Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

28 
 Dezember 
 
2012

Schlagwörter

0

 
Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

Tausend Dank an Lutz Görner für die Einstellung auf YouTube!
Eventuelle Kommentare zum Video-Clip bitte direkt auf YouTube!

 

 

Er ist’s (0:05)
Eduard Mörike (1804 – 1875)

Frühling läßt sein blaues Band
wieder flattern durch die Lüfte
süße wohlbekannte Düfte
streifen ahnungsvoll das Land
Veilchen träumen schon
wollen balde kommen
horch,von fern ein leiser Harfenton
Frühling ja du bist`s
dich hab ich vernommen.

 

 
Pastoralerfahrung (0:56)
Eduard Mörike (1804 – 1875)

Meine guten Bauern freuen mich sehr.
Eine scharfe Predigt ist ihr Begehr.
Und wenn man es mir nicht verdenkt,
Sag ich, wie das zusammenhängt.
Sonnabend, wohl nach Elfe spat,
Im Garten stehlen sie mir den Salat.

In der Morgenkirch mit guter Ruh
Erwarten sie den Essig dazu.
Der Predigt Schluss fein linde sei:
Sie wollen gern auch Öl dabei.

 

 
Peregrina (2:08)
Eduard Mörike (1804 – 1875)

Die Liebste, sagt man, steht am Pfahl gebunden,
Geht endlich arm, zerrüttet, unbeschuht.
Ihr edles Haupt weiß nicht mehr, wo es ruht.
Mit Tränen netzet sie der Füße Wunden.
Ja, Peregrinen hab ich so gefunden!
Schön war ihr Wahnsinn, ihrer Wange Glut.
Noch scherzend in der Frühlingsstürme Wut
Und wilde Kränze in das Haar gewunden.
Wars möglich, solche Schönheit zu verlassen?
So kehre wieder mir das alte Glück!
O komm, in meine Arme dich zu fassen!
Doch weh! o weh! was soll mir dieser Blick?
Sie küßt mich ohne Liebe, ohne Hassen.
Sie kehrt sich ab und kehrt mir nie zurück.

 

 
Das verlassene Mägdlein (3:32)
Eduard Mörike (1804 – 1875)

Früh, wenn die Hähne krähn,
Eh die Sternlein verschwinden,
Muss ich am Herde stehn,
Muss Feuer zünden.

Schön ist der Flammen Schein.
Es springen die Funken.
Ich schaue so drein,
In Leid versunken.

Plötzlich, da kommt es mir,
Treuloser Knabe,
Dass ich die Nacht von dir
Geträumet habe.

Träne auf Träne dann
Stürzet hernieder.
So kommt der Tag heran –
O ging er wieder!

 

 
Erstes Liebeslied eines Mädchens (4:39)
Eduard Mörike (1804 – 1875)

Was im Netze? Schau einmal!
Aber ich bin bange.
Greif ich einen süßen Aal?
Greif ich eine Schlange?

Schon schnellt mirs in Händen!
Ach Jammer! o Lust!
Mit Schmiegen und Wenden
Mir schlüpfts an die Brust.

Es beißt sich, o Wunder!
Mir keck durch die Haut.
Schießts Herze hinunter!
O Liebe, mir graut!

Was tun, was beginnen?
Das schaurige Ding,
Es schnalzet da drinnen,
Es legt sich im Ring.

Gift muss ich haben!
Hier schleicht es herum.
Tut wonniglich graben
Und bringt mich noch um!

 

 
Denk es, o Seele! (7:30)
Eduard Mörike (1804 – 1875)

Ein Tännlein grünet wo,
Wer weiß, im Walde.
Ein Rosenstrauch, wer sagt,
In welchem Garten!
Sie sind erlesen schon,
Denk es, o Seele,
Auf deinem Grab zu wurzeln
Und zu wachsen.

Zwei schwarze Rösslein weiden
Auf der Wiese.
Sie kehren heim zur Stadt
In muntern Sprüngen.
Sie werden schrittweis gehn
Mit deiner Leiche
Vielleicht, vielleicht noch eh
An ihren Hufen
Das Eisen los wird,
Das ich blitzen sehe!

 
 
9 
 Januar 
 
2008

abgelegt in
Gedankenschau

 

Auf der Internet-Seite des Tübinger Literaturcafés findet sich folgender interessante Text, der sich gegen herrschende Strukturen des Literaturbetriebes richtet:

 

Für mich als Autor haben Lesungen immer auch ein Moment von Unmittelbarkeit und Basisdemokratie. Sie entfalten ihre Wirkkraft jenseits des etablierten Literaturbetriebes, jenseits der Macht von Verlagen, von Vertriebsstrukturen und großen Feuilletons. Und der »Schwarze Vorhang« steigert diese Unmittelbarkeit noch. Er ist eine Rückkehr zur Wirkmacht des reinen Wortes, ohne jede Extrinsik, frei von den üblichen Verfälschungen des Literarischen durch die Hoheit des Buchstaben B: das Berühmte, das Beeidete, das Beglaubigte, das Bewährte, das Bildhafte. “

Joachim Zelter

 

 
Jede Lesung, jedes Buch, damit also jeder Text unterliegt heute dem Zwang der Vorabinformation, der externen Beglaubigung, ohne die sich angeblich niemand mehr auf die Erfahrung von Sprache und Inhalt einlassen will.

Joachim Zelter hat es das »eng geschnürte Korsett von B’s« genannt – »das Bekannte, Beeidete, Beglaubigte, Bewährte, Begründete, Bedeutende, Bedeutete« –, das dem Text seine Wirkung schon verschafft, bevor ihn jemand gehört oder gelesen hat. Oder umgekehrt: Ohne dieses Korsett aus B’s, so will es der Betrieb, soll sich niemand mehr auf Texte einlassen. Erst muß der Hörer oder Leser wissen, und dann erst darf er erfahren … Und der »Konsument« glaubt folglich, daß es auch so sein müsse.

Das Konzept des Schwarzen Vorhangs versucht, diesen Mechanismus zu unterlaufen:

Völlig frei von Sekundärinformationen (Namen, Verlage, kurzgefaßte Inhalte, Einleitungen, Vorstellungsrunden, Aussehen, Kleidung und das ohnehin völlig unerhebliche Bekannt- oder eben Nichtbekanntsein) müssen sich unsere Besucher allein der Stimme und dem Text, den Worten, dem Inhalt hingeben; die Vorleserin, der Vorleser bleibt hinter dem Schwarzen Vorhang verborgen. Ob in renommierten Verlagen veröffentlicht oder in der Schublade gehütet: Alles ist möglich, entscheidend ist und bleibt der Text.

Für die Zuhörer bedeutet dies, daß sie sich in kürzester Zeit auf einen Text einstimmen müssen, ohne vorher zu wissen, ob sie Lyrik oder Prosa, Trauriges oder Lustiges, Erzählendes oder Sprachspiele hören werden. Das verlangt viel an Flexibilität und Aufmerksamkeit, ermöglicht aber eine völlig neue, unvorbelastete Rezeption. Auch für die Autorinnen und Autoren, das sei erwähnt, ist es eine große Herausforderung, keine reagierenden, lächelnden oder gelangweilten Gesichter vor sich zu sehen, sondern nur den schwarzen Stoff.

Wer gelesen hat, erfährt das Publikum erst am Ende der Veranstaltung, und auch das nicht immer.

Wir Veranstalter sind sehr darauf gespannt, wie dieses Experiment beim Publikum, aber auch bei den Autorinnen und Autoren ankommen wird.

Die Autorinnen und Autoren lesen ohne Honorar, als Geschenk an das Publikum.

Der Eintritt ist frei.