11 September 2020 | |
Was nur fehlte (1:21)
Theodor Fontane (1819 – 1898)
Theodor Fontane (1819 – 1898)
Wenn Andre Fortunens Schiff gekapert,
Mit meinen Versuchen hat’s immer gehapert,
Auf halbem Weg’, auf der Enterbrücke,
Glitt immer ich aus. War’s Schicksalstücke?
War’s irgend ein großes Unterlassen?
Ein falsches die Sach’ am Schopfefassen?
War’s Schwachsein in den vier Elementen,
In Wissen, Ordnung, Fleiß und Talenten?
Oder war’s – ach, suche nicht zu weit,
Was mir fehlte, war: Sinn für Feierlichkeit.
Ich blicke zurück. Gott sei gesegnet,
Wem bin ich nicht alles im Leben begegnet!
Machthabern aller Arten und Grade,
Vom Hof, von der Börse, von der Parade,
„Damens“ mit und ohne Schnitzer,
Portiers, Hauswirthe, Hausbesitzer,
Ich konnte mich allen bequem bequemen,
Aber feierlich konnt’ ich sie nicht nehmen.
Das rächt sich schließlich bei den Leuten,
Ein Jeder möchte was Rechts bedeuten,
Und steht mal was in Sicht oder Frage,
So sagt ein Reskript am nächsten Tage:
„Nach bestem Wissen und Gewissen,
Er läßt doch den rechten Ernst vermissen,
Alle Dinge sind ihm immer nur Schein,
Er ist ein Fremdling, er paßt nicht hinein,
Und ob das Feierlichste gescheh’,
Er sagt von Jedem nur: „Fa il Ré“.
Suche nicht weiter. Man bringt es nicht weit,
Bei fehlendem Sinn für Feierlichkeit.
Mit meinen Versuchen hat’s immer gehapert,
Auf halbem Weg’, auf der Enterbrücke,
Glitt immer ich aus. War’s Schicksalstücke?
War’s irgend ein großes Unterlassen?
Ein falsches die Sach’ am Schopfefassen?
War’s Schwachsein in den vier Elementen,
In Wissen, Ordnung, Fleiß und Talenten?
Oder war’s – ach, suche nicht zu weit,
Was mir fehlte, war: Sinn für Feierlichkeit.
Ich blicke zurück. Gott sei gesegnet,
Wem bin ich nicht alles im Leben begegnet!
Machthabern aller Arten und Grade,
Vom Hof, von der Börse, von der Parade,
„Damens“ mit und ohne Schnitzer,
Portiers, Hauswirthe, Hausbesitzer,
Ich konnte mich allen bequem bequemen,
Aber feierlich konnt’ ich sie nicht nehmen.
Das rächt sich schließlich bei den Leuten,
Ein Jeder möchte was Rechts bedeuten,
Und steht mal was in Sicht oder Frage,
So sagt ein Reskript am nächsten Tage:
„Nach bestem Wissen und Gewissen,
Er läßt doch den rechten Ernst vermissen,
Alle Dinge sind ihm immer nur Schein,
Er ist ein Fremdling, er paßt nicht hinein,
Und ob das Feierlichste gescheh’,
Er sagt von Jedem nur: „Fa il Ré“.
Suche nicht weiter. Man bringt es nicht weit,
Bei fehlendem Sinn für Feierlichkeit.
Sprüche (3:07)
Theodor Fontane (1819 – 1898)
Theodor Fontane (1819 – 1898)
1. Spruch
Du wirst es nie zu Tüchtgem bringen
Bei deines Grames Träumerein,
Die Tränen lassen nichts gelingen,
Wer schaffen will, muss fröhlich sein.
Wohl Keime wecken mag der Regen,
Der in die Scholle niederbricht,
Doch golden Korn und Erntesegen
Reift nur heran bei Sonnenlicht.
Zerstoben sind die Wolkenmassen,
Die Morgensonn ins Fenster scheint:
Nun kann ich wieder mal nicht fassen,
Dass ich die Nacht hindurch geweint.
2. Spruch
Es kann die Ehre dieser Welt
Dir keine Ehre geben.
Was dich in Wahrheit hebt und hält,
Muss in dir selber leben.
Wenns deinem Innersten gebricht
An echten Stolzes Stütze,
Ob dann die Welt dir Beifall spricht,
Ist all dir wenig nütze.
Das flüchtge Lob, des Tages Ruhm
Magst du dem Eitlen gönnen.
Das aber sei dein Heiligtum:
Vor dir bestehen können.
3. Spruch
Man wird nicht besser mit den Jahren
–Wie sollt es auch, man wird bequem
Und bringt, um sich die Reu zu sparen,
Die Fehler all in ein System.
Das gibt dann eine glatte Fläche,
Man gleitet unbehindert fort,
Und »allgemeine Menschenschwäche«
Wird unser Trost- und Losungswort.
Doch, Herze, willst du ganz genesen,
Sei selber wahr, sei selber rein!
Was wir in Welt und Menschen lesen,
Ist nur der eigne Widerschein.
Erst unter Kuss und Spiel und Scherzen
Erkennst du ganz, was Leben heißt;
O lerne denken mit dem Herzen,
Und lerne fühlen mit dem Geist.
Du wirst es nie zu Tüchtgem bringen
Bei deines Grames Träumerein,
Die Tränen lassen nichts gelingen,
Wer schaffen will, muss fröhlich sein.
Wohl Keime wecken mag der Regen,
Der in die Scholle niederbricht,
Doch golden Korn und Erntesegen
Reift nur heran bei Sonnenlicht.
Zerstoben sind die Wolkenmassen,
Die Morgensonn ins Fenster scheint:
Nun kann ich wieder mal nicht fassen,
Dass ich die Nacht hindurch geweint.
2. Spruch
Es kann die Ehre dieser Welt
Dir keine Ehre geben.
Was dich in Wahrheit hebt und hält,
Muss in dir selber leben.
Wenns deinem Innersten gebricht
An echten Stolzes Stütze,
Ob dann die Welt dir Beifall spricht,
Ist all dir wenig nütze.
Das flüchtge Lob, des Tages Ruhm
Magst du dem Eitlen gönnen.
Das aber sei dein Heiligtum:
Vor dir bestehen können.
3. Spruch
Man wird nicht besser mit den Jahren
–Wie sollt es auch, man wird bequem
Und bringt, um sich die Reu zu sparen,
Die Fehler all in ein System.
Das gibt dann eine glatte Fläche,
Man gleitet unbehindert fort,
Und »allgemeine Menschenschwäche«
Wird unser Trost- und Losungswort.
Doch, Herze, willst du ganz genesen,
Sei selber wahr, sei selber rein!
Was wir in Welt und Menschen lesen,
Ist nur der eigne Widerschein.
Erst unter Kuss und Spiel und Scherzen
Erkennst du ganz, was Leben heißt;
O lerne denken mit dem Herzen,
Und lerne fühlen mit dem Geist.
Die Alten und die Jungen (5:31)
Theodor Fontane (1819 – 1898)
Theodor Fontane (1819 – 1898)
»Unverständlich sind uns die Jungen«
Wird von den Alten beständig gesungen;
Meinerseits möcht ich’s damit halten:
»Unverständlich sind mir die Alten.«
Dieses am Ruder bleiben Wollen
In allen Stücken und allen Rollen,
Dieses sich unentbehrlich Vermeinen
Samt ihrer »Augen stillem Weinen«,
Als wäre der Welt ein Weh getan –
Ach, ich kann es nicht verstahn.
Ob unsre Jungen, in ihrem Erdreisten,
Wirklich was Besseres schaffen und leisten,
Ob dem Parnasse sie näher gekommen
Oder bloß einen Maulwurfshügel erklommen,
Ob sie, mit andern Neusittenverfechtern,
Die Menschheit bessern oder verschlechtern,
Ob sie Frieden sä’n oder Sturm entfachen,
Ob sie Himmel oder Hölle machen –
E I N S läßt sie stehn auf siegreichem Grunde:
Sie haben den Tag, sie haben die Stunde;
Der Mohr kann gehn, neu Spiel hebt an,
Sie beherrschen die Szene, sie sind dran.
Wird von den Alten beständig gesungen;
Meinerseits möcht ich’s damit halten:
»Unverständlich sind mir die Alten.«
Dieses am Ruder bleiben Wollen
In allen Stücken und allen Rollen,
Dieses sich unentbehrlich Vermeinen
Samt ihrer »Augen stillem Weinen«,
Als wäre der Welt ein Weh getan –
Ach, ich kann es nicht verstahn.
Ob unsre Jungen, in ihrem Erdreisten,
Wirklich was Besseres schaffen und leisten,
Ob dem Parnasse sie näher gekommen
Oder bloß einen Maulwurfshügel erklommen,
Ob sie, mit andern Neusittenverfechtern,
Die Menschheit bessern oder verschlechtern,
Ob sie Frieden sä’n oder Sturm entfachen,
Ob sie Himmel oder Hölle machen –
E I N S läßt sie stehn auf siegreichem Grunde:
Sie haben den Tag, sie haben die Stunde;
Der Mohr kann gehn, neu Spiel hebt an,
Sie beherrschen die Szene, sie sind dran.
Flickwerk (7:27)
Theodor Fontane (1819 – 1898)
Theodor Fontane (1819 – 1898)
»Immer eigensinniger und verstockter
Wirst du, … so frage doch den Dokter!
So lange man lebt, muß man doch leben,
Du hustest, es muß doch am Ende was geben,
Ein Brunnen, ein Bad, eine Medizin,
Sulfonal oder Antipyrin,
Massage, Kneipp-Kaltwasserkur,
Schweninger, Schreber, versuch etwas doch nur,
Davos oder Nizza, Oder Tarasp oder Sylt oder Föhr,
Oder bloß auch Mampes Magenlikör!«
So stürmt es zu Zeiten auf mich ein,
Ich nehm‘ es hin, ich steck‘ es ein,
Ich denke der Szene, die jahrauf, jahrab
Ich halbjährlich mit meinem Schuhmacher hab‘,
Ich zeig‘ ihm dann ein Stiefelpaar,
Das in Ehren gedient seit manchem Jahr,
Und will ihn, während Zigarren glimmen,
Zu ’nem Riester für den Stiefel bestimmen.
Er aber dreht bloß hin und her
Und lächelt: »Ne, Herr, es lohnt sich nicht mehr!»
Wirst du, … so frage doch den Dokter!
So lange man lebt, muß man doch leben,
Du hustest, es muß doch am Ende was geben,
Ein Brunnen, ein Bad, eine Medizin,
Sulfonal oder Antipyrin,
Massage, Kneipp-Kaltwasserkur,
Schweninger, Schreber, versuch etwas doch nur,
Davos oder Nizza, Oder Tarasp oder Sylt oder Föhr,
Oder bloß auch Mampes Magenlikör!«
So stürmt es zu Zeiten auf mich ein,
Ich nehm‘ es hin, ich steck‘ es ein,
Ich denke der Szene, die jahrauf, jahrab
Ich halbjährlich mit meinem Schuhmacher hab‘,
Ich zeig‘ ihm dann ein Stiefelpaar,
Das in Ehren gedient seit manchem Jahr,
Und will ihn, während Zigarren glimmen,
Zu ’nem Riester für den Stiefel bestimmen.
Er aber dreht bloß hin und her
Und lächelt: »Ne, Herr, es lohnt sich nicht mehr!»
13 Oktober 2019 | |
Berliner Republikaner (0:23)
Theodor Fontane (1819 – 1898)
Theodor Fontane (1819 – 1898)
Berliner Jungen scharten sich
Vor einiger Zeit allabendlich
Nicht weit vom Kupfergraben
Und schrien gottserbärmelich:
»Wir brauchen keenen Kenig nich,
Wir wollen keenen haben.«
Da plötzlich packt ein Fußgendarm
Nicht eben allzu zart am Arm
Den allergrößten Jungen
Und spricht: »He, Bursch, juckt dir das Fell?
Du Tausendsappermentsrebell,
Was hast du da gesungen?«
Doch der Berliner comme-il-faut
Erwidert: »Hab Er sich nich so,
Un lass Er sich bejraben!
Wozu denn jleich so ängstiglich?
Wir brauchen keenen Kenig nich,
Weil wir schon eenen haben.«
Vor einiger Zeit allabendlich
Nicht weit vom Kupfergraben
Und schrien gottserbärmelich:
»Wir brauchen keenen Kenig nich,
Wir wollen keenen haben.«
Da plötzlich packt ein Fußgendarm
Nicht eben allzu zart am Arm
Den allergrößten Jungen
Und spricht: »He, Bursch, juckt dir das Fell?
Du Tausendsappermentsrebell,
Was hast du da gesungen?«
Doch der Berliner comme-il-faut
Erwidert: »Hab Er sich nich so,
Un lass Er sich bejraben!
Wozu denn jleich so ängstiglich?
Wir brauchen keenen Kenig nich,
Weil wir schon eenen haben.«
Preußisches Volkslied (3:26)
Theodor Fontane (1819 – 1898)
Theodor Fontane (1819 – 1898)
Ja, man ist uns vieles schuldig,
Ja, wir könnten freier sein,
Doch geduldig, nur geduldig,
Auch die Freiheit stellt sich ein.
Und bis dahin tapfer essen
Dürfen wir und schlürfen Wein,
Ei, da kann man schon vergessen,
Dass wir sollten freier sein.
Ja, man hat uns viel versprochen,
Hat uns stark den Hof gemacht,
Hat die Schwüre dann gebrochen
Und uns weidlich ausgelacht.
Doch, ihr Brüder, tapfer essen
Dürfen wir und schlürfen Wein,
Drum gegessen und vergessen,
Dass wir sollten freier sein.
Ja, wir könnten freier sein,
Doch geduldig, nur geduldig,
Auch die Freiheit stellt sich ein.
Und bis dahin tapfer essen
Dürfen wir und schlürfen Wein,
Ei, da kann man schon vergessen,
Dass wir sollten freier sein.
Ja, man hat uns viel versprochen,
Hat uns stark den Hof gemacht,
Hat die Schwüre dann gebrochen
Und uns weidlich ausgelacht.
Doch, ihr Brüder, tapfer essen
Dürfen wir und schlürfen Wein,
Drum gegessen und vergessen,
Dass wir sollten freier sein.
Archibald Douglas (4:29)
Theodor Fontane (1819 – 1898)
Theodor Fontane (1819 – 1898)
»Ich hab es getragen sieben Jahr,
Und ich kann es nicht tragen mehr.
Wo immer die Welt am schönsten war,
Da war sie öd und leer.
So will ich treten vor Jakobs Gesicht
In dieser Knechtsgestalt.
Er kann meine Bitte versagen nicht,
Ich bin ja worden alt.
Und trüg er noch den alten Groll,
Frisch wie am ersten Tag,
So komme, was da kommen soll,
So komme, was da mag.«
Graf Douglas sprichts. Am Weg ein Stein
Lud ihn zu harter Ruh.
Er sah in Wald und Feld hinein.
Die Augen fielen ihm zu.
Er trug einen Harnisch, rostig und schwer,
Darüber ein Pilgerkleid. –
Da, horch, vom Waldrand her scholl es
Wie von Hörnern und Jagdgeleit.
Und Kies und Staub aufwirbelte dicht.
Herjagte Meut und Mann,
Und ehe der Graf sich aufgericht’t,
Waren Ross und Reiter heran.
König Jakob saß auf hohem Ross.
Graf Douglas grüßte tief.
Dem König das Blut in die Wangen schoss,
Der Douglas aber rief:
»König Jakob, schaue mich gnädig an
Und höre mich in Geduld.
Was meine Brüder dir angetan,
Es war nicht meine Schuld.
Denk nicht an den alten Douglas-Neid,
Der trotzig dich bekriegt.
Denk lieber an deine Kinderzeit,
Wo ich dich auf den Knieen gewiegt.
Denk lieber zurück ans Stirling-Schloss,
Wo ich Spielzeug dir geschnitzt.
Dich gehoben auf deines Vaters Ross
Und Pfeile dir zugespitzt.
Denk lieber zurück an Linlithgow,
An den See und den Vogelherd,
Wo ich dich fischen und jagen froh
Und schwimmen und springen gelehrt.
O denk an alles, was einstens war,
Und sänftige deinen Sinn.
Ich hab es gebüßet sieben Jahr,
Dass ich ein Douglas bin.«
»Ich seh dich nicht, Graf Archibald,
Ich hör deine Stimme nicht,
Mir ist, als ob ein Rauschen im Wald
Von alten Zeiten spricht.
Mir klingt das Rauschen süß und traut,
Ich lausch ihm immer noch,
Dazwischen aber klingt es laut:
Er ist ein Douglas doch.
Ich seh dich nicht, ich höre dich nicht,
Das ist alles, was ich kann,
Ein Douglas vor meinem Angesicht
Wär ein verlorener Mann.«
König Jakob gab seinem Ross den Sporn,
Bergan ging jetzt sein Ritt.
Graf Douglas fasste den Zügel vorn
Und hielt mit dem König Schritt.
Der Weg war steil, und die Sonne stach,
Und sein Panzerhemd war schwer.
Doch ob er schier zusammenbrach,
Er lief doch nebenher.
»König Jakob, ich war dein Seneschall.
Und wenn ichs auch weiter nicht bin,
So will ich doch pflegen dein Ross im Stall,
Den Hafer ihm schütten hin.
Ich will ihm selber machen die Streu,
Und es tränken mit eigner Hand.
Nur lass mich atmen wieder aufs neu
Die Luft im Vaterland.
Und lässt du mich nicht, so hab doch den Mut,
Und ich will es danken dir,
Zieh dein Schwert und treffe mich gut
Und lasse mich sterben hier.
« König Jakob sprang herab vom Pferd,
Hell leuchtete sein Gesicht.
Aus der Scheide zog er sein breites Schwert.
Doch auf Douglas richtet ers nicht!
»Nimm’s hin, das Schwert und trags aufs neu,
Und bewache mir meine Ruh.
Denn der ist in tiefster Seele treu,
Der die Heimat liebt wie du.
Zu Ross! Wir reiten nach Linlithgow!
Und du reitest an meiner Seit!
Da wollen wir fischen und jagen froh
Als wie in alter Zeit.«
Und ich kann es nicht tragen mehr.
Wo immer die Welt am schönsten war,
Da war sie öd und leer.
So will ich treten vor Jakobs Gesicht
In dieser Knechtsgestalt.
Er kann meine Bitte versagen nicht,
Ich bin ja worden alt.
Und trüg er noch den alten Groll,
Frisch wie am ersten Tag,
So komme, was da kommen soll,
So komme, was da mag.«
Graf Douglas sprichts. Am Weg ein Stein
Lud ihn zu harter Ruh.
Er sah in Wald und Feld hinein.
Die Augen fielen ihm zu.
Er trug einen Harnisch, rostig und schwer,
Darüber ein Pilgerkleid. –
Da, horch, vom Waldrand her scholl es
Wie von Hörnern und Jagdgeleit.
Und Kies und Staub aufwirbelte dicht.
Herjagte Meut und Mann,
Und ehe der Graf sich aufgericht’t,
Waren Ross und Reiter heran.
König Jakob saß auf hohem Ross.
Graf Douglas grüßte tief.
Dem König das Blut in die Wangen schoss,
Der Douglas aber rief:
»König Jakob, schaue mich gnädig an
Und höre mich in Geduld.
Was meine Brüder dir angetan,
Es war nicht meine Schuld.
Denk nicht an den alten Douglas-Neid,
Der trotzig dich bekriegt.
Denk lieber an deine Kinderzeit,
Wo ich dich auf den Knieen gewiegt.
Denk lieber zurück ans Stirling-Schloss,
Wo ich Spielzeug dir geschnitzt.
Dich gehoben auf deines Vaters Ross
Und Pfeile dir zugespitzt.
Denk lieber zurück an Linlithgow,
An den See und den Vogelherd,
Wo ich dich fischen und jagen froh
Und schwimmen und springen gelehrt.
O denk an alles, was einstens war,
Und sänftige deinen Sinn.
Ich hab es gebüßet sieben Jahr,
Dass ich ein Douglas bin.«
»Ich seh dich nicht, Graf Archibald,
Ich hör deine Stimme nicht,
Mir ist, als ob ein Rauschen im Wald
Von alten Zeiten spricht.
Mir klingt das Rauschen süß und traut,
Ich lausch ihm immer noch,
Dazwischen aber klingt es laut:
Er ist ein Douglas doch.
Ich seh dich nicht, ich höre dich nicht,
Das ist alles, was ich kann,
Ein Douglas vor meinem Angesicht
Wär ein verlorener Mann.«
König Jakob gab seinem Ross den Sporn,
Bergan ging jetzt sein Ritt.
Graf Douglas fasste den Zügel vorn
Und hielt mit dem König Schritt.
Der Weg war steil, und die Sonne stach,
Und sein Panzerhemd war schwer.
Doch ob er schier zusammenbrach,
Er lief doch nebenher.
»König Jakob, ich war dein Seneschall.
Und wenn ichs auch weiter nicht bin,
So will ich doch pflegen dein Ross im Stall,
Den Hafer ihm schütten hin.
Ich will ihm selber machen die Streu,
Und es tränken mit eigner Hand.
Nur lass mich atmen wieder aufs neu
Die Luft im Vaterland.
Und lässt du mich nicht, so hab doch den Mut,
Und ich will es danken dir,
Zieh dein Schwert und treffe mich gut
Und lasse mich sterben hier.
« König Jakob sprang herab vom Pferd,
Hell leuchtete sein Gesicht.
Aus der Scheide zog er sein breites Schwert.
Doch auf Douglas richtet ers nicht!
»Nimm’s hin, das Schwert und trags aufs neu,
Und bewache mir meine Ruh.
Denn der ist in tiefster Seele treu,
Der die Heimat liebt wie du.
Zu Ross! Wir reiten nach Linlithgow!
Und du reitest an meiner Seit!
Da wollen wir fischen und jagen froh
Als wie in alter Zeit.«
4 Januar 2019 | |
Fritz Katzfuß (2:38)
Theodor Fontane (1819 – 1898)
Theodor Fontane (1819 – 1898)
Fritz Katzfuß war ein siebzehnjähr’ger Junge,
Rothaarig, sommersprossig, etwas faul
Und stand in Lehre bei der Wittwe Marzahn,
Die geizig war und einen Laden hatte,
Drin Hering, Schlagwurst, Datteln, Schweizerkäse,
Sammt Pumpernickel, Lachs und Apfelsinen
Ein friedlich Dasein mit einander führten.
Und auf der hohen, etwas schmalen Leiter,
Mit ihren halb schon weggetret’nen Sprossen,
Sprang unser Katzfuß, wenn die Mädchen kamen,
Und Soda, Waschblau, Gries, Korinthen wollten,
Geschäftig hin und her.
Ja, sprang er wirklich?
Die Wahrheit zu gestehn, das war die Frage.
Die Mädchen, deren Schatz oft draußen paßte,
Vermeinten ganz im Gegentheil, „er nöle,“
Sei wie verbiestert und durchaus kein „Katzfuß“.
Im Laden, wenn Frau Marzahn auf ihn passe,
Da ging’ es noch, wenn auch nicht grad’ aufs Beste,
Das Schlimme käm’ erst, wenn er wegen Selter-
Und Sodawasser in den Keller müsse,
Das sei dann manchmal gradzu zum Verzweifeln,
Und wär’ er nicht solch herzensguter Junge,
Der nie was sage, nie zu wenig gebe,
Ja, meistens, daß die Wagschal’ überklappe,
So wär’s nicht zu beleben.
Und nicht besser
Klang, was die Herrin selber von ihm sagte,
Die Wittwe Marzahn. „Wo der dumme Junge
Nur immer steckt? Hier vorne muß er flink sein,
Doch soll er über’n Hof und auf den Boden,
So dauert’s ewig, und ist gar Geburtstag
Von Kaiser Wilhelm oder Sedanfeier
Und soll der Stock ’raus mit der preuß’schen Fahne
(Mein selger Marzahn war nicht für die deutsche),
Fritz darf nicht ’rauf, – denn bis Dreiviertelstunden
Ist ihm das Mind’ste.“
So sprach Wittwe Marzahn
Und kurz und gut, Fritz Katzfuß war ein Räthsel,
Und nur das Eine war noch räthselvoller,
Daß, wie’s auch drohn und donnerwettern mochte,
Ja, selbst wenn Blitz und Schlag zusammenfielen,
Daß Fritz nie maulte, greinte, wüthend wurde;
Nein, unverändert blieb sein stilles Lächeln
Und schien zu sagen: „Arme Kreaturen,
Ihr glaubt mich dumm, ich bin der Ueberlegne.
Kramladenlehrling! Eure Welt ist Kram,
Und wenn ihr Waschblau fordert oder Stärke,
Blaut zu, so viel ihr wollt. Mein Blau der Himmel.“
So ging die Zeit und Fritz war wohl schon siebzehn;
Ein Oxhoft Apfelwein war angekommen
Und lag im Hof. Von da sollt’s in den Keller.
Fritz schlang ein Tau herum und weil die Hitze
Groß war und drückend, was er wenig liebte,
So warf er seinen Shirting-Rock bei Seite,
Nicht recht geschickt, so daß der Kragenhängsel
Nach unten hing. Und aus der Vordertasche
Glitt was heraus und fiel zur Erde. Lautlos.
Fritz merkt’ es nicht. Die Wittwe Marzahn aber
Schlich sich heran und nahm ein Buch (das war es)
Vom Boden auf und sah hinein: „Gedichte.
Gedichte, 1. Theil, von Wolfgang Goethe.“
Zerlesen war’s und schlecht und abgestoßen
Und Zeichen eingelegt: ein Endchen Strippe.
Briefmarkenränder, und als dritt’ und letztes
(Zu glauben kaum), ein Streifen Schlagwurstpelle,
Die Seiten links und rechts befleckt, befettet,
Und oben stand, nun was? stand „Mignonlieder“,
Und Wittwe Marzahn las: „Dahin, dahin
Möcht’ ich mit Dir, o mein Geliebter, ziehn.“
Nun war es klar. Um so ’was träg und langsam,
Um Goethe, Verse, Mignon.
Armer Lehrling,
Ich weiß Dein Schicksal nicht, nur eines weiß ich:
Wie Dir die Lehrzeit hinging bei Frau Marzahn,
Ging mir das Leben hin. Ein Band von Goethe
Blieb mir bis heut mein bestes Wehr und Waffen,
Und wenn die Wittwe Marzahns mich gepeinigt,
Und dumme Dinger, die nach Waschblau kamen,
Mich langsam fanden, kicherten und lachten,
Ich lächelte, grad so wie Du gelächelt,
Fritz Katzfuß, Du mein Ideal, mein Vorbild.
Der Band von Goethe gab mir Kraft und Leben,
Vielleicht auch Dünkel … All genau dasselbe,
Nur andres Haar und – keine Sommersprossen.
Rothaarig, sommersprossig, etwas faul
Und stand in Lehre bei der Wittwe Marzahn,
Die geizig war und einen Laden hatte,
Drin Hering, Schlagwurst, Datteln, Schweizerkäse,
Sammt Pumpernickel, Lachs und Apfelsinen
Ein friedlich Dasein mit einander führten.
Und auf der hohen, etwas schmalen Leiter,
Mit ihren halb schon weggetret’nen Sprossen,
Sprang unser Katzfuß, wenn die Mädchen kamen,
Und Soda, Waschblau, Gries, Korinthen wollten,
Geschäftig hin und her.
Ja, sprang er wirklich?
Die Wahrheit zu gestehn, das war die Frage.
Die Mädchen, deren Schatz oft draußen paßte,
Vermeinten ganz im Gegentheil, „er nöle,“
Sei wie verbiestert und durchaus kein „Katzfuß“.
Im Laden, wenn Frau Marzahn auf ihn passe,
Da ging’ es noch, wenn auch nicht grad’ aufs Beste,
Das Schlimme käm’ erst, wenn er wegen Selter-
Und Sodawasser in den Keller müsse,
Das sei dann manchmal gradzu zum Verzweifeln,
Und wär’ er nicht solch herzensguter Junge,
Der nie was sage, nie zu wenig gebe,
Ja, meistens, daß die Wagschal’ überklappe,
So wär’s nicht zu beleben.
Und nicht besser
Klang, was die Herrin selber von ihm sagte,
Die Wittwe Marzahn. „Wo der dumme Junge
Nur immer steckt? Hier vorne muß er flink sein,
Doch soll er über’n Hof und auf den Boden,
So dauert’s ewig, und ist gar Geburtstag
Von Kaiser Wilhelm oder Sedanfeier
Und soll der Stock ’raus mit der preuß’schen Fahne
(Mein selger Marzahn war nicht für die deutsche),
Fritz darf nicht ’rauf, – denn bis Dreiviertelstunden
Ist ihm das Mind’ste.“
So sprach Wittwe Marzahn
Und kurz und gut, Fritz Katzfuß war ein Räthsel,
Und nur das Eine war noch räthselvoller,
Daß, wie’s auch drohn und donnerwettern mochte,
Ja, selbst wenn Blitz und Schlag zusammenfielen,
Daß Fritz nie maulte, greinte, wüthend wurde;
Nein, unverändert blieb sein stilles Lächeln
Und schien zu sagen: „Arme Kreaturen,
Ihr glaubt mich dumm, ich bin der Ueberlegne.
Kramladenlehrling! Eure Welt ist Kram,
Und wenn ihr Waschblau fordert oder Stärke,
Blaut zu, so viel ihr wollt. Mein Blau der Himmel.“
So ging die Zeit und Fritz war wohl schon siebzehn;
Ein Oxhoft Apfelwein war angekommen
Und lag im Hof. Von da sollt’s in den Keller.
Fritz schlang ein Tau herum und weil die Hitze
Groß war und drückend, was er wenig liebte,
So warf er seinen Shirting-Rock bei Seite,
Nicht recht geschickt, so daß der Kragenhängsel
Nach unten hing. Und aus der Vordertasche
Glitt was heraus und fiel zur Erde. Lautlos.
Fritz merkt’ es nicht. Die Wittwe Marzahn aber
Schlich sich heran und nahm ein Buch (das war es)
Vom Boden auf und sah hinein: „Gedichte.
Gedichte, 1. Theil, von Wolfgang Goethe.“
Zerlesen war’s und schlecht und abgestoßen
Und Zeichen eingelegt: ein Endchen Strippe.
Briefmarkenränder, und als dritt’ und letztes
(Zu glauben kaum), ein Streifen Schlagwurstpelle,
Die Seiten links und rechts befleckt, befettet,
Und oben stand, nun was? stand „Mignonlieder“,
Und Wittwe Marzahn las: „Dahin, dahin
Möcht’ ich mit Dir, o mein Geliebter, ziehn.“
Nun war es klar. Um so ’was träg und langsam,
Um Goethe, Verse, Mignon.
Armer Lehrling,
Ich weiß Dein Schicksal nicht, nur eines weiß ich:
Wie Dir die Lehrzeit hinging bei Frau Marzahn,
Ging mir das Leben hin. Ein Band von Goethe
Blieb mir bis heut mein bestes Wehr und Waffen,
Und wenn die Wittwe Marzahns mich gepeinigt,
Und dumme Dinger, die nach Waschblau kamen,
Mich langsam fanden, kicherten und lachten,
Ich lächelte, grad so wie Du gelächelt,
Fritz Katzfuß, Du mein Ideal, mein Vorbild.
Der Band von Goethe gab mir Kraft und Leben,
Vielleicht auch Dünkel … All genau dasselbe,
Nur andres Haar und – keine Sommersprossen.