschreckt mach ich ihm auf.
Himmel, habe Dank:
Ein harmonischer Gesang
War mein Lebenslauf!

 

 
Letztes Lied (9:03)
Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719 – 1803)

Meine Blumen sind verblüht!
Sing es, kleines Lied! –
Meine Blumen sind verblüht,
Aber andre, hoff ich, werden
Schöner blühn auf schönern Erden,
Wo die Kleinste nicht verblüht.
Sing es, kleines Lied.

 
 
23 
 Oktober 
 
2011

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Glückselig Suevien, meine Mutter,
Auch du, der glänzenderen, der Schwester
Lombarda drüben gleich,
Von hundert Bächen durchflossen!
Und Bäume genug, weißblühend und rötlich,
Und dunklere, wild, tiefgrünenden Laubs voll,
Und Alpengebirg der Schweiz auch überschattet
Benachbartes dich; denn nah dem Herde des Hauses
Wohnst du, und hörst, wie drinnen
Aus silbernen Opferschalen
Der Quell rauscht, ausgeschüttet
Von reinen Händen, wenn berührt

Von warmen Strahlen
Kristallenes Eis und umgestürzt
Vom leichtanregenden Lichte
Der schneeige Gipfel übergießt die Erde
Mit reinestem Wasser. Darum ist
Dir angeboren die Treue. Schwer verläßt,
Was nahe dem Ursprung wohnet, den Ort.
Und deine Kinder, die Städte,
Am weithindämmernden See,
An Neckars Weiden, am Rheine,
Sie alle meinen, es wäre
Sonst nirgend besser zu wohnen.

Ich aber will dem Kaukasos zu!
Denn sagen hört ich
Noch heut in den Lüften:
Frei sei’n, wie Schwalben, die Dichter.
Auch hat mir ohnedies
In jüngeren Tagen Eines vertraut,
Es seien vor alter Zeit
Die Eltern einst, das deutsche Geschlecht,
Still fortgezogen von Wellen der Donau,
Am Sommertage, da diese
Sich Schatten suchten, zusammen
Mit Kindern der Sonn
Am schwarzen Meere gekommen;
Und nicht umsonst sei dies
Das gastfreundliche genennet.

Denn, als sie erst sich angesehen,
Da nahten die Anderen erst; dann satzten auch
Die Unseren sich neugierig unter den Ölbaum.
Doch als sich ihre Gewande berührt,
Und keiner vernehmen konnte
Die eigene Rede des andern, wäre wohl
Entstanden ein Zwist, wenn nicht aus Zweigen
herunter
Gekommen wäre die Kühlung,
Die Lächeln über das Angesicht
Der Streitenden öfters breitet, und eine Weile
Sahn still sie auf, dann reichten sie sich
Die Hände liebend einander. Und bald

Vertauschten sie Waffen und all
Die lieben Güter des Hauses,
Vertauschten das Wort auch und es wünschten
Die freundlichen Väter umsonst nichts
Beim Hochzeitjubel den Kindern.

Denn aus den heiligvermählten
Wuchs schöner, denn Alles,
Was vor und nach
Von Menschen sich nannt, ein Geschlecht auf. Wo,
Wo aber wohnt ihr, liebe Verwandten,
Daß wir das Bündnis wiederbegehn
Und der teuern Ahnen gedenken?

Dort an den Ufern, unter den Bäumen
Ionias, in Ebenen des Kaysters,
Wo Kraniche, des Aethers froh,
Umschlossen sind von fernhindämmernden Bergen,
Dort wart auch ihr, ihr Schönsten! oder pflegtet
Der Inseln, die mit Wein bekränzt,
Voll tönten von Gesang; noch andere wohnten
Am Tayget, am vielgepriesnen Hymettos,
Die blühten zuletzt; doch von
Parnassos Quell bis zu des Tmolos
Goldglänzenden Bächen erklang
Ein ewiges Lied; so rauschten
Damals die Wälder und all
Die Saitenspiele zusamt
Von himmlischer Milde gerühret.

O Land des Homer!
Am purpurnen Kirschbaum oder wenn
Von dir gesandt im Weinberg mir
Die jungen Pfirsiche grünen,
Und die Schwalbe fernher kommt und vieles
erzählend
An meinen Wänden ihr Haus baut, in
Den Tagen des Mais, auch unter den Sternen
Gedenk ich, o Ionia, dein! doch Menschen
Ist Gegenwärtiges lieb. Drum bin ich
Gekommen, euch, ihr Inseln, zu sehn, und euch,
Ihr Mündungen der Ströme, o ihr Hallen der Thetis,
Ihr Wälder, euch, und euch, ihr Wolken des Ida!

Doch nicht zu bleiben gedenk ich.
Unfreundlich ist und schwer zu gewinnen
Die Verschlossene, der ich entkommen, die Mutter.
Von ihren Söhnen einer, der Rhein,
Mit Gewalt wollt er ans Herz ihr stürzen und
schwand
Der Zurückgestoßene, niemand weiß, wohin, in die
Ferne.
Doch so nicht wünscht ich gegangen zu sein,
Von ihr, und nur, euch einzuladen,
Bin ich zu euch, ihr Grazien Griechenlands,
Ihr Himmelstöchter, gegangen,
Daß, wenn die Reise zu weit nicht ist,
Zu uns ihr kommet, ihr Holden!.

Wenn milder atmen die Lüfte,
Und liebende Pfeile der Morgen
Uns Allzugedultigen schickt,
Und leichte Gewölke blühn
Uns über den schüchternen Augen,
Dann werden wir sagen, wie kommt
Ihr, Charitinnen, zu Wilden?
Die Dienerinnen des Himmels
Sind aber wunderbar,
Wie alles Göttlichgeborne.
Zum Traume wirds ihm, will es Einer
Beschleichen und straft den, der
Ihm gleichen will mit Gewalt;
Oft überraschet es einen,
Der eben kaum es gedacht hat.

 

Sprecher Martin Heidegger   |   Bereitstellung SocioPhilosophy