Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

31 
 März 
 
2012


 

Ich sehe oft um Mitternacht,
Wenn ich mein Werk getan,
Und niemand mehr im Hause wacht
Die Stern am Himmel an.

Sie gehn da, hin und her zerstreut,
Als Lämmer auf der Flur,
In Rudeln auch, und aufgereiht
Wie Perlen an der Schnur!

Und funkeln alle weit und breit
Und funkeln rein und schön.
Ich seh die große Herrlichkeit,
Und kann mich satt nicht sehn.

Dann saget unterm Himmelszelt
Mein Herz mir in der Brust:
Es gibt was bessers in der Welt
Als all ihr Schmerz und Lust.

Ich werf mich auf mein Lager hin,
Und liege lange wach.
Und suche es in meinem Sinn.
Und sehne mich danach.

 

Sprecherin Dagmar Manzel   |   Bereitstellung Lyrik & Musik

 
 
11 
 März 
 
2012

Schlagwörter

0

 
Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

Tausend Dank an Lutz Görner für die Einstellung auf YouTube!
Eventuelle Kommentare zum Video-Clip bitte direkt auf YouTube!

 

 
Der Blinde und der Lahme (1:21)
Christian Fürchtegott Gellert (1715 – 1769)

Der Zufall ließ einst einen Blinden
Einen Gelähmten auf der Straße finden.
Der Blinde hofft drum freudenvoll,
Dass ihn der Lahme leiten soll.

»Dir« spricht der Lahme »beizustehn?
Ich armer Mann kann zwar nicht gehn,
Doch scheints, dass du zu einer Last
Noch sehr gesunde Schultern hast.

Entschließe dich, mich fortzutragen,
So will ich dir die Wege sagen.
So wird dein starker Fuß mein Bein,
Mein helles Aug wird deines sein.«

Der Lahme hängt, mit seinen Krücken,
Sich auf des Blinden breiten Rücken.
Vereint wirkt also dieses Paar,
Was einzeln keinem möglich war.

Du hast das nicht, was andre haben,
Und andern mangeln deine Gaben?
Aus dieser Unvollkommenheit
Entspringet die Geselligkeit.

 

 
Nicht jede Besserung ist Tugend (3:15)
Christian Fürchtegott Gellert (1715 – 1769)

Nicht jede Besserung ist Tugend.
Oft ist sie nur das Werk der Zeit.
Die wilde Hitze roher Jugend
Wird mit den Jahren Sittsamkeit.
Und was Natur und Zeit getan,
Sieht unser Stolz als Besserung an.

 

 
Das Kutschpferd (4:31)
Christian Fürchtegott Gellert (1715 – 1769)

Ein edler Hengst sah einen Gaul den Pflug im Acker ziehn
Und wiehernd voller Stolz blickt er herab auf ihn.
Nun, sprach er und fing an, die Schenkel schön zu heben,
Nun, Freund, kannst du dir solches Aussehn geben
Und wirst, wie ich, bewundert in der Welt?
Schweig, rief der Gaul, und lass mich ruhig pflügen.
Denn baute nicht mein Fleiß das Feld,
Wo würdest du den Hafer kriegen,
Der deiner Schenkel Aussehn dir erhält?
Die ihr uns Niedern so verachtet,
Vornehme Müßiggänger, wisst,
Dass selbst der Stolz, mit dem ihr uns betrachtet,
Ja, euer Vorzug selbst, aus dem ihr uns verachtet,
Auf unsern Fleiß gegründet ist!
Gesetzt, du hättest wirklich bessre Sitten,
So wär der Vorzug doch nicht dein.
Denn stammtest du aus unsren Hütten,
So hättest du auch unsre Sitten,
Und was du bist, und mehr, das würden wir auch sein,
Wenn wir wie du erzogen wären.
Dich kann die Welt sehr leicht, uns aber nicht entbehren.

 

 
Der Tanzbär (6:58)
Christian Fürchtegott Gellert (1715 – 1769)

Ein Bär, der lang sein Brot sich hat ertanzen müssen,
Entfloh und kam in seine Heimat bald.
Die Freunde grüßten ihn mit brüderlichen Küssen
Und brummten freudig durch den Wald.
Und wo ein Bär den andern sah,
So hieß es: Petz ist wieder da!
Darauf erzählte der, was er in fremden Landen
Für Abenteuer ausgestanden.
Was er gesehn, gehört, getan!
Und fing auf polnisch schön zu tanzen an.

Die Bären, die ihn auf zwei Beinen sahn,
Bewunderten die Wendung seiner Glieder,
Und gleich versuchten es die Brüder,
Wie er zu tanzen und zu gehn.
Doch konnten Sie kaum aufrecht stehn,
Und mancher fiel der Länge lang darnieder.
In voller Grazie ließ sich Petz nun sehn.
Jedoch sein Tanz verdross den blöden Haufen.
»Fort«, schrien alle, »fort mit dir!
Du Narr, willst klüger sein als wir?«
Und zwangen ihn davon zu laufen.

Sei ungeschickt, und niemand wird dich hassen,
Weil dir ein jeder ähnlich ist.
Doch je geschickter du vor all den andern bist,
Je mehr nimm dich in acht, dich prahlend sehn zu lassen.
Wahr ists, man wird auf kurze Zeit
Von deinen Künsten rühmlich sprechen.
Doch trau dem Braten nicht, bald folgt der Neid
Und macht deine Geschicklichkeit
Zum unverzeihlichen Verbrechen.

 
 
10 
 März 
 
2012

Schlagwörter

0

 

Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein


 
Tausend Dank an Lutz Görner für die Einstellung auf YouTube!
Eventuelle Kommentare zum Video-Clip bitte direkt auf YouTube!


 


 
Rezitierte Gedichte

 
Brüder (0:22)
Johann Christian Günther (1695 – 1723)

Brüder lasst uns lustig sein,
Weil der Frühling währet,
Und der Jugend Sonnenschein
Unser Laub verkläret.
Grab und Bahre warten nicht.
Wer die Rosen jetzo bricht,
Dem ist der Kranz bescheret.

Das Haupt bekränzt, das Glas gefüllt,
So leb ich, weil es leben gilt.
An Rosen such ich mein Vergnügen,
An Rosen, die zu Herzen gehn,
An Rosen, die den Frost besiegen
Und hier das ganze Jahr durchblühn.

Auf Rosen mach ich gute Reime
Auf Rosen schläfet meine Brust.
Auf Rosen hab ich sanfte Träume
Von still und warm und weicher Lust.
Und wenn ich einst von hinnen fahre,
So wünsch ich Rosen auf die Bahre.

 

 

Als er ihretwegen einen schweren Traum hatte (1:40)
Johann Christian Günther (1695 – 1723)

Lass mich schlafen, Eleonore!
Willst du nicht zufrieden sein,
Dass ich mich am Tage quäle,
Und mein Herz viel tausend Pein

Deinetwegen muss ertragen?
Soll mich noch ein Schattenspiel
Mit verliebten Träumen plagen?
Engelskind, das ist zu viel!

Können selbst die ärmsten Sklaven,
Wenn das Schiff vor Anker liegt,
Bei der Nacht doch ruhig schlafen,
Ich allein schlaf unvergnügt;

Auch die Nacht kann mich nicht schützen,
Denn mein Herz erfährt dabei,
Dass es muss erbärmlich schwitzen:
Tag und Nacht ist einerlei.

Wenn der überhäufte Kummer
Meinen schwachen Gliederrest
Ganz zuletzt in einem Schlummer
Auf das Bette sinken lässt,

Darf ich zwar zum Himmel steigen,
Welcher deinen Schoß umschleußt,
Weil dein gütiges Bezeigen,
Mir im Traum die Leiter weist.

Und bei meinem süßen Schlafen,
Wenn sich Mast und Segel regt,
Läuft mein Schiff in deinen Hafen,
Den die Venus angelegt.

Ich beschiff bei Sturm und Blitzen
Diese neugefundne Welt,
Wenn die Wellen um mich spritzen,
Und der Schaum ins Bette fällt,

Land ich, eh ich michs versehe,
Bei den Zucker-Inseln an,
So dass ich sie in der Nähe
Halb entzückt besteigen kann.

Wenn ich mich in Träumen paare,
Find ich keinen Widerstand,
Den ich oft bei Tag erfahre.
Denn im Schlaf darf meine Hand

Nach den Purpurmuscheln greifen,
Die dein Ufer ausgesät.
Ja, ich darf noch weiter streifen,
Weil mir alles offen steht.

Aber, ach! wenn ich erwachet,
Sinket mir mein steifer Mut.
Ob ich gleich im Schlaf gelachet,
Und es mir noch sanfte tut.

Denn die Glieder sind zerschlagen,
Und der ausgebrochne Schweiß
Stehet, dass ichs kaum mag sagen,
Auf dem Leibe tropfenweis.

Drum so stelle, liebste Seele,
Künftig hin dein Martern ein.
Da ich mich am Tage quäle,
Lass die Nächte meine sein.

Sich am bloßen Schatten laben,
Ist ein Eis, das bald zerbricht.
Was ich nicht kann wachend haben,
Mag ich auch im Traume nicht.

 

 
An Leonoren (5:30)
Johann Christian Günther (1695 – 1723)

Mein Kummer weint allein um dich,
Mit mir ist’s so verloren,
Die Umständ überweisen mich,
Ich sey zur Noth gebohren.

Ach, spare Seufzer, Wuntsch und Flehn,
Du wirst mich wohl nicht wiedersehn
Als etwan in den Auen,
Die Glaub und Hofnung schauen.

Vor diesem, da mir Fleiß und Kunst
Auf künftig Glücke blühte
Und mancher sich um Günthers Gunst
Schon zum Voraus bemühte,

Da dacht ich, wider Feind und Neid
Die Palmen der Beständigkeit
Mit selbst erworbnem Seegen
Dir noch in Schoos zu legen.

Der gute Vorsaz geht in Wind;
Ich soll im Staube liegen
Und als das ärmste Findelkind
Mich unter Leuten schmiegen.

Man läst mich nicht, man stöst mich gar
Noch stündlich tiefer in Gefahr
Und sucht mein schönstes Leben
Der Marter preiszugeben.

So wird auch wohl mein Alter seyn
Ich bin des Klagens müde
Und mag nichts mehr gen Himmel Schreyn
Als: Herr, nun las im Friede!

Kraft, Muth und Jugend sind fast hin,
Daher ich nicht mehr fähig bin,
Durch auserlesne Sachen
Mir Gut und Ruhm zu machen.

Nimm also, liebstes Kind, dein Herz,
O schweres Wort, zurücke
Und kehre dich an keinen Schmerz,
Womit ich’s wiederschicke;

Es ist zu edel und zu treu,
Als daß es mein Gefehrte sey
Und wegen fremder Plage
Sein eignes Heil verschlage.

Du kanst dir durch dies theure Pfand
Was Köstlichers erwerben,
Mir mehrt es nur den Jammerstand
Und läst mich schwerer sterben;

Denn weil du mich so zärtlich liebst
Und alles vor mein Wohlseyn giebst,
So fühl ich halbe Leiche
Auch zweyfach scharfe Streiche.

Ich schwur vor diesem: Nur der Tod,
Sonst soll uns wohl nichts trennen;
Verzeih es jezo meiner Noth,
Die kan ich dir nicht gönnen;

Ich liebe dich zu rein und scharf,
Als daß ich noch begehren darf,
Daß Lorchen auf der Erde
Durch mich zur Wittwen werde.

So brich nur Bild und Ring entzwey
Und las die Briefe lodern;
Ich gebe dich dem ersten frey
Und habe nichts zu fodern.

Es küße dich ein andrer Mann,
Der zwar nicht treuer küßen kan,
Jedoch mit größerm Glücke
Dein würdig Brautkleid schmücke.

Vergiß mich stets und schlag mein Bild
Von nun an aus dem Sinne;
Mein leztes Wüntschen ist erfüllt,
Wofern ich dies gewinne,

Daß mit der Zeit noch jemand spricht:
Wenn Philimen die Ketten bricht,
So sind’s nicht Falschheitstriebe,
Er hast sie nur aus Liebe.

Ich sterbe dir, und soll ein fremder Sand
Den oft durch dich ergötzten Leib bedecken,
So gönne mir das letzte Liebespfand
Und laß ein Kreuz mit dieser Grabschrift stecken:
Wo ist ein Mensch, der treulich lieben kann?
Hier liegt der Mann.

 

 
Grabinschrift (7:24)
Johann Christian Günther (1695 – 1723)

Hier starb ein Schlesier, weil Glück und Zeit nicht wollte,
Dass seine Dichtkunst ganz zur Reife kommen sollte.
Mein Pilger, lies geschwind und wandre deine Bahn,
Sonst steckt dich noch mein Staub mit Lieb und Unglück an.