Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

28 
 März 
 
2012

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Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

Tausend Dank an Lutz Görner für die Einstellung auf YouTube!
Eventuelle Kommentare zum Video-Clip bitte direkt auf YouTube!

 

 
Das Harz-Moos (0:09)
Anna Louisa Karsch (1722 – 1791)

Seht dort das Moos.
Es bleibt, wenn all die Blumen schon gestorben,
Tief unter Schnee noch unverdorben.
Das Moos, wie ähnlich ist es mir! Tief lag ich unter Gram
Viel schwere Jahre lang, und als mein Winter kam,
Da stand ich unverwelkt und fing erst an zu grünen.

 

 
An den Domherrn von Rochow (3:09)
Anna Louisa Karsch (1722 – 1791)

Als er gesagt hatte, die Liebe müsse mich
Gelehret haben, so schöne Verse zu machen.

Kenner von dem sapphischen Gesange!
Unter deinem weißen Überhange
Klopft ein Herze voller Glut in dir!
Von der Liebe war es unterrichtet,
Dies dein Herze, aber ganz erdichtet
Nennst du die Liebe: Lehrerin von mir!

Meine Jugend war gedrückt von Sorgen.
Seufzend sang an manchem Sommermorgen
Meine Einfalt ihr gestammelt Lied.
Nicht dem Jüngling töneten Gesänge,
Nein, dem Gott, der auf der Menschen Menge,
Wie auf Ameishaufen nieder sieht!

Ohne Liebe, die ich oft beschreibe,
Ohne Zärtlichkeit ward ich zum Weibe!
Ward zur Mutter! Wie im wilden Krieg,
Unverliebt ein Mädchen werden müsste,
Die ein Krieger halb gezwungen küsste,
Der die Mauer einer Stadt erstieg.

Wenn ich Lieder singe für der Liebe Kenner,
Dann erträum ich mir den zärtlichsten der Männer,
Den ich immer wünschte, aber nie erhielt.
Keine Gattin küsste je getreuer,
Als ich in der Dichtung sanftem Feuer
Lippen küsste, die ich nie gefühlt.

Was wir heftig lange wünschen müssen,
Aber doch nicht zu erhalten wissen,
Drückt sich tief in unserm Herzen ein.
Rebensaft verschwendet der Gesunde,
Und erquickend schmeckt des Kranken Munde
Auch im Traum der ungetrunkne Wein.

 

 
Freund, zeichne diesen Tag mit einem größern Strich! (5:10)
Anna Louisa Karsch (1722 – 1791)

Freund, zeichne diesen Tag mit einem größern Strich!
Er war doch ganz für dich und mich.
Wir wandelten im Hain und hörten Vögel singen
In dicken Fichten, wo der Mann das Weibchen hascht.
Gut wars, dass über uns nicht Edens Äpfel hingen,
Indem wir Hand in Hand durch das Gebüsche gingen.
Da hätten du und ich genascht
Und im Entzücken nicht die Folgen von den Bissen –
Ja, auch nur einen Augenblick bedacht.
So hat es Eva einst gemacht,
So machens heute noch Verliebte, die sich küssen –
Bald werd ich nichts zu schwatzen wissen,
Als ewig von dem Kuss. Und meiner Mutter Mann,
Durch den ich ward, ist Schuld daran,
Dass ich so gern von Küssen sing und sage,
Denn er verküsste sich des Lebens schwere Plage.
 

 
Lob der schwarzen Kirschen (7:36)
Anna Louisa Karsch (1722 – 1791)

Des Weinstocks Saftgewächse ward
Von tausend Dichtern laut erhoben.
Warum will denn nach Sängerart
Kein Mensch die Kirsche loben?
Kein Apfel reizet so den Gaum
Und löschet so des Durstes Flammen,
Er mag gleich vom Chineser-Baum
In echter Abkunft stammen.
Der ausgekochte Kirschensaft
Gibt aller Sommersuppen beste.
Verleiht der Leber neue Kraft
Und kühlt der Adern Äste.
Und wem das schreckliche Verbot
Des Arztes jeden Wein geraubet,
Der misch ihn mit der Kirsche rot
Dann ist er ihm erlaubet.
Und wäre seine Lunge wund,
Und seine ganze Brust durchgraben,
So darf sich doch sein matter Mund
Mit diesem Tranke laben.
Wenn ich den goldnen Rheinstrandwein
Und silbernen Champagner meide,
Dann Freunde mischt mir Kirschblut drein
Zur Aug- und Zungenweide.
Dann werd ich ebenso verführt,
Als Eva, die den Baum betrachtet,
So hübsch gewachsen und geziert
Und nach der Frucht geschmachtet.
Ich trink und rufe dreimal hoch!
Ihr Männer singt im Ernst und Scherze
Zu oft die Rebe, singet doch
Einmal der Kirschen Schwärze!

 
 
22 
 Januar 
 
2012

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DICHTUNG Annette von Droste-Hülshoff
LESUNG Lisenka Kirkcaldy
BEREITSTELLUNG Lisenka Kirkcaldy


 

Ich steh’ auf hohem Balkone am Turm,
Umstrichen vom schreienden Stare,
Und lass’ gleich einer Mänade den Sturm
Mir wühlen im flatternden Haare;
O wilder Geselle, o toller Fant,
Ich möchte dich kräftig umschlingen,
Und, Sehne an Sehne, zwei Schritte vom Rand
Auf Tod und Leben dann ringen!

Und drunten seh’ ich am Strand, so frisch
Wie spielende Doggen, die Wellen
Sich tummeln rings mit Geklaff und Gezisch,
Und glänzende Flocken schnellen.
O, springen möcht’ ich hinein alsbald,
Recht in die tobende Meute,
Und jagen durch den korallenen Wald
Das Walroß, die lustige Beute!

Und drüben seh ich ein Wimpel wehn
So keck wie eine Standarte,
Seh auf und nieder den Kiel sich drehn
Von meiner luftigen Warte;
O, sitzen möcht’ ich im kämpfenden Schiff,
Das Steuerruder ergreifen,
Und zischend über das brandende Riff
Wie eine Seemöve streifen.

Wär’ ich ein Jäger auf freier Flur,
Ein Stück nur von einem Soldaten,
Wär’ ich ein Mann doch mindestens nur,
So würde der Himmel mir raten;
Nun muß ich sitzen so fein und klar,
Gleich einem artigen Kinde,
Und darf nur heimlich lösen mein Haar,
Und lassen es flattern im Winde!

 
 
15 
 Januar 
 
2012


 

DICHTUNG Albrecht von Haller
LESUNG Samuel Weiss
BEREITSTELLUNG wortlover


 

Der Mond verbirget sich, der Nebel grauer Schleier
Deckt Luft und Erde nicht mehr zu;
Der Sterne Glanz erblasst, der Sonne reges Feuer
Stört alle Wesen aus der Ruh.

Der Himmel färbet sich mit Purpur und Saphiren,
Die frühe Morgen-Röte lacht;
Und vor der Rosen Glanz, die ihre Stirne zieren,
Entflieht das bleiche Heer der Nacht.

Durchs rote Morgen-Tor der heitern Sternen-Bühne
Naht das verklärte Licht der Welt;
Die falben Wolken glühn von blitzendem Rubine,
Und brennend Gold bedeckt das Feld.

Die Rosen öffnen sich und spiegeln an der Sonne
Des kühlen Morgens Perlen-Tau;
Der Lilien Ambra-Dampf belebt zu unsrer Wonne
Der zarten Blätter Atlas-grau.

Der wache Feld-Mann eilt mit singen in die Felder
Und treibt vergnügt den schweren Pflug;
Der Vögel rege Schar erfüllet Luft und Wälder
Mit ihrer Stimm und frühem Flug.

O Schöpfer! was ich seh, sind deiner Allmacht Werke!
Du bist die Seele der Natur;
Der Sterne Lauf und Licht, der Sonne Glanz und Stärke
Sind deiner Hand Geschöpf und Spur.

Du steckst die Fackel an, die in dem Mond uns leuchtet,
Du gibst den Winden Flügel zu;
Du leihst der Nacht den Tau, womit sie uns befeuchtet,
Du teilst der Sterne Lauf und Ruh.

Du hast der Berge Stoff aus Ton und Staub gedrehet,
Der Schachten Erz aus Sand geschmelzt;
Du hast das Firmament an seinen Ort erhöhet,
Der Wolken Kleid darum gewälzt.

Den Fisch, der Ströme bläst und mit dem Schwanze stürmet,
Hast du mit Adern ausgehöhlt;
Du hast den Elefant aus Erden aufgetürmet
Und seinen Knochen-Berg beseelt.

Des weiten Himmel-Raums saphirene Gewölbe,
Gegründet auf den leeren Ort,
Der Gottheit große Stadt, begrenzt nur durch sich selber,
Hob aus dem Nichts dein einzig Wort.

Doch, dreimal großer Gott! es sind erschaffne Seelen
Für deine Taten viel zu klein;
Sie sind unendlich groß, und wer sie will erzählen,
Muß, gleich wie du, ohn Ende sein!

O Unbegreiflicher! ich bleib in meinen Schranken,
Du, Sonne, blendst mein schwaches Licht;
Und wem der Himmel selbst sein Wesen hat zu danken,
Braucht eines Wurmes Lobspruch nicht.