Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

29 
 August 
 
2015

abgelegt in
Gedankenschau

 

Je größer der Umfang an Arbeitseinsatz, desto geringer der Kreis Freiwilliger.

Zitat der Zahl PI zum Thema „Antiproportionale Zuordnung“

 
 
17 
 März 
 
2008


 


Garderobe. Quelle: Wikipedia

 
Die Einrichtungsgegenstände

Man stelle sich folgende Situation vor:

Samstag Abend, 20 Uhr, Theatervorstellung.
Schon gut eine halbe Stunde zuvor strömen Menschenmassen in die Stadthalle und geben ihre Mäntel an der Garderobe ab.

Unmengen an Kleidungsstücken!
Unmengen an persönliches Eigentum, das nach der Veranstaltung wieder an den Besitzer wechseln soll.
Eine logistische Herausforderung!
Eine unüberwindbare Herausforderung?

Nicht mit dem richtigen System!
Jeder Kleiderhaken ist nummiert und lässt sich ohne größeren Suchaufwand dank der systematischen, aufsteigenden Reihenfolge leicht wiederfinden.
Wird ein Kleidungsstück an einen Garderobenhaken gehängt, so wird dem Besitzer ein Garderobenmarke ausgehändigt, auf der die Hakennummer versehen ist.
Jederzeit lässt sich mittels dieser Garderobenmarke bei noch so großer Anzahl an Mänteln, bei noch so großem Besucherstrom, mit treffsicherer Leichtigkeit eine Verbindung („Assoziation“) zwischen Besitzer und Kleidungsstück herstellen.
Interessant ist, dass die Kleiderhaken „fest installiert“ sind und somit eine „gefestigte Ordnung“ garantieren.

 
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13 
 März 
 
2008


 




 
Der Grundriss

Vor längerer Zeit stellte ich das Reisetagebuch von Wolfgang Schulze vor.

Bezugnehmend auf den Kommentar von Martina:
„Und wo zieht es dich hin, lieber Ralph? Bin schon sehr auf dein Reisetagebuch gespannt. 🙂

… habe ich nun auch einen Umzug gewagt.

Ganz ohne Spedition.
Ganz ohne sonstigen Umzugsstress.
Ganz ohne Ummeldung des Wohnsitzes beim Einwohnermeldeamt.
Ganz ohne bürokratischen oder logistischen Aufwand.
REIN in der Phantasie meine neue geistige Heimstatt bezogen.

Es sollte keine Nacht-und-Nebel-Aktion werden wie bei Goethe von Karlsbad nach Rom.
Es sollte keine Flucht wie bei Schiller werden von Stuttgart nach Mannheim.
Der Einzug in die neue Wohnung war schon vor gut 2 Jahren geplant und wollte bedacht sein.

Peinlich genau vermessen, jeden Winkel sinnlich erspürt, in der Manier eines Schachspielers den Grundriss in Quadrate erfasst/beziffert und mit allerlei Kostbarkeiten -wie eine Wunderkammer eben- eingerichtet.

Ganz im Stil des griechischen Simonides möchte ich nun alles Wissenswerte, alles Reiz- und Kostbare aus dem Reich meiner Wahrnehmung in dieser Kunstkammer horten, der Vergesslichkeit Klauen entreißen.

 

 
 
19 
 August 
 
1998

abgelegt in
sonstige Prosa

 

Man stelle sich das besonnteste, zärtlichste Lächeln, die funkelndesten, strahlendsten Augenpaare, die geschmeidigsten Gesichtskonturen, die aprikosenhaftesten Lippen und das blühendste Gemüt vor, und es entspricht nicht annähernd dem ergötzenden Naturschauspiel, das sich hier in einer Lichtgestalt einer unbekannten Schönen ihm widerspiegelte.

Diesem Sinnesrausch konnte er lediglich in seiner schüchternen Eigenart eine trockene, zaghafte Handhebung als rituelles Zeichen der Begrüßung entbieten, um sich dann auf den soliden Küchenstuhl zu seiner Erleichterung niederzulassen und dadurch sich den neugierigen Blicken der Anwesenden zu entziehen.

Die Schweißperlen auf seiner leicht erhitzten Stirn zeugten noch von dem Kraftakt des Umzuges, bei dem er einer Freundin bei der Möbelplazierung in der neuen Wohngemeinschaft seine helferischen Dienste angeboten hattte.
Diese Freundin arbeitete ebenso wie er in einer Einrichtung für geistig bis körperlich mehrfach Behinderte, und sie sparte sich durch den Einzug die täglich anfallenden Anfahrtszeiten, da sich nun ihr Arbeitsplatz einen Steinwurf weit von ihrer heute bezogenen Mitarbeiterwohnung befand.

Er selbst wohnte nur wenige Minuten Fußmarsch entfernt in einem Zimmer nahe einer Wäschereianlage und wollte noch vor dem Aufbruch ein wenig in der Küche pausieren, in dem sich noch andere Wohngenossen – darunter auch die eben benannte Unbekannte – tummelten.

Da saß er nun mit verschüchtertem Anlitz, wortkarg, den eigenen Blick nach innen gelenkt, jeglichen Augenkontakt meidend. Nur das vorgerichtete Tischbesteck bot ihm eine Anschauungsfläche bei seinen schweifenden Blicken durch die überfüllte Küche, und er wollte sich zunächst durch dieses Vortasten eine gewisse Sicherheit in seinem Auftreten verschaffen.
Er lauschte anteilnahmelos der angeregten Gesprächsrunde und mit zunehmender Überwindung seiner beklemmenden Menschenscheue wagte er es, mit knappgehaltenen Worteinwürfen die Unterhaltung zu bereichern, sofern sich Anknüpfpunkte ergaben.

Sein überaus trockener Humor schien bei der Zuhörerschaft auf fruchtbaren Boden zu fallen; er erntete beim Publikum applaudierendes Gelächter.
Selbst der Unbekannten entglitten durch die witzgewürzten Äußerungen die naturgebenen schmunzelnden Gesichtszüge gepaart mit einem zauberhaft lautbarem Lächeln.
Ihre zuweilen gezielten Blicke – so schien es ihm – kreuzten hin und wieder sein Augenfeld, wobei er diesem lodernden Flammenblick nicht standhalten konnte, und deshalb diesem wenn auch erquicklichen Blickkosen schreckhaft auswich.

Zigarettenrauch erfüllte indes den immer noch prallgefüllten Raum, während eine Praktikantin der WG bei qualmender Zigarette in der einen Hand kochlöffelschwingend mit der anderen sich am Herd das Abendessen zubereitete – Spaghetti mit Tomatensoße.
Dabei gab sie sich unter bewegungsaktivem Körpereinsatz den rhytmischen Schwingungen der aus dem Radio dringenden Musik hin.

Anfänglich etwas von dem weiblichen Überhang erdrückt, genoß er nunmehr das vergnügliche Ambiente, den regen Gedankenaustausch mit den sehr gesprächigen Praktikantinnen.
Auch die Unbekannte taute zunehmend auf und wies mit einem lächelnden ironischen Kopfschütteln auf die verstrichenen zwei Tage hin, in denen sich ihr nicht die Möglichkeit bot, aus der Einengung ihrer vier Wände auszubrechen.

Allmählich brach der laue Abend herein, die Schatten wurden länger und eine lautdämpfende Finsternis legte sich auf das Land. Die Natur verstummte unter diesem nächtlichen Schleier und wog sich in den Schlaf.

Doch dem Redefluß in der WG tat dies keinerlei Abbruch.
Man tauschte sich rege aus, sodaß sich IHRE Biographie zunehmend wie ein Mosaikbild zusammenfügte.
Ihre heimatlichen Wurzeln entsprangen in Chemnitz, ehemalige Karl-Marx-Stadt in Sachsen.
Sie hatte ebenfalls wie er ein Gehör für klassische Musik und trug den der Poesie verpflichteten Namen Juliane.
Trotz DDR-Regime fühlte sie sich dem Christentum zugewandt oder war zumindest christlich angehaucht, wodurch er sich noch verstärkt einen ideologischen Einklang erhoffte.
Zwar hatte er mit dem kirchlichen Glauben, in dem er erzogen wurde, längst gebrochen, doch andererseits sehnte er sich schon nach einer Religion, die ihm in einer anonymen Welt eine Identität verlieh, ein ruhender Pol in seinem Leben darstellte.

Die gesprächsgefüllten Stunden verstrichen und man spielte mit dem Gedanken, noch etwas in der jungen Nacht zu unternehmen.
Jessica, eine Mitwohnerin in seiner WG, gewann man schließlich als Sympathisantin, um im nahegelegenen Ort Billard zu spielen.
Für ihn war Jessica’s Anwesenheit von äußerst beruhigender Bedeutung, zumal er sich doch nicht wagte, mit der Fremden allein dieser Vergnüglichkeit nachzugehen.

Also gingen die drei nach Verabschiedung […]