25 August 2012 |
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DICHTUNG | Paul Celan | |
LESUNG | Paul Celan | |
BEREITSTELLUNG | paulantschell |
Stimmen, ins Grün
der Wasserfläche geritzt.
Wenn der Eisvogel taucht,
sirrt die Sekunde:
Was zu dir stand
an jedem der Ufer,
es tritt
gemäht in ein anderes Bild.
*
Stimmen vom Nesselweg her:
Komm auf den Händen zu uns.
Wer mit der Lampe allein ist,
hat nur die Hand, draus zu lesen.
*
Stimmen, nachtdurchwachsen, Stränge,
an die du die Glocke hängst.
Wölbe dich, Welt:
Wenn die Totenmuschel heranschwimmt,
will es hier läuten.
*
Stimmen, vor denen dein Herz
ins Herz deiner Mutter zurückweicht.
Stimmen vom Galgenbaum her,
wo Spätholz und Frühholz die Ringe
tauschen und tauschen.
*
Stimmen, kehlig, im Grus,
darin auch Unendliches schaufelt,
(herz-)
schleimiges Rinnsal.
Setz hier die Boote aus, Kind,
die ich bemannte:
Wenn mittschiffs die Bö sich ins Recht setzt,
treten die Klammern zusammen.
*
Jakobsstimme:
Die Tränen.
Die Tränen im Bruderaug.
Eine blieb hängen, wuchs.
Wir wohnen darin.
Atme, daß
sie sich löse.
*
Stimmen im Innern der Arche:
Es sind
nur die Münder
geborgen. Ihr
Sinkenden, hört
auch uns.
*
Keine
Stimme – ein
Spätgeräusch, stundenfremd, deinen
Gedanken geschenkt, hier, endlich
herbeigewacht: ein
Fruchtblatt, augengroß, tief
geritzt; es
harzt, will nicht
vernarben.