Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

10 
 Juni 
 
2012

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Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

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Sehr lange her ist es gewesen (0:24)
Alexander Sergejewitsch Puschkin (1799 – 1837)

Sehr lange her ist es gewesen,
Da tanzten wir in diesem Saal.
Doch dann entflogst du Wunderwesen,
Der reinen Schönheit Ideal.

Im schmerzlich hoffnungslosen Sehnen,
Im ewgen Lärm der Menschenschar,
Hört deine süße Stimm ich tönen,
Träumt ich dein mildes Augenpaar.

Allein, im Kampf mit dem Geschicke
Und in der Jahre düsterm Gang
Vergaß ich deine Engelsblicke
Und deiner süßen Stimme Klang.

Denn lange Jahre war verbannt ich.
Es war die Brust mir stumm und leer.
Für keine Gottheit mehr entbrannt ich.
Nicht weint ich, lebt ich, liebt ich mehr.

Es darf die Seele nun genesen.
Denn du erscheinst zum zweitenmal,
Ein rasch entfliegend Wunderwesen,
Der reinen Schönheit Ideal.

Und wieder schlägt das Herz voll Weihe.
Sein Todesschlummer ist vorbei.
Für eine Gottheit glühts aufs neue.
Es lebt, es weint, es liebt aufs neu.

 

 
Gnädiges Fräulein, ich fuhr neulich (2:20)
Alexander Sergejewitsch Puschkin (1799 – 1837)

Gnädiges Fräulein, ich fuhr neulich
An ihrem Haus vorüber, Sie verzeihn.
Nun, ich hatte es sehr eilig,
Kehrte nicht bei Ihnen ein.
Hatte Angst vor Ihren schönen,
Blauen Augen allzu sehr.

Ich, den längst Vampir schon nennen,
Alle im Distrikt von Twer,
Fürchtete, es könnt geschehen,
Dass ich falle auf die Knie.
Und so glaubt ich, durch mein Flehen
Störe und schockier ich Sie.

Im Gedächtnis wird inzwischen
Sich vielleicht zu meinem Leid
Ihrer Schönheit Bild verwischen.
Durch des Tags Geschäftigkeit.
Aber nein! Nichts kann zerstören
Die Erinnerung an Sie.

Weiterhin werd ich verehren
Ihres Wesens Harmonie.
Kommt es anders, werd einstweilen
Anderswo ich trösten mich,
Doch zu Ihnen werd ich eilen
Ein Jahr später sicherlich.

 

 
Was tut man auf dem Land an trüben Wintertagen (3:47)
Alexander Sergejewitsch Puschkin (1799 – 1837)

Was tut man auf dem Land an trüben Wintertagen?
Als erstes wird man früh beim Tee den Diener fragen:
»Wie wird das Wetter heut? Gabs Neuschnee? Ists sehr kalt?«
Ich greif zu einem Buch, doch lesen kann ich nicht.
Was macht mich so zerstreut? – Ich leg das Buch beiseite.
Zur Feder greife ich, doch nichts gelingt mir heute.
Die Muse döst wie ich, umsonst beschwör ich sie,
Wirr reihn die Worte sich und ohne Melodie …
Mein treuer Diener selbst, der Reim, will mir nicht dienen,
So dass die Verse blass wie Nebelschwaden rinnen.
Verzweifelt stelle ich den Kampf mit ihnen ein.
Die Köchin lärmt und schreit! Ich geh zu ihr hinein.
Man macht ums Rübenkochen, das Silberzeug, sich Sorgen,
Vom Wetter spricht man und, obs Schneesturm gibt auch morgen.
Ja, ja, so interessant ists hier an trüben Wintertagen.

Doch welche Sensation, wenn plötzlich mal ein Wagen,
Ein Reiseschlitten vor dem Tor des Hofs sich zeigt,
Und eine Dame mit zwei hübschen Töchtern daraus steigt.
Wie kann sich dann – gefügt durch Gottes Willen –
Das ganze öde Haus sogleich mit Leben füllen!
Mit Blicken fängt es an, anfangs versteckt und scheu,
Und Worte folgen drauf, Gespräche, bald ganz frei.
Gemeinsamer Gesang, des Abends dann Gesellschaftsspiele,
Bis durch den Tanz sich lockern die Gefühle.
Die Worte werden kühn, Begier verrät der Blick,
Trifft man die Holde unverhofft auf schmalen Treppenstieg.
Wenns dunkelt, sieht man sie erregt von Lustgefühlen
Wohl unterm Vordach stehn, die heiße Stirn zu kühlen.
Die halbentblößte Brust gibt sie dem Schneesturm preis.
Der Frost macht ihr nichts aus, ihr Kuss brennt doppelt heiß!
Wie frisch sind Russlands Fraun, vom Schneestaub weiß gepudert!

 

 
Liebeserklärung an seine Frau (7:02)
Alexander Sergejewitsch Puschkin (1799 – 1837)

Fürwahr, ich bin kein Freund von stürmischen Genüssen,
Von Zügellosigkeit und hemmungslosen Küssen.
Mag die Bacchantin nicht, die sich mit brünst’gem Schrei
Wie eine Schlange krümmt in wilder Raserei,
Sich selbst nur steigern will mit krampfhaftem Bemühen,
In letzten Zuckungen der Wollust zu erglühen.

Ach, wie viel lieber ist doch deine Sanftheit mir!
Welch schmerzlich-tiefe Lust empfind ich stets bei dir,
Wenn ich nach langem Flehn mich über dich darf neigen,
Und du dich ohne Rausch mir zögernd gibst zu eigen.

Wie sehr beglückt mich stets deine Verhaltenheit!
Stumm, schamhaft nimmst du hin all meine Zärtlichkeit,
Wirst lebhaft ohne Hast, pflegst nichts zu übereilen,
Um im Zusammenklang das Glück mit mir zu teilen.

 
 
8 
 Juni 
 
2012

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Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

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Dorothea Veit, die Tochter von Moses Mendelssohn, die in zweiter Ehe mit Friedrich Schlegel verheiratet war, Caroline Michaelis, die dessen Bruder August Wilhelm heiratete und Caroline Schlegel hieß, bevor sie schließlich den wesentlich jüngeren Philosophen Schelling heiratete, Caroline von Rochow, die Frau von Friedrich de la Motte-Fouqué, Bettine Brentano, Schwester von Clemens Brentano, Frau dessen Freundes Achim von Arnim, Wilhelmine von Chézy, Enkelin von Anna Louise Karsch, Marianne Willemer, Geliebte Goethes und Mitverfasserin von dessen ‘West-östlichen Divans’, Dorothea Tieck, Shakespeare-Übersetzerin, Tochter von Ludwig Tieck, der diese einzigartigen Schlegel-Tieckschen Übersetzungen lediglich herausgegeben hat, Rahel Levin, verheiratet mit dem Goetheforscher Varnhagen van Ense, Sophie Mereau, verheiratet mit Clemens Brentano und eben Caroline von Günderode, um die Clemens vergeblich warb, und die in den Göttinger Mythenforscher Creuzer verliebt war.

 

 
Der Luftschiffer (3:13)
Karoline von Günderode (1780 – 1806)

Gefahren bin ich in schwankendem Kahne
Auf dem blaulichen Ozeane,
Der die leuchtenden Sterne umfließt.
Habe die himmlischen Mächte begrüßt.
War in ihrer Betrachtung versunken,
Habe den ewigen Äther getrunken,
Habe dem Irdischen ganz mich entwandt,
Droben die Schriften der Sterne erkannt,
Und in ihrem Kreisen und Drehen
Bildlich den heiligen Rhythmus gesehen.

Aber ach! Es ziehet mich hernieder,
Nebel überschleiert meinen Blick,
Und der Erde Grenzen seh ich wieder,
Wolken treiben mich zurück.
Wehe! das Gesetz der Schwere
Es behauptet nun sein Recht,
Keiner darf sich ihm entziehen,
Von dem irdischen Geschlecht.

 

 
Einstens lebt ich süßes Leben (5:21)
Karoline von Günderode (1780 – 1806)

Einstens lebt ich süßes Leben,
Denn mir war, als sei ich plötzlich
Nur ein duftiges Gewölke.
Über mir war nichts zu schauen
Als ein tiefes blaues Meer.
Und ich schiffte auf den Wogen
Dieses Meeres leicht umher.
Sah jetzt in dem heilig tiefen,
Unnennbaren Raum der Himmel,
Wunderseltsame Gebilde
Und Gestalten sich bewegen.

Ewige Götter
Saßen auf Thronen
Glänzender Sterne,
Schauten einander
Selig und lächelnd.
Blühend voll Anmut
Unter den Rohen
Stand eine Jungfrau,
Alle beherrschend.
Liebliche Kinder
Spielten inmitten
Giftiger Schlangen. –
Hin zu den Kindern
Wollt ich nun schweben,
Mit ihnen spielen
Und auch der Jungfrau
Sohle dann küssen.

Doch es hielt ein tiefes Sehnen
In mir selber mich gefangen.
Und mir war, als hab ich einstens
Mich von einem süßen Leibe
Losgerissen, und nun blute
Erst die Wunde alter Schmerzen.

Ich musste weinen.
Rinnend in Tränen
Sank ich hinab
Zu dem Schoße der Mutter.
Farbige Kelche
Duftender Blumen
Fassten die Tränen,
Und ich durchdrang sie,
Alle die Kelche,
Rieselte abwärts
Hin durch die Blumen,
Tiefer und tiefer,
Bis zu dem Schoße
Hin, der verhüllten –
Quelle des Lebens.

 

 
Die eine Klage (8:31)
Karoline von Günderode (1780 – 1806)

Wer die tiefste aller Wunden
Hat in Geist und Sinn empfunden:
Bittrer Trennung Schmerz.
Wer geliebt, was er verloren,
Lassen muss, was er erkoren:
Das geliebte Herz.

Der versteht in Lust die Tränen
Und der Liebe ewig Sehnen
Eins in Zwei zu sein.
Eins im Andern sich zu finden,
Dass der Zweiheit Grenzen schwinden
Und des Daseins Pein.

Wer so ganz in Herz und Sinnen
Konnt ein Wesen liebgewinnen,
O! den tröstets nicht,
Dass für Freuden, die verloren,
Neue werden neu geboren:
Jene sinds doch nicht.

Das geliebte, süße Leben,
Dieses Nehmen und dies Geben,
Wort und Sinn und Blick,
Dieses Suchen und dies Finden,
Dieses Denken und Empfinden
Gibt kein Gott zurück.

 
 
7 
 April 
 
2012


 

Ach,
wird mir denn je wieder
durch die Nacht ihr
wundervoller Leib leuchten,
strahlender noch als Schnee?
Der täuschte meine Augen:
Ich glaubte, es wäre der Glanz
des hellen Mondes –
Da brach der Tag an.

“Ach,
wird er je wieder den
Morgen über hier bleiben?
Möge uns doch die Nacht einmal
so vergehen, dass wir nicht zu klagen
brauchen: „O weh, jetzt ist es Tag”.
So rief er klagend,
als er zuletzt bei mir war.-
Da brach der Tag an.”

Ach,
unzählige Male küsste sie
mich im Schlafe
Da rannen ihre
Tränen nieder.
Ich aber tröstete sie,
so dass sie aufhörte zu weinen
und mich ganz umfing –
da brach der Tag an.

“Ach,
dass er sich so oft
in meinem Anblick verloren hat!
Als er die Decke zurückschlug,
da wollte er meine nackten
Arme sehn, ganz nackt.
Es war unerklärlich, dass er
sich daran nicht satt sehen konnte -.
da brach der Tag an.”

 

Textdichter Heinrich von Morungen
Lesung Katharina Thalbach und Hans Kremer
Bereitstellung wortlover