8 Dezember 2015 | |
Laßt das Wort uns geben heute,
Uns vom Trunke zu entwöhnen;
Ziemt sich’s für gesetzte Leute,
Wüster Völlerei zu fröhnen?
Nein, es ziemt sich Sittsamkeit.
Gutes Beispiel will ich geben:
Mäßigung und Mäßigkeit! –
Stoßet an, sie sollen leben!
Mäßigung und Mäßigkeit! Maß! Maß!
Leert darauf das volle Glas!
Seht, ein Glas ist Gottes Gabe,
Und das zweite stimmt uns lyrisch;
Wenn ich gegen drei nichts habe,
Machen viele doch uns tierisch;
Trinket mehr nicht als genung!
Und mein Lied will ich euch singen:
Mäßigkeit und Mäßigung!
Laßt die vollen Gläser klingen! –
Mäßigkeit und Mäßigung! Maß! Maß!
Leert darauf das volle Glas!
Nüchtern bin ich, – Wein her! Wein her! –
Immer nüchtern, das versteht sich. –
Nur das Haus, der Boden, – Nein, Herr,
Nicht betrunken! – Wie doch dreht sich
Alles so um mich im Schwung?
Laß mich, Kellner, laß mich liegen!
Mäßigkeit und Mäßigung!
Heute muß die Tugend siegen!
Mäßigkeit und Mäßigung! Maß! Maß!
Noch ein Glas – so – noch ein Glas!
Textdichter | Adelbert von Chamisso | |
Lesung | Harry Rowohlt | |
Bereitstellung | wortlover |
18 August 2012 | |
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Pech (0:32)
Adelbert von Chamisso (1781 – 1838)
Wahrlich, aus mir hätte vieles
Werden können in der Welt,
Hätte tückisch nicht mein Schicksal
Sich mir in den Weg gestellt.
Hoher Ruhm war zu erwerben,
Wenn die Waffen ich erkor.
Mich den Kugeln preiszugeben,
War ich aber nicht der Tor.
Um der Musen Gunst zu buhlen,
War ich wenig nur entfernt.
Ein Gelehrter wär ich worden,
Hätt ich lesen nur gelernt.
Bei den Frauen, ohne Zweifel,
Hätt ich noch mein Glück gemacht.
Hätten sie mich allerorten
Nicht unmenschlich ausgelacht.
Über einen Staat zu herrschen,
War vor allem ich der Mann.
Meine Gaben und Talente
Wiesen diesen Platz mir an.
König hätt ich werden sollen,
Der hoch über Fürsten ragt.
Doch mein Vater war ein Bürger,
Und das ist genug gesagt.
Wahrlich, aus mir hätte vieles
Werden können in der Welt,
Hätte tückisch nicht mein Schicksal
Sich mir in den Weg gestellt.
Recht empfindsam (4:01)
Adelbert von Chamisso (1781 – 1838)
Meine teuren Eltern, habt Erbarmen,
Lasst mein Leid erweichen euren Sinn!
Nehm ich diesen Mann, in seinen Armen
Welkt ich zarte Blume bald dahin!
Mutter, sieh, wie sie sich zieret!
Hör, du dumme Trine du,
Einen Mann sollst du bekommen,
Greif mit beiden Händen zu!
Rauher Wirklichkeit nur wird er fröhnen.
Ohne Zartheit, ohne Poesie.
Ungebildet, wird er mich nur höhnen,
Mich verstehen wird er nie!
Mutter, die verfluchten Bücher
Sinds die ihr den Kopf verdrehn.
Waren wir denn je gebildet?
Konnten wir uns je verstehn?
Wo die Herzen fremd geblieben,
Knüpft ihr nicht ein ewig Band.
Kann nicht achten ihn noch lieben,
Nie erhält er meine Hand.
Mutter, hör die dumme Trine!
Hör doch, was es Neues gibt!
Haben wir uns je geachtet?
Haben wir uns je geliebt?
Lieber in ein Kloster fliehen,
Oder in ein frühes Grab.
Dieser Schmach mich zu entziehen,
In die Flut stürz ich hinab!
Hast du endlich ausgeredet?
Gut, du bleibst mir heut zu Haus!
Hältst dein Maul und nimmst den Bengel!
Punktum, und das Lied ist aus.
Der rechte Barbier (6:05)
Adelbert von Chamisso (1781 – 1838)
»Und soll ich nach Philister Art
Mir Kinn und Wange putzen,
So will ich meinen langen Bart
Den letzten Tag noch nutzen.
Ja, ärgerlich, wie ich nun bin,
Vor meinem Groll, vor meinem Kinn,
Soll mancher noch erzittern!
Holla! Herr Wirt, mein Pferd! Macht fort!
Ihm wird der Hafer frommen.
Habt ihr Barbierer hier im Ort?
Lasst gleich den rechten kommen.
Waldaus, waldein, verfluchtes Land!
Ich ritt die Kreuz und Quer und fand
Doch nirgends noch den rechten.
Tritt her, Bartputzer, aufgeschaut!
Du sollst den Bart mir kratzen.
Doch kitzlig sehr ist meine Haut,
Ich biete hundert Batzen.
Nur, machst du nicht die Sache gut,
Und fließt ein einzges Tröpflein Blut –
Fährt dir mein Dolch ins Herze.«
Das spitze, kalte Eisen sah
Man auf dem Tische blitzen,
Und dem verwünschten Ding gar nah
Auf seinem Schemel sitzen
Den grimmgen, schwarzbehaarten Mann
Im schwarzen, kurzen Wams, woran
Noch schwärzre Troddeln hingen.
Dem Meister wirds zu grausig fast,
Er will die Messer wetzen.
Er sieht den Dolch, er sieht den Gast,
Es packt ihn das Entsetzen.
Er zittert wie das Espenlaub.
Er macht sich plötzlich aus dem Staub
Und sendet den Gesellen.
»Einhundert Batzen mein Gebot,
Falls du die Kunst besitzest.
Doch, merk es dir, dich stech ich tot,
So du die Haut mir ritzest.«
Und der Gesell: »Den Teufel auch!
Das ist des Landes nicht der Brauch.«
Er läuft und schickt den Jungen.
»Bist du der rechte, kleiner Molch?
Frischauf! Fang an zu schaben.
Hier ist das Geld, hier ist der Dolch,
Das beides ist zu haben!
Doch schneidest, ritzest du mich bloß,
So geb ich dir den Gnadenstoß.
Du wärest nicht der Erste!«
Der Junge denkt der Batzen, druckst
Nicht lang und ruft verwegen:
»Nur still gesessen! Nicht gemuckst!
Gott geb euch seinen Segen!«
Er seift ihn ein ganz unverdutzt,
Er wetzt, er stutzt, er kratzt, er putzt:
»Gottlob, nun seid ihr fertig.« –
»Nimm, kleiner Knirps, dein Geld nur hin.
Du bist ein wahrer Teufel!
Kein andrer mochte den Gewinn,
Du hegtest keinen Zweifel.
Es kam das Zittern dich nicht an,
Und wenn ein Tröpflein Blutes rann,
So stach ich dich doch nieder.« –
»Ei! guter Herr, so stand es nicht.
Ich hielt euch an der Kehle.
Verzucktet ihr nur das Gesicht,
Und ging der Schnitt mir fehle,
So ließ ich euch dazu nicht Zeit.
Entschlossen war ich und bereit,
Die Kehl euch abzuschneiden.« –
»So, so! ein ganz verwünschter Spaß!«
Dem Herrn wards unbehäglich.
Er wurd auf einmal leichenblass
Und zitterte nachträglich:
»So, so! das hat ich nicht bedacht,
Doch hat es Gott noch gut gemacht.
Ich wills mir aber merken.«
Die alte Waschfrau (x:xx)
Adelbert von Chamisso (1781 – 1838)
Du siehst geschäftig bei dem Linnen
Die Alte dort in weißem Haar,
Die rüstigste der Wäscherinnen
Im sechsundsiebenzigsten Jahr.
So hat sie stets mit sauerm Schweiß
Ihr Brot in Ehr und Zucht gegessen,
Und ausgefüllt mit treuem Fleiß
Den Kreis, den Gott ihr zugemessen.
Sie hat in ihren jungen Tagen
Geliebt, gehofft und sich vermählt.
Sie hat des Weibes Los getragen.
Die Sorgen haben nicht gefehlt.
Sie hat den kranken Mann gepflegt.
Sie hat drei Kinder ihm geboren.
Sie hat ihn in das Grab gelegt
Und Glaub und Hoffnung nicht verloren.
Da galts die Kinder zu ernähren.
Sie griff es an mit heiterm Mut.
Sie zog sie auf in Zucht und Ehren.
Der Fleiß, die Ordnung sind ihr Gut.
Doch ihre Kinder wurden groß und bald
Entließ sie segnend ihre Lieben.
So stand sie nun allein und alt,
Doch war ihr heitrer Mut geblieben.
Sie hat gespart und hat gesonnen
Und Flachs gekauft und nachts gewacht.
Den Flachs zu feinem Garn gesponnen,
Das Garn dem Weber hingebracht.
Der hats gewebt zu Leinewand.
Die Schere brauchte sie, die Nadel
Und nähte sich mit eigner Hand
Ihr Sterbehemde ohne Tadel.
Ihr Hemd, ihr Sterbehemd, sie schätzt es,
Verwahrts im Schrein am Ehrenplatz.
Es ist ihr Erstes und ihr Letztes,
Ihr Kleinod, ihr ersparter Schatz.
Sie legt es an, des Herren Wort
Am Sonntag früh sich einzuprägen.
Dann legt sies wohlgefällig fort,
Bis einst darin zur Ruh sie legen.
Und ich, an meinem Abend, wollte,
Ich hätte, diesem Weibe gleich,
Erfüllt, was ich erfüllen sollte
In meinen Grenzen und Bereich.
Ich wollt, ich hätte so gewusst
Am Kelch des Lebens mich zu laben,
Und könnt am Ende gleiche Lust
An meinem Sterbehemde haben.
7 April 2012 | |
https://www.youtube.com/watch?v=dmvYcSmbpY0
Seit ich ihn gesehen,
Glaub ich blind zu sein;
Wo ich hin nur blicke,
Seh ich ihn allein;
Wie im wachen Traume
Schwebt sein Bild mir vor,
Taucht aus tiefstem Dunkel,
Heller nur empor.
Sonst ist licht – und farblos
Alles um mich her,
Nach der Schwestern Spiele
Nicht begehr ich mehr,
Möchte lieber weinen,
Still im Kämmerlein;
Seit ich ihn gesehen,
Glaub ich blind zu sein.
Text | Adelbert von Chamisso | |
Lesung | Ulrike Grothe | |
Bereitstellung | wortlover |