Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

10 
 März 
 
2012

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Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein


 
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Rezitierte Gedichte

 
Brüder (0:22)
Johann Christian Günther (1695 – 1723)

Brüder lasst uns lustig sein,
Weil der Frühling währet,
Und der Jugend Sonnenschein
Unser Laub verkläret.
Grab und Bahre warten nicht.
Wer die Rosen jetzo bricht,
Dem ist der Kranz bescheret.

Das Haupt bekränzt, das Glas gefüllt,
So leb ich, weil es leben gilt.
An Rosen such ich mein Vergnügen,
An Rosen, die zu Herzen gehn,
An Rosen, die den Frost besiegen
Und hier das ganze Jahr durchblühn.

Auf Rosen mach ich gute Reime
Auf Rosen schläfet meine Brust.
Auf Rosen hab ich sanfte Träume
Von still und warm und weicher Lust.
Und wenn ich einst von hinnen fahre,
So wünsch ich Rosen auf die Bahre.

 

 

Als er ihretwegen einen schweren Traum hatte (1:40)
Johann Christian Günther (1695 – 1723)

Lass mich schlafen, Eleonore!
Willst du nicht zufrieden sein,
Dass ich mich am Tage quäle,
Und mein Herz viel tausend Pein

Deinetwegen muss ertragen?
Soll mich noch ein Schattenspiel
Mit verliebten Träumen plagen?
Engelskind, das ist zu viel!

Können selbst die ärmsten Sklaven,
Wenn das Schiff vor Anker liegt,
Bei der Nacht doch ruhig schlafen,
Ich allein schlaf unvergnügt;

Auch die Nacht kann mich nicht schützen,
Denn mein Herz erfährt dabei,
Dass es muss erbärmlich schwitzen:
Tag und Nacht ist einerlei.

Wenn der überhäufte Kummer
Meinen schwachen Gliederrest
Ganz zuletzt in einem Schlummer
Auf das Bette sinken lässt,

Darf ich zwar zum Himmel steigen,
Welcher deinen Schoß umschleußt,
Weil dein gütiges Bezeigen,
Mir im Traum die Leiter weist.

Und bei meinem süßen Schlafen,
Wenn sich Mast und Segel regt,
Läuft mein Schiff in deinen Hafen,
Den die Venus angelegt.

Ich beschiff bei Sturm und Blitzen
Diese neugefundne Welt,
Wenn die Wellen um mich spritzen,
Und der Schaum ins Bette fällt,

Land ich, eh ich michs versehe,
Bei den Zucker-Inseln an,
So dass ich sie in der Nähe
Halb entzückt besteigen kann.

Wenn ich mich in Träumen paare,
Find ich keinen Widerstand,
Den ich oft bei Tag erfahre.
Denn im Schlaf darf meine Hand

Nach den Purpurmuscheln greifen,
Die dein Ufer ausgesät.
Ja, ich darf noch weiter streifen,
Weil mir alles offen steht.

Aber, ach! wenn ich erwachet,
Sinket mir mein steifer Mut.
Ob ich gleich im Schlaf gelachet,
Und es mir noch sanfte tut.

Denn die Glieder sind zerschlagen,
Und der ausgebrochne Schweiß
Stehet, dass ichs kaum mag sagen,
Auf dem Leibe tropfenweis.

Drum so stelle, liebste Seele,
Künftig hin dein Martern ein.
Da ich mich am Tage quäle,
Lass die Nächte meine sein.

Sich am bloßen Schatten laben,
Ist ein Eis, das bald zerbricht.
Was ich nicht kann wachend haben,
Mag ich auch im Traume nicht.

 

 
An Leonoren (5:30)
Johann Christian Günther (1695 – 1723)

Mein Kummer weint allein um dich,
Mit mir ist’s so verloren,
Die Umständ überweisen mich,
Ich sey zur Noth gebohren.

Ach, spare Seufzer, Wuntsch und Flehn,
Du wirst mich wohl nicht wiedersehn
Als etwan in den Auen,
Die Glaub und Hofnung schauen.

Vor diesem, da mir Fleiß und Kunst
Auf künftig Glücke blühte
Und mancher sich um Günthers Gunst
Schon zum Voraus bemühte,

Da dacht ich, wider Feind und Neid
Die Palmen der Beständigkeit
Mit selbst erworbnem Seegen
Dir noch in Schoos zu legen.

Der gute Vorsaz geht in Wind;
Ich soll im Staube liegen
Und als das ärmste Findelkind
Mich unter Leuten schmiegen.

Man läst mich nicht, man stöst mich gar
Noch stündlich tiefer in Gefahr
Und sucht mein schönstes Leben
Der Marter preiszugeben.

So wird auch wohl mein Alter seyn
Ich bin des Klagens müde
Und mag nichts mehr gen Himmel Schreyn
Als: Herr, nun las im Friede!

Kraft, Muth und Jugend sind fast hin,
Daher ich nicht mehr fähig bin,
Durch auserlesne Sachen
Mir Gut und Ruhm zu machen.

Nimm also, liebstes Kind, dein Herz,
O schweres Wort, zurücke
Und kehre dich an keinen Schmerz,
Womit ich’s wiederschicke;

Es ist zu edel und zu treu,
Als daß es mein Gefehrte sey
Und wegen fremder Plage
Sein eignes Heil verschlage.

Du kanst dir durch dies theure Pfand
Was Köstlichers erwerben,
Mir mehrt es nur den Jammerstand
Und läst mich schwerer sterben;

Denn weil du mich so zärtlich liebst
Und alles vor mein Wohlseyn giebst,
So fühl ich halbe Leiche
Auch zweyfach scharfe Streiche.

Ich schwur vor diesem: Nur der Tod,
Sonst soll uns wohl nichts trennen;
Verzeih es jezo meiner Noth,
Die kan ich dir nicht gönnen;

Ich liebe dich zu rein und scharf,
Als daß ich noch begehren darf,
Daß Lorchen auf der Erde
Durch mich zur Wittwen werde.

So brich nur Bild und Ring entzwey
Und las die Briefe lodern;
Ich gebe dich dem ersten frey
Und habe nichts zu fodern.

Es küße dich ein andrer Mann,
Der zwar nicht treuer küßen kan,
Jedoch mit größerm Glücke
Dein würdig Brautkleid schmücke.

Vergiß mich stets und schlag mein Bild
Von nun an aus dem Sinne;
Mein leztes Wüntschen ist erfüllt,
Wofern ich dies gewinne,

Daß mit der Zeit noch jemand spricht:
Wenn Philimen die Ketten bricht,
So sind’s nicht Falschheitstriebe,
Er hast sie nur aus Liebe.

Ich sterbe dir, und soll ein fremder Sand
Den oft durch dich ergötzten Leib bedecken,
So gönne mir das letzte Liebespfand
Und laß ein Kreuz mit dieser Grabschrift stecken:
Wo ist ein Mensch, der treulich lieben kann?
Hier liegt der Mann.

 

 
Grabinschrift (7:24)
Johann Christian Günther (1695 – 1723)

Hier starb ein Schlesier, weil Glück und Zeit nicht wollte,
Dass seine Dichtkunst ganz zur Reife kommen sollte.
Mein Pilger, lies geschwind und wandre deine Bahn,
Sonst steckt dich noch mein Staub mit Lieb und Unglück an.

 
 
19 
 September 
 
2009

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Rezitierte Gedichte

 
Auf den Mund (0:09)
Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616 – 1679)

Mund! der die Seelen kann durch Lust zusammen hetzen.
Mund! der viel süsser ist als starker Himmelswein.
Mund! der du Alikant des Lebens schenkest ein.
Mund! den ich vorziehn muss der Inden reichen Schätzen.
Mund! dessen Balsam uns kann stärken und verletzen.
Mund! der vergnügter blüht als aller Rosen Schein.
Mund! welchem kein Rubin kann gleich und ähnlich sein.
Mund! den die Gratien mit ihren Quellen netzen;
Mund! ach Korallenmund mein einziges Ergötzen!
Mund! laß mich einen Kuß auf deinen Purpur setzen.

 

 
Die Wollust (2:12)
Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616 – 1679)

Die Wollust bleibet doch der Zucker dieser Zeit,
was kann uns mehr denn sie den Lebenslauf versüßen?
Sie lässet trinkbar Gold in unsre Kehle fließen
und öffnet uns den Schatz beperlter Liebligkeit.
In lauter Rosen kann sie Schnee und Eis verkehren
und durch das ganze Jahr die Frühlingszeit gewähren.

Es schaut uns die Natur als rechte Kinder an,
sie schenkt uns ungespart den Reichtum ihrer Brüste.
Sie öffnet einen Saal voll zimmetreicher Lüste,
wo aus des Menschen Wunsch Erfüllung quellen kann.
Sie legt als Mutter uns die Wollust in die Armen
und lässt durch Lieb und Wein den kalten Geist erwarmen.

Nur das Gesetze wil allzu tyrannisch sein,
es zeiget jederzeit ein widriges Gesichte.
Es macht des Menschen Lust und Freiheit ganz zunichte
und flöst vor süßen Most uns Wermuthtropfen ein.
Es untersteht sich uns die Augen zu verbinden
und alle Liebligkeit aus unser Hand zu winden.

Die Ros’ entblösset nicht vergebens ihre Pracht,
jeßmin wil nicht umsonst uns in die Augen lachen.
Sie wollen unser Lust sich dienst- und zinsbar machen.
Der ist sein eigen Feind, der sich zu Plagen tracht.
Wer vor die Schwanenbrust ihm Dornen will erwählen,
dem muß es an Verstand und reinen Sinnen fehlen.

Was nutzet endlich uns doch Jugend, Kraft und Mut,
wenn man den Kern der Welt nicht reichlich will genüssen
Und dessen Zuckerstrom lässt unbeschifft verschießen.
Die Wollust bleibet doch der Menschen höchstes Gut
Wer hier zu Segel geht, dem wehet das Gelücke
und ist verschwenderisch mit seinem Liebesblicke.

Wer Epikuren [Epicuren] nicht vor seinen Lehrer hält,
der hat den Weltgeschmack und allen Witz verloren.
Es hat ihr die Natur als Stiefsohn ihn erkoren.
Er muß ein Unmensch sein und Scheusal dieser Welt,
der meisten Lehrer Wahn erregte Zwang und Schmerzen.
Was Epikur gelehrt, das kitzelt noch die Herzen.

 

 
Grabschrift eines Lasterhaften (5:15)
Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616 – 1679)

Die Leber ist zu Wien! Das Glied zu Rom geblieben!
Das Herz in einer Schlacht! und das Gehirn an Lieben!
Doch dass der Leib nicht ganz verloren möchte sein
so legte man den Rest hier unter diesen Stein.

 

 
Grabschrift eines Schlafsüchtigen (5:44)
Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616 – 1679)

Hier liegt ein fauler Leib, der aus dem Tage Nacht
und aus dem Leben Tod durch Schlafen hat gemacht.
Aus allzu großer Furcht, dass man ihn noch erwecket
so hat er sich hierher in dieser Gruft verstecket.

 

 
Grabschrift einer lustigen Jungfrau (6:12)
Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616 – 1679)

Die euch für Schmuck und Gold entblößte Leib und Brust
machte der grimme Tod nun zu der Würmer Kost.
Ihr Buhler, lasset hier eure Tränenströme fließen,
So kann noch mancher Wurm zur Speis auch Trank genießen.

 

 
Grabschrift eines Mohren (6:44)
Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616 – 1679)

Kein Europäer soll die schlechte Grabschrifft lesen
und lachen, dass ich schwarz und nackend bin gewesen.
Ich trug das Mutterkleid, du trägst die Haut der Kuh,
du bist mehr Vieh als ich, ich war mehr Mensch als du.

 

 
Gedanken bei Antretung des fünfzigsten Jahres (Auszug) (7:27)
Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616 – 1679)

Mein Auge hat den alten Glanz verloren.
Ich bin nicht mehr, was ich vor diesem war.
Es klinget mir fast stündlich in den Ohren:
vergiss der Welt und denk auf deine Bar.
Und ich empfinde nun aus meines Lebens Jahren
Das fünfzig schwächer sind als fünfundzwanzig waren.

Du hast, mein Gott, mich in des Vaters Lenden
als rohen Zeug genädig angeschaut
und nachmals auch in den verdeckten Wänden
ohn alles Licht durch Allmacht aufgebaut.
Du hast als Steuermann und Leitstern mich geführet,
wo man der Wellen Sturm und Berge Schrecken spüret.

Du hast den Dorn in Rosen mir verkehret
und Kieselstein zu Kristallin gebracht.
Dein Segen hat den Unwert mir verzehret
und Schlackenwerk zu gleichem Erz gemacht.
Du hast als Nulle mich den Zahlen zu gesellet
der Welt Gepränge gilt nach dem es Gott gefället.

Ich bin zuschlecht vor dieses Dank zusagen
Es ist zu schlecht was ich dir bringen kann.
Nimm diesen doch, den du hast jung getragen
als Adlern jetzt auch in dem Alter an.
Ach, stütze Leib und Geist und lass bei grauen Haaren
nicht grüne Sündenlust sich meinem Herzen paaren.

Lass mich mein Amt mit Freudigkeit verwalten,
lass Trauersucht nicht stören meine Ruh.
Lass meinen Leib nicht wie das Eis erkalten
und lege mir noch etwas Kräfte zu.
Hilf, dass mich Siechtum nicht zu Last und Ekel mache,
der Morgen mich bewein, der Abend mich verlache.

Lass mich die Lust des Feindes nicht berücken
Die Wermut oft mit Zucker überlegt.
Verwirr ihn selbst im Garne seiner Tücken,
dass der Betrug nach seinem Meister schlägt.
Lass mich bei guter Sach ohn alles Schrecken stehen
Und unverdienten Hass zu meiner Lust vergehen.

Verjüng in mir des schwachen Geistes Gaben
Der ohne dich ohn alle Regung liegt.
Lass mit der Zeit mich diesen Nachklang haben:
Das Eigennutz mich niemals eingewiegt.
Dass mir des Nächsten Gut hat keinen Neid erwecket.
Sein Ach mich nicht erreicht, sein Weinen nicht beflecket.

Hilf, dass mein Geist zum Himmel sich geselle
und ohne Seid und Schminke heilig sei.
Bist du doch, Herr, der gute reine Quelle;
So mache mich von bösen Flecken frei.
Wie leichtlich lässt sich doch des Menschen Auge blenden!
Du weisst wie schwach es ist, es kommt aus deinen Händen.

Denn führe mich zu der erwählten Menge
und in das Licht durch eine kurze Nacht:
Ich suche nicht ein großes Leichgepränge
aus Eitelkeit und stolzer Pracht erdacht.
Ich will kein ander Wort um meinen Leichstein haben
Als dies: Der Kern ist weg, die Schalen sind vergraben.