Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

11 
 September 
 
2009

Schlagwörter

0

 

Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein


 
Tausend Dank an Lutz Görner für die Einstellung auf YouTube!
Eventuelle Kommentare zum Video-Clip bitte direkt auf YouTube!


 

 


 

 
Rezitierte Gedichte

 
Menschliches Elende (Auszug) (0:09)
Andreas Gryphius (1616 – 1664)

Was sind wir Menschen doch? Ein Wohnhaus grimmer Schmerzen,
Ein Ball des falschen Glücks, ein Irrlicht dieser Zeit,
Ein Schauplatz herber Angst, besetzt mit scharfem Leid,
Ein bald verschmelzter Schnee und abgebrannte Kerzen.

Dies Leben fleucht davon wie ein Geschwätz und Scherzen.
Die vor uns abgelegt des schwachen Leibes Kleid
Und in das Totenbuch der großen Sterblichkeit
Längst eingeschrieben sind, sind uns aus Sinn und Herzen.

Gleich wie ein eitel Traum leicht aus der Acht hinfällt
Und wie ein Strom verscheußt, den keine Macht aufhält,
So muß auch unser Nam, Lob, Ehr und Ruhm verschwinden.

Was itz und Atem holt, muß mit der Luft entfliehn,
Was nach uns kommen wird, wird uns ins Grab nachziehn.
Was sag ich? Wir vergehn, wie Rauch von starken Winden.

 

 
Thränen des Vaterlandes (2:35)
Andreas Gryphius (1616 – 1664)

Wir sind doch nunmehr gantz, ja mehr denn gantz verheeret!
Der frechen Völcker Schaar, die rasende Posaun
Das vom Blut fette Schwerdt, die donnernde Carthaun
Hat aller Schweiß und Fleiß und Vorrath auffgezehret.

Die Türme stehn in Glut, die Kirch ist umgekehret.
Das Rathauß liegt im Grauß, die Starcken sind zerhaun,
Die Jungfern sind geschänd’t, und wo wir hin nur schaun
Ist Feuer, Pest und Tod, der Hertz und Geist durchfähret.

Hir durch die Schantz und Stadt rinnt allzeit frisches Blut.
Dreymal sind schon sechs Jahr, als unser Ströme Flut,
Von Leichen fast verstopfft, sich langsam fort gedrungen.

Doch schweig ich noch von dem, was ärger als der Tod,
Was grimmer denn die Pest und Glut und Hungersnoth:
Das auch der Seelen Schatz so vilen abgezwungen.

 

 
Es ist alles eitel (4:06)
Andreas Gryphius (1616 – 1664)

Du siehst, wohin du siehst, nur Eitelkeit auf Erden.
Was dieser heute baut, reißt jener morgen ein;
Wo jetz und Städte stehn, wird eine Wiese sein,
Auf der ein Schäferskind wird spielen mit den Herden.

Was jetz und prächtig blüht, soll bald zertreten werden;
Was jetzt so pocht und trotzt, ist morgen Asch und Bein;
Nichts ist, das ewig sei, kein Erz, kein Marmorstein.
Jetzt lacht das Glück uns an, bald donnern die Beschwerden.

Der hohen Taten Ruhm muß wie ein Traum vergehn.
Soll denn das Spiel der Zeit, der leichte Mensch, bestehn?
Ach, was ist alles dies, was wir vor köstlich achten,

Als schlechte Nichtigkeit, als Schatten, Staub und Wind,
Als eine Wiesenblum, die man nicht wieder findt!
Noch will, was ewig ist, kein einig Mensch betrachten.

 

 
An sich selbst (6:09)
Andreas Gryphius (1616 – 1664)

Mir grauet vor mir selbst, mit zittern alle Glieder,
Wenn ich die Lipp’ und Nas’ und beider Augen Kluft,
Die blind vom Wachen sind, des Atems schwere Luft
Betracht’, und die nun schon erstorbnen Augenlider.

Die Zunge, schwarz vom Brand, fällt mit den Worten nieder,
Und lallt ich weiß nicht was; die müde Seele ruft
Dem großen Tröster zu, das Fleisch reucht nach der Gruft,
Die Ärzte lassen mich, die Schmerzen kommen wieder,

Mein Körper ist nicht mehr als Adern, Fell und Bein.
Das Sitzen ist mein Tod, das Liegen eine Pein.
Die Schenkel haben selbst nun Träger wohl vonnöten!

Was ist der hohe Ruhm und Jugend, Ehr’ und Kunst?
Wenn diese Stunde kommt: wird alles Rauch und Dunst.
Und eine Not muss uns mit allem Vorsatz töten.

 

 
Verleugnung der Welt (Auszug) (8:24)
Andreas Gryphius (1616 – 1664)

Was frag ich nach der Welt! sie wird in Flammen stehn:
Was acht ich reiche Pracht: der Tod reißt alles hin!
Was hilfft die Wissenschafft / der mehr denn falsche Dunst:
Der Libe Zauberwerck ist tolle Phantasie:
Die Wollust ist fürwahr nichts als ein schneller Traum;
Die Schönheit ist wie Schnee‘ / diß Leben ist der Tod.

Diß alles stinckt mich an / drumb wündsch ich mir den Tod!
Weil nichts wie schön und starck / wie reich es sey / kan stehn
Offt / eh man leben wil / ist schon das Leben hin.
Wer Schätz‘ und Reichthumb sucht: was sucht er mehr als Dunst.
Wenn dem der Ehrenrauch entsteckt die Phantasie:
So traumt ihm / wenn er wacht / er wacht und sorgt im Traum.

Auff meine Seel / auff! auff! entwach aus disem Traum!
Verwirff was irrdisch ist / und trotze Noth und Tod!
Was wird dir / wenn du wirst für jenem Throne stehn /
Die Welt behülfflich seyn? wo dencken wir doch hin?
Was blendet den Verstand? sol diser leichte Dunst
Bezaubern mein Gemüt mit solcher Phantasie?

Bißher! und weiter nicht! verfluchte Phantasie!
Niehts werthes Gauckelwerck. Verblendung-voller Traum!
Du Schmertzen-reiche Lust! du folter-harter Tod!
Ade! ich wil nunmehr auff freyen Füssen stehn
Vnd treten was mich tratt! Ich eile schon dahin;
Wo nichts als Warheit ist. Kein bald verschwindend Dunst.

Treib ewig helles Licht der dicken Nebel Dunst
Die blinde Lust der Welt: die tolle Phantasie
Die flüchtige Begird‘ und diser Gütter Traum
Hinweg und lehre mich recht sterben vor dem Tod.
Laß mich die Eitelkeit der Erden recht verstehn
Entbinde mein Gemüth und nim die Ketten hin.

Nim was mich und die Welt verkuppelt! nim doch hin
Der Sünden schwere Last: Laß ferner keinen Dunst
Verhüllen mein Gemüth / und alle Phantasie
Der Eitel-leeren Welt sey für mir als ein Traum
Von dem ich nun erwacht! und laß nach disem Tod
Wenn hin! Dunst / Phantasie / Traum! Tod / mich ewig stehn.

 
 
3 
 September 
 
2008

abgelegt in
Gedankenschau | Pantheismus

 

Ich schaue in die Welt

 
Ich schaue in die Welt,
in der die Sonne leuchtet,
in der die Sterne funkeln;
in der die Steine lagern,
die Pflanzen lebend wachsen,
die Tiere fühlend leben,
in der der Mensch beseelt
dem Geiste Wohnung gibt.

Ich schaue in die Seele,
die mir im Innern lebet.
Der Gottesgeist, er webt
im Sonn’- und Seelenlicht,
im Weltenraum, da draußen,
in Seelentiefen, drinnen.

Zu Dir, o Gottesgeist,
will bittend ich mich wenden,
dass Kraft und Segen mir
zum Lernen und zur Arbeit
in meinem Innern wachse.

 
MORGENSPRUCH AB DER 5. KLASSE
WALDORFSCHULE


 

 
 
28 
 November 
 
2007


 

Ehret die Frauen!
Sie flechten und weben
Himmlische Rosen
ins irdische Leben.

Aus: “Würde der Frauen”

Denn ein gebrechlich Wesen ist das Weib.

Aus: “Maria Stuart”

Was ist das Leben ohne Liebesglanz?

Aus: “Wallenstein (Wallensteins Tod)”

Das ist es,
oder keine sonst auf Erden!

Aus: “Die Braut von Messina”

Selig durch die Liebe
Götter – durch die Liebe
Menschen Göttern gleich!
Liebe macht den Himmel
Himmlischer – die Erde
Zu dem Himmelreich.

Aus: “Triumph der Liebe”

Das ist der Liebe heilger Götterstrahl,
der in die Seele schlägt und trifft und zündet.

Wenn sich Verwandtes zum Verwandten findet,
da ist kein Widerstand und keine Wahl!

Es löst der Mensch nicht,
was der Himmel bindet.

Aus: “Die Braut von Messina”

Nicht zweifl’ ich mehr an dir,
denn du kannst lieben.

Aus: “Die Braut von Messina”

Die Liebe will ein freies Opfer sein.

Aus: “Wilhelm Tell”

Raum ist in der kleinsten Hütte
für ein glücklich liebend Paar.

Aus: “Der Jüngling am Bache”

O zarte Sehnsucht,
süßes Hoffen!
Der ersten Liebe goldne Zeit!
Das Auge sieht den Himmel offen,
es schwelgt das Herz in Seligkeit;
O, dass sie ewig grünen bliebe
die schöne Zeit der jungen Liebe!

Aus: “Das Lied von der Glocke”

Die Liebe muss hinter sich wie
vor sich die Ewigkeit sehen.

An Charlotte von Lengefeld (seit 1790 Schillers Ehefrau)
und ihre Schwester Karoline, 1789

Nur die Liebe legt die letzte Hand an die Seelen.

Aus: “Kabale und Liebe”

Liebe hat Tränen und kann Tränen verstehen; Herrschsucht hat eherne Augen; worin ewig nie die Empfindung perlt. Liebe hat nur ein Gut, tut Verzicht auf die ganze übrige Schöpfung. Herrschsucht hungert beim Raube der ganzen Natur. Herrschsucht zertrümmert die Welt in ein rasselndes Kettenhaus. Liebe träumt sich in jede Wüste Elysium.

Aus: “Die Verschwörung des Fiesco”

Drum prüfe, wer sich ewig bindet,
ob sich das Herz zum Herzen findet.

Aus: “Das Lied von der Glocke”

Wer sieht so scharf, so tief,
wer anders als der Falkenblick der Liebe?

Aus: “Don Carlos”

Das Schweigen ist der Gott der Glücklichen.
Die engsten Bande sind’s,
die zärtesten,
die das Geheimnis stiftet!

Aus: “Maria Stuart”

Wenn ich hasse, so nehme ich mir etwas; wenn ich liebe, so werde ich um das reicher, was ich liebe.
Verzeihung ist das Wiederfinden eines veräußerten Eigentums – Menschenhass ist verlängerter Selbstmord;
Egoismus die höchste Armut eines erschaffenen Wesens.

Aus: “Philosophische Briefe”

Die Würde hindert, dass die Liebe nicht zur Begierde wird.
Die Anmut verhütet, dass die Achtung nicht Furcht wird.

Aus: “Über Anmut und Würde”

Ein Augenblick, gelebt im Paradiese,
wird nicht zu teuer mit dem Tod gebüßt

Aus: “Don Carlos”

Gibt es ein schön’res als der Liebe Glück?

Aus: “Die Braut von Messina”

Treue Lieb hilft
alle Lasten heben.

Aus: “Die Jungfrau von Orleans”

Wenn jeder Mensch alle Menschen liebte,
so besäße jeder einzelne die Welt.

Aus: “Philosophische Briefe”

Der Zug des Herzens ist
des Schicksals Stimme.

Aus: “Wallenstein (Piccolomini)”

Männer richten nach Gründen;
des Weibes Urteil ist seine Liebe:
Wo es nicht liebt, hat schon gerichtet das Weib.

>Aus: “Epigramme und Votivtafeln”

Morgen können wir nicht mehr,
drum lasst uns heute leben!

Aus: “Das Siegesfest”

Wir, wir leben! Unser sind die Stunden,
und der Lebende hat recht.

Aus: “An die Freunde”

Wohl dem, der frei von Schuld und Fehle
bewahrt die kindlich reine Seele!

Aus: “Die Kraniche des Ibykus”

Es ist wenig, was man zur Seligkeit bedarf.

Aus: “Don Carlos”

Nicht an die Güter hänge dein Herz,
die das Leben vergänglich zieren!
Wer besitzt, der lerne verlieren,
wer im Glück ist, der lerne den Schmerz!

Aus: “Die Braut von Messina”

Des Menschen Wille,
das ist sein Glück.

Aus: “Wallenstein (Wallensteins Lager)”

Ein jeder Wechsel schreckt den Glücklichen,
wo kein Gewinn zu hoffen droht Verlust.

Aus: “Die Braut von Messina”

Der Mensch braucht wenig,
und an Leben reich ist die Natur.

Aus: “Die Jungfrau von Orleans”

Dein Glück ist heute gut gelaunet,
doch fürchte seinen Unbestand.

Aus: “Der Ring des Polykrates”

Glückselig nenne ich den, der, um zu genießen, nicht nötig hat, unrecht zu tun, und, um recht zu handeln, nicht nötig hat, zu entbehren.

Aus: “Über den Nutzen ästhetischer Sitten”

Man glaubt so selten an ein recht großes Glück.

An den Rudolfstädter Staatsbeamten Wilhelm Heinrich Karl von Gleichen-Rußwurm, 1803

Groß kann man sich im Glück,
erhaben nur im Unglück zeigen.

Aus: “Über das Erhabene”

Das Glück der Menschheit wird ebenso sehr durch Torheit als durch Verbrechen und Laster gestört.

Aus: “Die Schaubühne als eine moralische Anstalt betrachtet”

Die Treue, sie ist doch kein leerer Wahn.

Aus: “Die Bürgschaft”

Dich wird die Welt nicht tadeln, sie wird’s loben.
Dass dir der Freund das meiste hat gegolten.

Aus: “Wallenstein (Wallensteins Tod)”