Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

4 
 Mai 
 
2018


 

DICHTUNG Wolfgang Borchert
LESUNG Florian Friedrich
BEREITSTELLUNG Florian Friedrich



Auf dem Nachhausewege 1945

Die Apfelblüten tun sich langsam zu
beim Abendvers der süßen Vogelkehle.
Die Frösche sammeln sich am Fuß des Stegs.
Die Biene summt den Tag zur Ruh –
nur meine Seele
ist noch unterwegs.

Die Straße sehnt sich nach der nahen Stadt,
wo in der Nacht das Leben weiterglimmt,
weil hier noch Herzen schlagen.
Wer jetzt noch kein Zuhause hat,
wenn ihn die Nacht gefangen nimmt,
der muss noch lange fragen:
Warum die Blumen leidlos sind –
warum die Vögel niemals weinen –
und ob der Mond wohl auch so müde ist –

Und dann erbarmt sich leis ein Wind des einen,
bis er –im Schlaf– die Welt vergisst.

 
 
29 
 Dezember 
 
2017


 

DICHTUNG Wolfgang Borchert
LESUNG Fritz Stavenhagen
BEREITSTELLUNG wortlover


Großstadt

Die Göttin Großstadt hat uns ausgespuckt
in dieses wüste Meer von Stein.
Wir haben ihren Atem eingeschluckt,
dann ließ sie uns allein.

Die Hure Großstadt hat uns zugeplinkt –
an ihren weichen und verderbten Armen
sind wir durch Lust und Leid gehinkt
und wollten kein erbarmen.

Die Mutter Großstadt ist und mild und groß –
und wenn wir leer und müde sind,
nimmt sie uns in den grauen Schoß –
und ewig orgelt über uns der Wind!