Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

7 
 April 
 
2018


 

DICHTUNG Rainer Maria Rilke
LESUNG Florian Friedrich
BEREITSTELLUNG Florian Friedrich



Keine Vision von fremden Ländern,
kein Gefühl von braunen Frauen, die
tanzen aus den fallenden Gewändern.

Keine wilde fremde Melodie.
Keine Lieder, die vom Blute stammten,
und kein Blut, das aus den Tiefen schrie.

Keine braunen Mädchen, die sich samten
breiteten in Tropenmüdigkeit;
keine Augen, die wie Waffen flammten,

und die Munde zum Gelächter breit.
Und ein wunderliches Sich-verstehn
mit der hellen Menschen Eitelkeit.

Und mir war so bange hinzusehen.

O wie sind die Tiere so viel treuer,
die in Gittern auf und nieder gehn,
ohne Eintracht mit dem Treiben neuer
fremder Dinge, die sie nicht verstehn;
und sie brennen wie ein stilles Feuer
leise aus und sinken in sich ein,
teilnahmslos dem neuen Abenteuer
und mit ihrem großen Blut allein.

 
 
8 
 Juni 
 
2012


 
Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

Tausend Dank an Lutz Görner für die Einstellung auf YouTube!

 

 
Vom Vater hab ich die Statur (0:32)
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)

Vom Vater hab ich die Statur,
Des Lebens ernstes Führen.
Vom Mütterchen die Frohnatur
Und Lust zu fabulieren.
Urahnherr war der Schönsten hold,
Das spukt so hin und wieder.
Urahnenfrau liebt Schmuck und Gold,
Das zuckt wohl durch die Glieder.

 

 
Faust letzte Worte (6:23)
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)

Ein Sumpf zieht am Gebirge hin,
Verpestet alles schon Errungene.
Den faulen Pfuhl auch abzuziehen,
Das letzte wär das Höchsterrungene.
So eröffne ich Räume vielen Millionen,
Nicht sicher zwar, doch tätig frei zu wohnen.
Grün das Gefilde, fruchtbar! Mensch und Herde
Sogleich behaglich auf der neusten Erde.
Als Gleiche angesiedelt an des Hügels Kraft,
Den aufgewälzt kühn-emsige Völkerschaft!
Im Innern hier ein paradiesisch Land,
Da rase draußen Flut bis auf zum Rand,
Und wie sie nascht, gewaltsam einzuschießen,
Gemeindrang eilt, die Lücke zu verschließen.
Ja! diesem Sinne bin ich ganz ergeben,
Das ist der Weisheit letzter Schluss.
Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben,
Der täglich sie erobern muss!
Und so verbringt, umrungen von Gefahr,
Hier Kindheit, Mann und Greis sein tüchtig Jahr.
Solch ein Gewimmel möcht ich sehn,
Auf freiem Grund mit freiem Volke stehn!
Zum Augenblicke dürft ich sagen:
Verweile doch, du bist so schön!
Es kann die Spur von meinen Erdentagen
Nicht in Äonen untergehn. –
Im Vorgefühl von solchem hohen Glück
Genieß ich jetzt den höchsten Augenblick …

 
 
9 
 Juni 
 
2008


 

Täglich geh ich heraus, und such ein Anderes immer,
Habe längst sie befragt, alle die Pfade des Lands;
Droben die kühlenden Höhn, die Schatten alle besuch ich,
Und die Quellen, hinauf irret der Geist und hinab,
Ruh erbittend […]

Auszug aus Hölderlins Elegie “Menons Klagen um Diotima”

 

Auch ich entfloh einst der traulichen Stube, befahl mich der Fremde
an: Was der Weltlärm verschwieg, durft’ ich im Stiller’n gewahr’n.
Bleibet mir treu, ihr holden Phantome besserer Welten,
euren ewigen Trost schließ’ in den Busen ich ein!

 

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