Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

17 
 März 
 
2008


 


Garderobe. Quelle: Wikipedia

 
Die Einrichtungsgegenstände

Man stelle sich folgende Situation vor:

Samstag Abend, 20 Uhr, Theatervorstellung.
Schon gut eine halbe Stunde zuvor strömen Menschenmassen in die Stadthalle und geben ihre Mäntel an der Garderobe ab.

Unmengen an Kleidungsstücken!
Unmengen an persönliches Eigentum, das nach der Veranstaltung wieder an den Besitzer wechseln soll.
Eine logistische Herausforderung!
Eine unüberwindbare Herausforderung?

Nicht mit dem richtigen System!
Jeder Kleiderhaken ist nummiert und lässt sich ohne größeren Suchaufwand dank der systematischen, aufsteigenden Reihenfolge leicht wiederfinden.
Wird ein Kleidungsstück an einen Garderobenhaken gehängt, so wird dem Besitzer ein Garderobenmarke ausgehändigt, auf der die Hakennummer versehen ist.
Jederzeit lässt sich mittels dieser Garderobenmarke bei noch so großer Anzahl an Mänteln, bei noch so großem Besucherstrom, mit treffsicherer Leichtigkeit eine Verbindung (“Assoziation”) zwischen Besitzer und Kleidungsstück herstellen.
Interessant ist, dass die Kleiderhaken “fest installiert” sind und somit eine “gefestigte Ordnung” garantieren.

 




 
Diesem durchaus bewährtem Ablagesystem gilt es nachzueifern.
In meiner Wunderkammer möchte auch ich “Kleiderhaken” installieren, an denen ich Kleidungsstücke (in meinem Falle sind es Vokabeln, Begriffe, Redewendungen … kurzum: Wissen) anhängen möchte.

Jetzt ist allerdings unser hochgelobtes Dezimalsystem für die Datenorganisation des menschlischen Gehirns genauso unbequem wie es für den Computer ist.

Ja, auch der Computer hat immense Probleme mit dem Dezimalsystem, zumal er lediglich mit Einsen und Nullen (Strom fließt/Strom fließt nicht) handieren kann.
Was macht also der Computer? Er wandelt das Dezimalsystem in ein Zahlensystem um, welches seiner inneren Architektur entspricht: dem Binärsystem. Es ist mit seinen Nullen und Einsen weitaus “magenfreundlicher”.

Was macht nun der Mensch? Richtig! Auch er wandelt Zahlen in eine Form um, die seiner (rechten) Gehirnstruktur angenehm ist: in Bilder. Entweder mittels willkürlicher Zahl-Bild-Korrespondenz (Zuordnung) oder eben mit einem System, dem Majorsystem.

Meine Zahlen-Bild-Tabelle kann hier eingesehen werden und will sich aber nur als eine Möglichkeit unter vielen verstanden wissen.

Ok, numehr “installiere” ich die Kleiderhaken in meinem mnemotechnischen Raum, meiner Wunderkammer.
Ich laufe im Geiste meine Matrix von 10×10-(Schach)Feldern ab, suche mir zu jeder Feldnummer das betreffende Bild aus meiner Majorsystem-Tabelle und lege es ab.
An dieses hinterlegte Bild, das als Kleiderhaken fungiert, kann ich später Informationen “anhängen”.
Das “Anhängen” funktioniert über eine Gedankenverknüpfung (Assoziation).

Beispiel:
Möchte ich z.B. in meiner Wunderkammer auf dem Feld A3 (zufällig gewählt) das Schillerzitat: “Ich hab hier bloß ein Amt und keine Meinung (aus: Wallensteins Tod)” ablegen, dann sieht das Vorgehen konkret wie folgt aus.

A3 –> Orgel (die Stelle und Ablageort im Grundriss meiner Wunderkammer)

A3 –> 13 (Dezimalsystem)
13 –> Dame (Majorsystem)

Zwischenbilanz: Eine (Kirchen-)Organisten greift mit aller Wucht in die Tasten.

“Ich hab hier bloß ein Amt und keine Meinung”
Hmm, ein “Amt”?
Die Organistin könnte das Hochamt (feierliche Messe in der katholischen Kirche) begleiten. Sie spielt natürlich -wie alle treuen Kirchendiener- ehrenamtlich.
“…keine Meinung”
Der Organistin wurde mit einem Seidentuch der Mund verbunden, um jegliche Lautäußerung zu vermeiden und die Zeremonie nicht zu stören.

 
Themen verwandte Beiträge: Dezimalklassifikation, Bildung kommt von BILD

 
 

3 Kommentare zu “Die Wunderkammer (2)”

  1. m.m. sagt:

    Hallo Ralph,

    ein ähnliches System schlägt auch Vera Birkenbihl vor.
    Ich frag mich, wer die Zuordnung der Zahlen zu den Konsonanten vorgenommen hat?

    Als Logopädin würde ich sie etwas anders setzen.
    Denke daran, es besser merken zu können, wenn ich nach der Bildungsart -von vorn nach hinten- gehe. Aber sicher nur weil es mein Job ist .. 😉

    Viel Erfolg wünscht m.m. (syntaxia)

    Hallo syntaxia,

    jup, Vera Birkenbihl, Tony Buzan … alle verweisen auf die Zahlform-/Zahlwortmethode 😉
    Es gibt diese Techniken in guten Büchern unter 10 Euro oder in teuren Kursen über 100 Euro.
    Was die Scientologen dazu sagen, weiss ich allerdings nicht 🙂

    Im Prinzip bringt mein Beitrag auch nichts Innovatives zu Tage, schon die alten Römer und Griechen kannten diese Gedächtnistechniken.
    Damit hast du natürlich vollkommen recht.

    Als Logopädin würde ich sie etwas anders setzen.
    Stimmt … und solltest du übrigens auch.
    Jeder sollte das System an seine mentale Struktur/Vorlieben anpassen

    Denke daran, es besser merken zu können, wenn ich nach der Bildungsart -von vorn nach hinten- gehe. Aber sicher nur weil es mein Job ist .. 😉
    Das habe ich nicht verstanden …

    Vielen Dank für deinen Kommentar,
    Ralph

  2. Mamü sagt:

    Lieber Ralph,

    das kommt mir ziemlich kompliziert vor. Vermutlich ist es das nur am Anfang so, danach hat man es sicher leichter, sich alles zu merken.

    Ich konnte mir Zahlen irgendwie immer gut merken. In der Lohn- und Gehaltsbuchhaltung war das sehr von Vorteil. 🙂 Jeder Mensch hatte eine fünfstellige Personalnummer. War einfach zeitsparend, wenn man diese auswendig konnte. Ein Griff… Auch sonst hatte ich da logischerweise viel mit Zahlen zu tun. 🙂
    Wie ich mir Zahlen so gut merken kann, weiß ich gar nicht. Bin einfach ein Zahlenmensch. Für mich haben Zahlenkombinationen eine gewisse Melodie, einen Rhythmus. Klingt komisch, ist aber so. Zahlen haben eben eine Seele. 🙂 Telefonnummern und Geburtsdaten sind daher eine meiner leichtesten Übungen. Aber Gesichter und Namen… oh je, da bin ich dann überfordert. Da könnte ich irgendwelche Tricks gebrauchen.

    Witze, die kann man mir auch ruhig mehr als einmal erzählen. 🙂 Ich kann immer wieder drüber lachen. Die kann ich einfach nicht behalten.

    Sieht auf jeden Fall sehr interessant aus, was du da machst.
    Die Erklärung mit der Theatergarderobe ist übrigens auch sehr einleuchtend.

    Liebe Grüße,
    Martina

    Liebe Martina,

    dann solltest du auch deinem Zahlensystem treu bleiben.
    Im Prinzip geht es ja nur darum, (abstrakten) Zahlen eine (konkrete) Vorstellung zu verleihen und das kann auch eine Melodie sein.
    Viele Berufsmusiker prägen sich übrigens auch Telefonnummern über eine -für sie- leicht zu merkenden Melodie ein.

    Die Witze könntest du allerdings sehr wohl in diesem Raum unterbringen.
    Auch für Gesichter und Namen gibt es ganz einfache Techniken.

    Ok, ich muss mich in meinen gedankenlichen Ausführungen künftig wohl deutlicher ausdrücken.
    Es war schon nach Mitternacht 😉

    Vielen Dank für deinen Kommentar und liebe Grüße,
    Ralph

  3. m.m. sagt:

    Hallo Ralph,

    ui das was wirklich sehr fachtechnisch gedacht von mir.
    Die Laute werden in der Phonologie nach bestimmten Kriterien betrachtet: Bildungsart und Bildungsort.
    Es gibt verschiedene Artikulationsorte. Die Laute /m/, /p/, /b/ sind z.B. ganz vorn, weil mit den Lippen gebildet… so geht es bis zum /k/ beispielsweise immer weiter nach hinten. Dieser Laut wird weiter hinten im Mund produziert…
    Es geht hier auch nur um die Konsonanten, wie bei dir, die Vokale werden völlig anders betrachtet. Von daher fand ich schon einen Bezug zu deiner Tabelle.

    ..grüßt die syntaxia

    Hallo syntaxia

    jetzt wird es Tag bei mir.
    Deinen Begriff “Bildungsart” ordnete ich nicht in die sprachmotorische Sparte ein, sondern in den kognitiven Bereich im Sinne von (Schul-)Bildungsart und dachte an eine Adaption des Systems an jeweilige “geistige Ressourcen”.

    Nein, es war nicht zu “fachtechnisch” von dir gedacht.
    Selbst studiere ich im Nebenfach “Sprachbehinderten-Pädagogik” und von daher sind die Begriffe mir schon geläufig, wenn auch nicht ganz so fundiert wie bei dir 😉
    Aber trotzdem danke für deinen sehr sensiblen Umgang mit der Materie 😉

    Viele Grüße,
    Ralph

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