Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

8 
 August 
 
2017

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Zum Felsen erstarrte Echo


Musik
Georg Friedrich Händel [1]Sarabande – Quelle: www.mp3pn.biz
[ Bemerkung zum Text ] [2] Ich distanziere mich explit zu Bezügen aus meinem privaten Umfeld, die rein zufällig wären und der Text darüberhinaus dem Jahre 2001(?) entstammt. Lediglich die Verortung im Gedichtezyklus “Mnemosynes Geleit” war angedacht.

Des Worts dumpfer Widerhall
Geistiger Zufluchtsort
 
Ist’s nicht der Geist,
der beseelt,
der gedruckte Buchstabe aber,
der in erstarrten Konturen
leblos dem Auge sich stellet?

Findet Empfindung
im glüh’nden Geist des Phantasten
nicht mehr Beheimatung
als in der kühleren Felsengruft
nüchtern bedruckter Seiten?

* * *

Ist nicht der menschliche Geist in freieren Sphären,
der von irdischen Banden erlöste Gedanke,
von höher’m Gut,
indessen die Niederschrift
jenes musengewirkten Gotthauchs
zu niederem Adel entwürdigt,
in Lettern gepresst,
ins enge Korsett der Sprachgewalt?

Oh leid’ges Tintengekleckse,
das des entfesselten Geistes Allmacht
die Schwingen gestutzt hat!

Selbst pathetisches Dichtungswerk
gleicht kristall’ner Karaffe [3]Ausdruck aus: “Cyrano de Bergerac”,
die den süßen Gehalt
des heiligen Himmelsgefäßes
nicht zu fassen vermag.

Wie der Gießbach mit brausender Urkraft
sich vom Gebirgsfelsen stürzt,
dann springend ins Tale sich dränget,
um gemächlich
ebenen Stroms das Gefild zu durchwandern,

so ähnlich büßet
der einst dem Geistquell entbrauste Gedanke
nun an himmlischer Macht und Kraftes Fülle doch ein,
wenn ihn des Geistes Refugium
durch die ehernen Pforten wallend entlässt,
hinabströmet ins geschriebene Wort
und tälerne [4]irdische, zahmere Läufe erduldet [5]erleidet
in der Ordnung Begrenzung.

Da sich der mildherbe Wildwuchs
des Geistes Geblüm aber nimmer
vollsten Düfteumfangs in dem Wort offenbart,
so erzeigt er
sich auf des Geistes Fluren ungepflücket
doch weitaus edler, prächtiger,
als im gebundenen Wortstrauß
noch kostbarster Vase.
→ zu Mnemosynes Geleit
Die Elemente

Fußnoten[+]

 
 
7 
 Oktober 
 
2012


 

Da liegt man nun,
So nackt, wie man nur kann,
hat Seife in den Augen, welche stört,
und merkt, aufs Haar genau:
Man ist ein Mann.
Mit allem, was dazugehört.

Es scheint, die jungen Mädchen haben recht,
wenn sie – bevor sie die Gewohnheit packt
der Meinung sind, das männliche Geschlecht
sei kaum im Hemd erträglich. Und gar nackt!
Glücklicherweise steht’s in ihrer Hand,
das, was sie stört, erfolgreich zu verstecken.

So früh am Tag, und schon soviel Verstand!
Genug, mein Herr! Es gilt, sich auszustrecken.
Da liegt man, ohne Portemonnaie und Hemd
und hat am ganzen Leibe keine Taschen.
Ganz ohne Anzug wird der Mensch sich fremd…

Da träumt man nun, anstatt den Hals zu waschen.
Der nackte Mensch kennt keine Klassenfrage.
Man könnte, falls man Tinte hätte, schreiben:
“Ich kündige. Auf meine alten Tage will ich in meiner Badewanne bleiben”.
Da klingelt es. Das ist die Morgenzeitung.

Und weil man nicht,
was nach dem Tod kommt,
kennt, schreibt man am besten in sein Testament:
“Legt mir ins kühle Grab Warmwasserleitung!”

 

Textdichter Erich Kästner
Lesung Dieter Pfaff
Bereitstellung wortlover