22 Juli 2015 | |
Nur Einen Sommer gönnt, ihr Gewaltigen!
Und einen Herbst zu reifem Gesange mir,
Daß williger mein Herz, vom süßen
Spiele gesättiget, dann mir sterbe.
Die Seele, der im Leben ihr göttlich Recht
Nicht ward, sie ruht auch drunten im Orkus nicht;
Doch ist mir einst das Heilge, das am
Herzen mir liegt, das Gedicht, gelungen,
Willkommen dann, o Stille der Schattenwelt!
Zufrieden bin ich, wenn auch mein Saitenspiel
Mich nicht hinab geleitet; Einmal
Lebt ich, wie Götter, und mehr bedarfs nicht.
Nicht umsonst gilt die Dichtung Hölderlins als die am schwierigsten zu verstehende. Viel geht verloren, wenn man die Gedichte nur in Hinblick auf eine Inhaltsangabe liest. Das Wesentliche und das Wichtige findet man dort nie. „An die Parzen“ ist ein Lobgesang auf die Schicksalsgöttinnen, aber gleichzeitig eine Bitte um Linderung eines Herzschmerzes. Gerade weil Herz und Seele so eng miteinander verknüpft und verwebt sind, kann das Gedicht, welches aus der gottesähnlichen Seele entspringt, das Herz zwar sättigen, aber in diesem Verb „sättigen“ offenbart sich das Dilemma: Das Herz übernimmt die Oberhand und wird hungrig. Wenn es soweit ist, bleibt einem nur der bittende Gesang an die Parzen…(Anm. von Karl Kraatz)