Lyrik-Klinge

Gibt es das Ur-Weib?

Störend, geradezu penetrant, wird wohl jede Frau einen im offenen Cabriolet vorbei rauschenden Snob empfinden, der die dumpf scheppernden Bässe seiner HiFi-Anlage onboard nur noch durch das Aufheulen seines Motors zu übertrumpfen versucht.

Nicht weniger störend empfinde ich indes aber auch manche Frau auf Stöckelschuhen, die in der Bahnhofshalle mit rhythmischem Trittgeräusch mich genervt von meiner Lektüre aufschauen lässt und sich nicht weniger unbedeutend glaubt als jener spätpubertierende Blechheld in Ledersitzen.

Die wandelnde akustische Störquelle zeigt nicht nur modische Gangart und Gewandtheit, NEIN, nebst ihrer parfümisierten Geruchsaura weiss sie sich in figurenbetonter Kleidertracht und unerschütterlichem Auftreten bei der Männerwelt angekommen, allbegehrlich.

Gänzlich sind ihr alle Optionen offen in der vertikalen Einordnung unserer gesellschaftlichen Hackordnung.
Und sie fühlt ihre weibliche Stärke in einer männerdominierenden Welt mit jedem stolzvollzogenem, abgemessenen Schritt auf dem Laufsteg ihrer eigenen Inszenierung.

Meist frage ich mich bei derartigem weiblichen Phänomen, ob denn dieses Gebaren das bloße Ergebnis der elternlichen Erziehung ist, das sukzessive Antrainieren typisch weiblicher Verhaltensmodi, vom einfachen Puppenspiel bis zum hochkomplex sozialen zwischenmenschlichen Umgang?

ODER ob dieses Phänomen das Produkt, die Ausgeburt unserer Konsumgesellschaft ist, die der modernen Frau aufdoktriert wie sich Frau unter Anwendung diverser Modeartikel (textiler, kosmetischer oder olfaktorischer Natur) positionelle Vorteile verschafft und Frau diese unter dem gesellschaftlichen Druck sich materiell und geistig aneignet?

Wenn es keine Erziehung und keine prägende Gesellschaft gäbe, wie sehe dann die rohgefasste, unverfälschte und naturbelassene Weiblichkeit, sprich das Ur-Weib, aus?

Gibt es eine Urform paradiesischen Ursprungs?

Kleiner Exkurs:
Friedrich der II. (1212-1250) stellte sich einst diese Frage auch, allerdings hinsichtlich der Sprache. Er glaubte zu wissen, dass es eine Ursprache gäbe, die im Menschen angelegt sei, allerdings durch die Anerziehung einer Muttersprache verloren ginge.
Diese Ursprache könnte Hebräisch, Griechisch, Latein oder Arabisch sein, so seine Spekulation.

Daher unternahm er einen grausamen, ethisch verwerflichen Versuch:
Er entriss etlichen Müttern ihr Neugeborenes und übergab sie Ammen. Diese durften die Kinder stillen, pflegen und alles Erdenkliche ihnen zukommen lassen, allerdings nicht mit ihnen sprechen. Ein sprachliches Angebot war strengstens untersagt.
So hoffte Friedrich II., dass die Kinder -ohne erzieherische Mittel- die Ursprache von selbst sprechen würden.

Der Versuch scheiterte sträflich. Sprache ist eine humanspezifische Eigenschaft, mehr noch, ein existentielles Bedürfnis, sodass die Kinder letztlich am “stummen Umgang” starben.

Zurück zu unserer Ausgangslage.
Wenn man nun einem Mädchen gleichfalls die prägenden Einflüsse weiblicher Verhaltensformung vorenthalten würde, sie „typisch männlich“ erziehen und konsequent das soziale Umfeld ent-weiblicht gestalten würde, wie sähe dann die Erscheinung der erwachsenen Frau aus?

Würde sie -wie die Kinder aus dem angeführten Beispiel- an der männlichen Schlichtkeit zugrunde gehen, weil das Reizangebot einer männlich-orientierten Erziehung für ihre genetische Ausstattung, für ihr geistiges Potential zu dürftig ist?

Oder würde sie -ohne modischen Glamour- im Evakostüm dann in der anfangs erwähnten Bahnhofshalle auf leisen, schalldämpfenden Fußballen daher schreiten, nur gekleidet im süß-herben Duft ihrer natürlichen Aromaporen (Schweißdrüsen) und natürlich schönem Haareswall.

Dann wäre -gottlob- das inszenierte Geräuschkonzert der Stöckelschuhe dahin, ich bräuchte nunmehr vom Schleichgang lärmlich unbelästigt nicht aufzuschauen und könnte mich genussvoll meiner Lektüre hingeben.

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