30 Dezember 2018 | |
Franz Grillparzer (1791 – 1872)
Gestorben? – Ich weiß noch nicht, wann?
Kommt einst dir das Datum zu Ohren,
So fügs zur Ergänzung hier an.
Und hast du es niedergeschrieben,
So hast du mich ganz, auf ein Haar.
Was etwa noch übrig geblieben,
Wird wohl nach dem Tode erst wahr.
Franz Grillparzer (1791 – 1872)
Und es ist neblicht und kalt.
Gegrüßt seist du Halber dort oben,
Wie du, bin ich einer, der halb.
Halb gut, halb übel geboren,
Und dürftig in beider Gestalt.
Mein Gutes ohne Würde,
Das Böse ohne Gewalt.
[…]
Halb gab ich mich hin den Musen,
Und sie erhörten mich halb.
Hart auf der Hälfte des Lebens
Entflohn sie und ließen mich alt.
[…]
Franz Grillparzer (1791 – 1872)
Vergleich ich den Papageien.
Sie haben drei oder vier Worte,
Die wiederholen sie an jedem Orte.
Romantisch, klassisch und modern:
Scheint schon ein Urteil diesen Herrn.
Und sie übersehen in stolzem Mut
Die wahren Gattungen: schlecht und gut.
Franz Grillparzer (1791 – 1872)
Weiß ihre Brust,
Klein mein Vertrauen,
Doch groß meine Lust.
Schwatzhaft in Blicken,
Schweigend die Zung,
Alt das Missglücken,
Wunsch immer jung.
Arm, was ich brachte,
Reich meine Lieb,
Warm, was ich dachte,
Kalt, was ich schrieb.
Franz Grillparzer (1791 – 1872)
Du dunkle Nacht!
Hier waren Wiesen,
War Farbenpracht.
Hier ist die Stelle,
Hier stand das Haus.
Ich such, ich taste,
Ich finds nicht aus.
Ferdinand Raimund (1790 – 1836)
Oft um den Wert des Glücks.
Der eine heißt den andern dumm.
Am End weiß keiner nix.
Das ist der allerärmste Mann,
Der andre viel zu reich.
Das Schicksal setzt den Hobel an
Und hobelt sie beide gleich.
Die Jugend will halt stets mit G’walt
In allem glücklich sein.
Doch wird man nur ein bisschen alt,
Da find’t man sich schon drein.
Oft zankt mein Weib mit mir, o Graus!
Das bringt mich nicht in Wut,
Da klopf ich meinen Hobel aus
Und denk, du brummst mir gut.
Zeigt sich der Tod einst mit Verlaub
Und zupft mich: Brüderl, kumm,
Da stell ich mich im Anfang taub
Und schau mich gar nicht um.
Doch sagt er: Lieber Valentin,
Mach keine Umständ, geh!
Da leg ich meinen Hobel hin
Und sag der Welt Ade.
18 März 2018 | |
DICHTUNG | Rainer Maria Rilke | |
LESUNG | Fritz Stavenhagen | |
BEREITSTELLUNG | LYRIK & MUSIK |
Nennt ihr das Seele, was so zage zirpt
in euch? Was, wie der Klang der Narrenschellen,
um Beifall bettelt und um Würde wirbt,
und endlich arm ein armes Sterben stirbt
im Weihrauchabend gotischer Kapellen, –
nennt ihr das Seele?
Schau ich die blaue Nacht, vom Mai verschneit,
in der die Welten weite Wege reisen,
mir ist: ich trage ein Stück Ewigkeit
in meiner Brust. Das rüttelt und das schreit
und will hinauf und will mit ihnen kreisen …
Und das ist Seele.
15 Juni 2016 | |
Es scheint so arg, Junggeselle zu bleiben, als alter Mann unter schwerer Wahrung der Würde um Aufnahme zu bitten, wenn man einen Abend mit Menschen verbringen will, krank zu sein und aus dem Winkel seines Bettes wochenlang das leere Zimmer anzusehn, immer vor dem Haustor Abschied zu nehmen, niemals neben seiner Frau sich die Treppe hinaufzudrängen, in seinem Zimmer nur Seitentüren zu haben, die in fremde Wohnungen führen, sein Nachtmahl in einer Hand nach Hause zu tragen, fremde Kinder anstaunen zu müssen und nicht immerfort wiederholen zu dürfen: »Ich habe keine«, sich im Aussehn und Benehmen nach ein oder zwei Junggesellen der Jugenderinnerungen auszubilden.
So wird es sein, nur daß man auch in Wirklichkeit heute und später selbst dastehen wird, mit einem Körper und einem wirklichen Kopf, also auch einer Stirn, um mit der Hand an sie zu schlagen.
Autor | Franz Kafka | |
Lesung | Axel Grube |