Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

10 
 Juni 
 
2017


 

Ich hätte einen „Schuss“, so sagte man, sei komisch, zu sehr verkopft, der sich meist selbst im Wege stehe.

Nun, so sei es: [sic!]
Interpunktionell richtig gelesen: ein Doppelpunkt (für meine weiteren Anmerkungen).

Denn egal auch, welche Position ich einnehme:

[1]
Verneine ich die Auffassung meiner sozialen Umwelt mit den Worten „Man versteht mich nur nicht und gebe sich auch nicht annähernd die Mühe, mich zu versehen“, müsste ich mich dem Gelächter aussetzen, ich würde als „unentdecktes Genie“ mich posen.

[2]
Würde ich der Meinung meiner Mitmenschen allerdings beipflichten, so müsste ich mich selbst verneinen.

Ich werde daher weder das eine noch das andere tun, sondern still mich ergeben, nur dem „inneren Führer“ (Hesse) folgen.

So sei es. [sic!] Nun setze ich den (Schluss-)Punkt.

Der alte Narr

    Ein Künstler auf dem hohen Seil,
    Der alt geworden mittlerweil,
    Stieg eines Tages vom Gerüst
    Und sprach: Nun will ich unten bleiben
    Und nur noch Hausgymnastik treiben,
    Was zur Verdauung nötig ist.
    Da riefen alle: »O wie schad!
    Der Meister scheint doch allnachgrad
    Zu schwach und steif zum Seilbesteigen!«
    Ha! denkt er. Dieses wird sich zeigen!
    Und richtig, eh der Markt geschlossen,
    Treibt er aufs neu die alten Possen
    Hoch in die Luft, und zwar mit Glück,
    Bis auf ein kleines Mißgeschick.
    Er fiel herab in großer Eile
    Und knickte sich die Wirbelsäule.
    »Der alte Narr! Jetzt bleibt er krumm!«
    So äußert sich das Publikum.

 

Textdichter Wilhelm Busch
Lesung Florian Friedrich

 
 
20 
 April 
 
2012

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Ein dicker Sack voll Weizen stand
Auf einem Speicher an der Wand. –
Da kam das schlaue Volk der Mäuse
Und pfiff ihn an in dieser Weise:

„Oh, du da in der Ecke,
Großmächtigster der Säcke!
Du bist ja der Gescheitste,
Der dickste und der Breitste!
Respekt und Referenz
Vor eurer Exzellenz!“

Mit innigem Behagen hört
Der Sack, daß man ihn so verehrt.
Ein Mäuslein hat ihm unterdessen
Ganz unbemerkt ein Loch gefressen.
Es rinnt das Korn in leisem Lauf.
Die Mäuse knuspern’s emsig auf.
Schon wird er faltig, krumm und matt.
Die Mäuse werden fett und glatt.
Zuletzt, man kennt ihn kaum noch mehr,
Ist er kaputt und hohl und leer.
Erst ziehn sie ihn von seinem Thron;
Ein jedes Mäuslein spricht ihm hohn;
Und jedes, wie es geht, so spricht’s:
„Empfehle mich, Herr Habenichts!“

 

Dichtung Wilhelm Busch
Lesung Erich Ponto
Bereitstellung PythiasBest

 
 
6 
 April 
 
2012


 

Sehr häufig traf Studiosus Döppe
Paulinen auf des Hauses Treppe,
Wenn sie als Witwe tugendsam
Des Morgens aus der Stube kam.

Da sie Besitzerin vom Haus,
So sprach sich Döppe schließlich aus
Und bat mit Liebe und Empfindung
Um eine dauernde Verbindung.

„Herr Döppe”, sprach Pauline kühl,
„Ich ehr und achte Ihr Gefühl,
Doch dies Gepolter auf der Treppe
Fast jede Nacht ist bös, Herr Döppe!”

Worauf denn Döppe fest beschwor,
Die Sache käme nicht mehr vor.

Dies Schwören sollte wenig nützen.
Nachts hat er wieder einen sitzen.
Er kommt nach Haus in später Stund
Mit Pfeife, Rausch und Pudelhund.
Behutsam zieht er auf dem Gang
Die Stiefel aus, die schwer und lang,
Um auf den Socken, auf den weichen,
Geräuschlos sich emporzuschleichen.
Fast ist er schon dem Gipfel nah
Und denkt, der letzte Tritt ist da.

Dies denkt er aber ohne Grund.
Die Pfeife bohrt sich in den Schlund.
Die alte Treppe knackt und knirrt,
Die Pfeife löst sich auf und klirrt,
Erschrecklich tönt der Stiefel Krach,
Dumpf rumpelt Döppe hinten nach.

Der Pudel heult und ist verletzt,
Weil Döppe seinen Schwanz besetzt.
Pauline kommt mit Kerzenlicht.

Beschämt verbirgt er sein Gesicht.
Man hört nichts weiter von Paulinen,
Als: „Döppe, ich verachte Ihnen!”

 

Dichtung Wilhelm Busch
Lesung Frank Arnold
Bereitstellung wortlover