Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

27 
 August 
 
2012

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Es stand in alten Zeiten ein Schloß, so hoch und hehr,
Weit glänzt es über die Lande bis an das blaue Meer,
Und rings von duft’gen Gärten ein blütenreicher Kranz,
Drin sprangen frische Brunnen in Regenbogenglanz.

Dort saß ein stolzer König, an Land und Siegen reich,
Er saß auf seinem Throne so finster und so bleich;
Denn was er sinnt, ist Schrecken, und waser blickt, ist Wut,
Und was er spricht, ist Geißel, und was er schreibt, ist Blut.

Einst zog nach diesem Schlosse ein edles Sängerpaar,
Der ein’ in goldnen Locken, der andre grau von Haar;
Der Alte mit der Harfe, der saß auf schmuckem Roß,
Es schritt ihm frisch zur Seite der blühende Genoß.

Der Alte sprach zum Jungen: “Nun sei bereit, mein Sohn!
Denk unsrer tiefsten Lieder, stimm an den vollsten Ton!
Nimm alle Kraft zusammen, die Lust und auch den Schmerz,
Es gilt uns heut, zu rühren des Königs steinern Herz.”

Schon stehn die beiden Sänger im hohen Säulensaal,
Und auf dem Throne sitzen der König und sein Gemahl,
Der König furchtbar prächtig wie blut’ger Nordlichtschein,
Die Königin süß und milde, als blickte Vollmond drein.

Da schlug der Greis die Saiten, er schlug sie wundervoll,
Daß reicher, immer reicher der Klang zum Ohre schwoll;
Dann strömte himmlisch helle des Jünglings Stimme vor,
Des Alten Sang dazwischen wie dumpfer Geisterchor.

Sie singen von Lenz und Liebe, von sel’ger goldner Zeit
Von Freiheit, Männerwürde, von Treu’ und Heiligkeit,
Sie singen von allem Süßen, was Menschenbrust durchbebt,
Sie singen von allem Hohen, was Menschenherz erhebt.

Die Höflingsschar im Kreise verlernet jeden Spott,
Des Königs trotz’ge Krieger, sie beugen sich vor Gott;
Die Königin, zerflossen in Wehmut und in Lust,
Sie wirft den Sängern nieder die Rose von ihrer Brust.

“Ihr habt mein Volk verführet; verlockt ihr nun mein Weib?”
Der König schreit es wütend, er bebt am ganzen Leib;
Er wirft sein Schwert, das blitzend des Jünglings Brust durchdringt.
Draus statt der goldnen Lieder ein Blutstrahl hoch aufspringt.

Und wie vom Sturm zerstoben ist all der Hörer Schwarm.
Der Jüngling hat verröchelt in seines Meisters Arm;
Der schlägt um ihn den Mantel und setzt ihn auf das Roß,
Er bind’t ihn aufrecht feste, verläßt mit ihm das Schloß.

Doch vor dem hohen Thore, da hält der Sängergreis,
Da faßt er seine Harfe, sie, aller Harfen Preis,
An einer Marmorsäule, da hat er sie zerschellt;
Dann ruft er, daß es schaurig durch Schloß und Gärten gellt:

“Weh euch, ihr stolzen Hallen! Nie töne süßer Klang
Durch eure Räume wieder, nie Saite noch Gesang,
Nein, Seufzer nur und Stöhnen und scheuer Sklavenschritt,
Bis euch zu Schutt und Moder der Rachegeist zertritt!

Weh euch, ihr duft’gen Gärten im holden Maienlicht!
Euch zeig’ ich dieses Toten entstelltes Angesicht,
Daß ihr darob verdorret, daß jeder Quell versiegt,
Daß ihr in künft’gen Tagen versteint, verödet liegt.

Weh dir, verruchter Mörder! du Fluch des Sängertums!
Umsonst sei all dein Ringen nach Kränzen blut’gen Ruhms!
Dein Name sei vergessen, in ew’ge Nacht getaucht,
Sei wie ein letztes Röcheln in leere Luft verhaucht!”

Der Alte hat’s gerufen, der Himmel hat’s gehört,
Die Mauern liegen nieder, die Hallen sind zerstört;
Noch eine hohe Säule zeugt von verschwundner Pracht;
Auch diese, schon geborsten, kann stürzen über Nacht.

Und rings statt duft’ger Gärten ein ödes Heideland,
Kein Baum verstreuet Schatten, kein Quell durchdringt den Sand,
Des Königs Namen meldet kein Lied, kein Heldenbuch;
Versunken und vergessen! das ist des Sängers Fluch!

 

Textdichter Ludwig Uhland
Lesung Otto Sander
Bereitstellung wortlover

 
 
10 
 Juni 
 
2012

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Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

Tausend Dank an Lutz Görner für die Einstellung auf YouTube!
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Du und ich (1:20)
Alexander Sergejewitsch Puschkin (1799 – 1837)

Du bist reich und dick und mächtig,
Rosig strahlend wie der Mohn.
Ich, ein armer Musensohn,
Ich bin totenblass und schmächtig.

Sorgen plagten dich noch nie,
Prunkst in einem prächtgen Hause.
Ich in meiner dürftgen Klause
Wälz auf Stroh mich wie ein Vieh.

Dir setzt man die feinsten Sachen
Und den besten Wein vors Maul.
Bist danach oft selbst zu faul,
Zum Abort nen Schritt zu machen.

Ich, ich darf nur Wasser saufen,
Trocknes Brot steht mir nur zu,
Habs dann nicht so nah wie du,
Hundert Schritte muss ich laufen!

Glaub nicht, dass ich dich beneide!
Diener stehn bei dir herum,
Und du blickst dich böse um,
Wischst du dir den Arsch mit Seide.

Ich, ich pfleg mein sündig Loch
Nicht nach dieser noblen Mode.
Schneid Grimassen zwar, jedoch
Mach ichs mit ner Chwostow-Ode.

 

 
Exegi monumentum (5:11)
Alexander Sergejewitsch Puschkin (1799 – 1837)

Ein Denkmal baut ich mir, wie Hände keins erheben,
Des Volkes Pfad zu ihm wächst niemals zu. Es wagt,
Unbändgen Hauptes, höher himmelan zu streben,
Als Alexanders Säule ragt.

Nein, ganz vergeh ich nicht – im heilgen Klang der Saiten
Lebt unverweslich, wenn der Leib zerfiel, mein Geist –
Lebendig werd ich sein, solang auf Erdenbreiten
Man einen einzgen Dichter preist.

So weit sich Russland dehnt, kennt jeder meine Muse.
Es kennt mich jedes Volk, das unser Reich umspannt:
Die Slawen allesamt, der Finne, der Tunguse
Und der Kalmück am Steppenrand.

Und lang werden sie liebend mich im Herzen tragen,
Weil Edles ich erweckt mit meiner Leier Klang,
Weil ich die Freiheit pries in unsern strengen Tagen
Und Nachsicht mit den Opfern sang.

 

 
Sendschreiben nach Sibirien (7:50)
Alexander Sergejewitsch Puschkin (1799 – 1837)

Tief in Sibiriens Bergwerk sollt
Ihr Verbannten euer schweres Schicksal tragen.
Doch wir vergessen nicht, was ihr gewollt,
Nicht eures Geistes hohes Wagen.

Durch all die festen Türen dringt
Die Lieb und Freundschaft treuer Seelen,
So wie in eure Marterhöhlen
Jetzt meine freie Stimme klingt.

Die Fesseln werden fallen Stück für Stück.
Die Mauern werden brechen. Freies Leben
Begrüßt euch freudig, und wir geben
Euch Brüdern dann das Schwert zurück.

 
 
20 
 April 
 
2012

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Ein dicker Sack voll Weizen stand
Auf einem Speicher an der Wand. –
Da kam das schlaue Volk der Mäuse
Und pfiff ihn an in dieser Weise:

“Oh, du da in der Ecke,
Großmächtigster der Säcke!
Du bist ja der Gescheitste,
Der dickste und der Breitste!
Respekt und Referenz
Vor eurer Exzellenz!”

Mit innigem Behagen hört
Der Sack, daß man ihn so verehrt.
Ein Mäuslein hat ihm unterdessen
Ganz unbemerkt ein Loch gefressen.
Es rinnt das Korn in leisem Lauf.
Die Mäuse knuspern’s emsig auf.
Schon wird er faltig, krumm und matt.
Die Mäuse werden fett und glatt.
Zuletzt, man kennt ihn kaum noch mehr,
Ist er kaputt und hohl und leer.
Erst ziehn sie ihn von seinem Thron;
Ein jedes Mäuslein spricht ihm hohn;
Und jedes, wie es geht, so spricht’s:
“Empfehle mich, Herr Habenichts!”

 

Dichtung Wilhelm Busch
Lesung Erich Ponto
Bereitstellung PythiasBest