Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

12 
 Mai 
 
2012


 

Kommendes ist nie ganz fern; Entflohnes
Nie ganz fortgenommen wenn es floh -;
Doch das Wiederkommen eines Tones
Ordnet erst das viele Leben so,

Daß der Einsame, der sich nicht kennt,
Eine Weile ruht in seinen Maßen
Eh er wieder auf den fremden Straßen
Weiter muß, in Tage aufgetrennt.

Wiederkommen -: Wie er das genießt,
Einmal wiederkommen und verweilen
Wo aus Wünschen, die ihn nur durcheilen,
Sich ein Wirkliches und Warmes schließt,

Dessen Dasein, Sinn, Gesetz und Güte
Eine kleine Zeit auch für ihn gilt
Und ihm so, als ob sie ihn behüte,
Lang noch nachgeht, licht und wohlgewillt -.

 

Dichtung Rainer Maria Rilke
Lesung Vera
Bereitstellung RilkeForum

 
 
12 
 Mai 
 


 

Aus dem “Buch der Bilder”

Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren lass die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gieb ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

 

Dichtung Rainer Maria Rilke
Lesung Vera
Bereitstellung RilkeForum

 
 
15 
 April 
 
2012


 

aus: “Sebastian im Traum”

Es ist niemand im Haus. Herbst in Zimmern;
Mondeshelle Sonate
Und das Erwachen am Saum des dämmernden Walds.

Immer denkst du das weiße Antlitz des Menschen
Ferne dem Getümmel der Zeit;
Über ein Träumendes neigt sich gerne grünes Gezweig,

Kreuz und Abend;
Umfängt den Tönenden mit purpurnen Armen sein Stern,
Der zu unbewohnten Fenstern hinaufsteigt.

Also zittert im Dunkel der Fremdling,
Da er leise die Lider über ein Menschliches aufhebt,
Das ferne ist; die Silberstimme des Windes im Hausflur.

 

Dichtung Georg Trakl
Lesung Frederik Kranemann
Bereitstellung Der Critische Musicus