Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

10 
 Juni 
 
2012

Schlagwörter

0

 
Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

Tausend Dank an Lutz Görner für die Einstellung auf YouTube!
Eventuelle Kommentare zum Video-Clip bitte direkt auf YouTube!

 

 
Sehr lange her ist es gewesen (0:24)
Alexander Sergejewitsch Puschkin (1799 – 1837)

Sehr lange her ist es gewesen,
Da tanzten wir in diesem Saal.
Doch dann entflogst du Wunderwesen,
Der reinen Schönheit Ideal.

Im schmerzlich hoffnungslosen Sehnen,
Im ewgen Lärm der Menschenschar,
Hört deine süße Stimm ich tönen,
Träumt ich dein mildes Augenpaar.

Allein, im Kampf mit dem Geschicke
Und in der Jahre düsterm Gang
Vergaß ich deine Engelsblicke
Und deiner süßen Stimme Klang.

Denn lange Jahre war verbannt ich.
Es war die Brust mir stumm und leer.
Für keine Gottheit mehr entbrannt ich.
Nicht weint ich, lebt ich, liebt ich mehr.

Es darf die Seele nun genesen.
Denn du erscheinst zum zweitenmal,
Ein rasch entfliegend Wunderwesen,
Der reinen Schönheit Ideal.

Und wieder schlägt das Herz voll Weihe.
Sein Todesschlummer ist vorbei.
Für eine Gottheit glühts aufs neue.
Es lebt, es weint, es liebt aufs neu.

 

 
Gnädiges Fräulein, ich fuhr neulich (2:20)
Alexander Sergejewitsch Puschkin (1799 – 1837)

Gnädiges Fräulein, ich fuhr neulich
An ihrem Haus vorüber, Sie verzeihn.
Nun, ich hatte es sehr eilig,
Kehrte nicht bei Ihnen ein.
Hatte Angst vor Ihren schönen,
Blauen Augen allzu sehr.

Ich, den längst Vampir schon nennen,
Alle im Distrikt von Twer,
Fürchtete, es könnt geschehen,
Dass ich falle auf die Knie.
Und so glaubt ich, durch mein Flehen
Störe und schockier ich Sie.

Im Gedächtnis wird inzwischen
Sich vielleicht zu meinem Leid
Ihrer Schönheit Bild verwischen.
Durch des Tags Geschäftigkeit.
Aber nein! Nichts kann zerstören
Die Erinnerung an Sie.

Weiterhin werd ich verehren
Ihres Wesens Harmonie.
Kommt es anders, werd einstweilen
Anderswo ich trösten mich,
Doch zu Ihnen werd ich eilen
Ein Jahr später sicherlich.

 

 
Was tut man auf dem Land an trüben Wintertagen (3:47)
Alexander Sergejewitsch Puschkin (1799 – 1837)

Was tut man auf dem Land an trüben Wintertagen?
Als erstes wird man früh beim Tee den Diener fragen:
»Wie wird das Wetter heut? Gabs Neuschnee? Ists sehr kalt?«
Ich greif zu einem Buch, doch lesen kann ich nicht.
Was macht mich so zerstreut? – Ich leg das Buch beiseite.
Zur Feder greife ich, doch nichts gelingt mir heute.
Die Muse döst wie ich, umsonst beschwör ich sie,
Wirr reihn die Worte sich und ohne Melodie …
Mein treuer Diener selbst, der Reim, will mir nicht dienen,
So dass die Verse blass wie Nebelschwaden rinnen.
Verzweifelt stelle ich den Kampf mit ihnen ein.
Die Köchin lärmt und schreit! Ich geh zu ihr hinein.
Man macht ums Rübenkochen, das Silberzeug, sich Sorgen,
Vom Wetter spricht man und, obs Schneesturm gibt auch morgen.
Ja, ja, so interessant ists hier an trüben Wintertagen.

Doch welche Sensation, wenn plötzlich mal ein Wagen,
Ein Reiseschlitten vor dem Tor des Hofs sich zeigt,
Und eine Dame mit zwei hübschen Töchtern daraus steigt.
Wie kann sich dann – gefügt durch Gottes Willen –
Das ganze öde Haus sogleich mit Leben füllen!
Mit Blicken fängt es an, anfangs versteckt und scheu,
Und Worte folgen drauf, Gespräche, bald ganz frei.
Gemeinsamer Gesang, des Abends dann Gesellschaftsspiele,
Bis durch den Tanz sich lockern die Gefühle.
Die Worte werden kühn, Begier verrät der Blick,
Trifft man die Holde unverhofft auf schmalen Treppenstieg.
Wenns dunkelt, sieht man sie erregt von Lustgefühlen
Wohl unterm Vordach stehn, die heiße Stirn zu kühlen.
Die halbentblößte Brust gibt sie dem Schneesturm preis.
Der Frost macht ihr nichts aus, ihr Kuss brennt doppelt heiß!
Wie frisch sind Russlands Fraun, vom Schneestaub weiß gepudert!

 

 
Liebeserklärung an seine Frau (7:02)
Alexander Sergejewitsch Puschkin (1799 – 1837)

Fürwahr, ich bin kein Freund von stürmischen Genüssen,
Von Zügellosigkeit und hemmungslosen Küssen.
Mag die Bacchantin nicht, die sich mit brünst’gem Schrei
Wie eine Schlange krümmt in wilder Raserei,
Sich selbst nur steigern will mit krampfhaftem Bemühen,
In letzten Zuckungen der Wollust zu erglühen.

Ach, wie viel lieber ist doch deine Sanftheit mir!
Welch schmerzlich-tiefe Lust empfind ich stets bei dir,
Wenn ich nach langem Flehn mich über dich darf neigen,
Und du dich ohne Rausch mir zögernd gibst zu eigen.

Wie sehr beglückt mich stets deine Verhaltenheit!
Stumm, schamhaft nimmst du hin all meine Zärtlichkeit,
Wirst lebhaft ohne Hast, pflegst nichts zu übereilen,
Um im Zusammenklang das Glück mit mir zu teilen.

 
 
10 
 Juni 
 

Schlagwörter

2

 
Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

Tausend Dank an Lutz Görner für die Einstellung auf YouTube!
Eventuelle Kommentare zum Video-Clip bitte direkt auf YouTube!

 

 
Du und ich (1:20)
Alexander Sergejewitsch Puschkin (1799 – 1837)

Du bist reich und dick und mächtig,
Rosig strahlend wie der Mohn.
Ich, ein armer Musensohn,
Ich bin totenblass und schmächtig.

Sorgen plagten dich noch nie,
Prunkst in einem prächtgen Hause.
Ich in meiner dürftgen Klause
Wälz auf Stroh mich wie ein Vieh.

Dir setzt man die feinsten Sachen
Und den besten Wein vors Maul.
Bist danach oft selbst zu faul,
Zum Abort nen Schritt zu machen.

Ich, ich darf nur Wasser saufen,
Trocknes Brot steht mir nur zu,
Habs dann nicht so nah wie du,
Hundert Schritte muss ich laufen!

Glaub nicht, dass ich dich beneide!
Diener stehn bei dir herum,
Und du blickst dich böse um,
Wischst du dir den Arsch mit Seide.

Ich, ich pfleg mein sündig Loch
Nicht nach dieser noblen Mode.
Schneid Grimassen zwar, jedoch
Mach ichs mit ner Chwostow-Ode.

 

 
Exegi monumentum (5:11)
Alexander Sergejewitsch Puschkin (1799 – 1837)

Ein Denkmal baut ich mir, wie Hände keins erheben,
Des Volkes Pfad zu ihm wächst niemals zu. Es wagt,
Unbändgen Hauptes, höher himmelan zu streben,
Als Alexanders Säule ragt.

Nein, ganz vergeh ich nicht – im heilgen Klang der Saiten
Lebt unverweslich, wenn der Leib zerfiel, mein Geist –
Lebendig werd ich sein, solang auf Erdenbreiten
Man einen einzgen Dichter preist.

So weit sich Russland dehnt, kennt jeder meine Muse.
Es kennt mich jedes Volk, das unser Reich umspannt:
Die Slawen allesamt, der Finne, der Tunguse
Und der Kalmück am Steppenrand.

Und lang werden sie liebend mich im Herzen tragen,
Weil Edles ich erweckt mit meiner Leier Klang,
Weil ich die Freiheit pries in unsern strengen Tagen
Und Nachsicht mit den Opfern sang.

 

 
Sendschreiben nach Sibirien (7:50)
Alexander Sergejewitsch Puschkin (1799 – 1837)

Tief in Sibiriens Bergwerk sollt
Ihr Verbannten euer schweres Schicksal tragen.
Doch wir vergessen nicht, was ihr gewollt,
Nicht eures Geistes hohes Wagen.

Durch all die festen Türen dringt
Die Lieb und Freundschaft treuer Seelen,
So wie in eure Marterhöhlen
Jetzt meine freie Stimme klingt.

Die Fesseln werden fallen Stück für Stück.
Die Mauern werden brechen. Freies Leben
Begrüßt euch freudig, und wir geben
Euch Brüdern dann das Schwert zurück.