Lyrik-Klinge

Die Wunderkammer (2)




 
Die Einrichtungsgegenstände

Man stelle sich folgende Situation vor:

Samstag Abend, 20 Uhr, Theatervorstellung.
Schon gut eine halbe Stunde zuvor strömen Menschenmassen in die Stadthalle und geben ihre Mäntel an der Garderobe ab.

Unmengen an Kleidungsstücken!
Unmengen an persönliches Eigentum, das nach der Veranstaltung wieder an den Besitzer wechseln soll.
Eine logistische Herausforderung!
Eine unüberwindbare Herausforderung?

Nicht mit dem richtigen System!
Jeder Kleiderhaken ist nummiert und lässt sich ohne größeren Suchaufwand dank der systematischen, aufsteigenden Reihenfolge leicht wiederfinden.
Wird ein Kleidungsstück an einen Garderobenhaken gehängt, so wird dem Besitzer ein Garderobenmarke ausgehändigt, auf der die Hakennummer versehen ist.
Jederzeit lässt sich mittels dieser Garderobenmarke bei noch so großer Anzahl an Mänteln, bei noch so großem Besucherstrom, mit treffsicherer Leichtigkeit eine Verbindung (“Assoziation”) zwischen Besitzer und Kleidungsstück herstellen.
Interessant ist, dass die Kleiderhaken “fest installiert” sind und somit eine “gefestigte Ordnung” garantieren.

 




 
Diesem durchaus bewährtem Ablagesystem gilt es nachzueifern.
In meiner Wunderkammer möchte auch ich “Kleiderhaken” installieren, an denen ich Kleidungsstücke (in meinem Falle sind es Vokabeln, Begriffe, Redewendungen … kurzum: Wissen) anhängen möchte.

Jetzt ist allerdings unser hochgelobtes Dezimalsystem für die Datenorganisation des menschlischen Gehirns genauso unbequem wie es für den Computer ist.

Ja, auch der Computer hat immense Probleme mit dem Dezimalsystem, zumal er lediglich mit Einsen und Nullen (Strom fließt/Strom fließt nicht) handieren kann.
Was macht also der Computer? Er wandelt das Dezimalsystem in ein Zahlensystem um, welches seiner inneren Architektur entspricht: dem Binärsystem. Es ist mit seinen Nullen und Einsen weitaus “magenfreundlicher”.

Was macht nun der Mensch? Richtig! Auch er wandelt Zahlen in eine Form um, die seiner (rechten) Gehirnstruktur angenehm ist: in Bilder. Entweder mittels willkürlicher Zahl-Bild-Korrespondenz (Zuordnung) oder eben mit einem System, dem Majorsystem.

Meine Zahlen-Bild-Tabelle kann hier eingesehen werden und will sich aber nur als eine Möglichkeit unter vielen verstanden wissen.

Ok, numehr “installiere” ich die Kleiderhaken in meinem mnemotechnischen Raum, meiner Wunderkammer.
Ich laufe im Geiste meine Matrix von 10×10-(Schach)Feldern ab, suche mir zu jeder Feldnummer das betreffende Bild aus meiner Majorsystem-Tabelle und lege es ab.
An dieses hinterlegte Bild, das als Kleiderhaken fungiert, kann ich später Informationen “anhängen”.
Das “Anhängen” funktioniert über eine Gedankenverknüpfung (Assoziation).

Beispiel:
Möchte ich z.B. in meiner Wunderkammer auf dem Feld A3 (zufällig gewählt) das Schillerzitat: “Ich hab hier bloß ein Amt und keine Meinung (aus: Wallensteins Tod)” ablegen, dann sieht das Vorgehen konkret wie folgt aus.

A3 –> Orgel (die Stelle und Ablageort im Grundriss meiner Wunderkammer)

A3 –> 13 (Dezimalsystem)
13 –> Dame (Majorsystem)

Zwischenbilanz: Eine (Kirchen-)Organisten greift mit aller Wucht in die Tasten.

“Ich hab hier bloß ein Amt und keine Meinung”
Hmm, ein “Amt”?
Die Organistin könnte das Hochamt (feierliche Messe in der katholischen Kirche) begleiten. Sie spielt natürlich -wie alle treuen Kirchendiener- ehrenamtlich.
“…keine Meinung”
Der Organistin wurde mit einem Seidentuch der Mund verbunden, um jegliche Lautäußerung zu vermeiden und die Zeremonie nicht zu stören.

 
Themen verwandte Beiträge: Dezimalklassifikation, Bildung kommt von BILD

Die mobile Version verlassen