Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

19 
 Juni 
 
2011


 

Die Verschwörung des Fiesco zu Genua
 
Ein republikanisches Trauerspiel
von Friedrich Schiller

ein Auszug


Fiesco (der sich niedersetzt)
Genueser – Das Reich der Thiere kam einst in bürgerliche Gährung, Parteien schlugen mit Parteien, und ein Fleischerhund bemächtigte sich des Throns. Dieser, gewohnt, das Schlachtvieh an das Messer zu hetzen, hauste hündisch im Reich, klaffte, biß und nagte die Knochen seines Volks. Die Nation murrte, die Kühnsten traten zusammen und erwürgten den fürstlichen Bullen. Jetzt ward ein Reichstag gehalten, die große Frage zu entscheiden, welche Regierung die glücklichste sei? Die Stimmen theilten sich dreifach. Genueser, für welche hättet ihr entschieden?

Erster Bürger
Fürs Volk. Alle fürs Volk.

Fiesco
Das Volk gewann’s. Die Regierung ward demokratisch. Jeder Bürger gab seine Stimme. Mehrheit setzte durch. Wenige Wochen vergingen, so kündigte der Mensch dem neugebackenen Freistaat den Krieg an. Das Reich kam zusammen. Roß, Löwe, Tiger, Bär, Elephant und Rhinoceros traten auf und brüllten laut zu den Waffen! Jetzt kam die Reih’ an die Uebrigen. Lamm, Hase, Hirsch, Esel, das ganze Reich der Insecten, der Vögel, der Fische ganzes menschenscheues Heer – alle traten dazwischen und wimmerten: Friede. Seht, Genueser! Der Feigen waren mehr, denn der Streitbaren, der Dummen mehr, denn der Klugen – Mehrheit setzte durch. Das Thierreich streckte die Waffen, und der Mensch brandschatzte sein Gebiet. Dieses Staatssystem ward also verworfen. Genueser, wozu wäret ihr jetzt geneigt gewesen?

Erster und Zweiter
Zum Ausschuß! Freilich zum Ausschuß!

Fiesco
Diese Meinung gefiel! Die Staatsgeschäfte theilten sich in mehrere Kammern. Wölfe besorgten die Finanzen, Füchse waren ihre Secretäre. Tauben führten das Criminalgericht, Tiger die gütlichen Vergleiche, Böcke schlichteten Heirathsprocesse. Soldaten waren die Hasen; Löwen und Elephant blieben bei der Bagage; der Esel war Gesandter des Reichs, und der Maulwurf Oberaufseher über die Verwaltung der Aemter. Genueser, was hofft ihr von dieser weisen Vertheilung? Wen der Wolf nicht zerriß, den prellte der Fuchs. Wer diesem entrann, den tölpelte der Esel nieder. Tiger erwürgten die Unschuld; Diebe und Mörder begnadigte die Taube, und am Ende, wenn die Aemter niedergelegt wurden, fand sie der Maulwurf alle unsträflich verwaltet – Die Thiere empörten sich. Laßt uns einen Monarchen wählen, riefen sie einstimmig, der Klauen und Hirn und nur einen Magen hat – und einem Oberhaupt huldigten alle – einem, Genueser – aber (indem er mit Hoheit unter sie tritt) es war der Löwe.

 
 
28 
 Dezember 
 
2007


 

Nach mehrmaliger Umarbeitung/Glättung liegt nun mein kleines Theaterstück „Die göttliche Audienz“ vor.

Das Theaterstück kann im PDF-Format hier heruntergeladen werden.

 

Zum Inhalt:

Helios, der Sonnengott, hat es wieder einmal vermasselt.
Die dürstenden Rosse seines Sonnenwagens rasteten zu lange an einer Gebirgsquelle.
Dadurch hinkte sein Pferdegespann dem Zeitplan hinterher und Helios konnte innerhalb seines Tagesritts nicht alle Gegenden bescheinen.

Die Folgen waren verheerend: Ernteausfall im Pflanzenreich.
Empört legt der Apfelbaum, Gesandter des Pflanzenreichs, bei Zeus Beschwerde ein und erfleht mehr Sonnenschein.

Indes ist auch der Löwe, Regent der Savannen, missgestimmt:
Durch das Rasten der Sonnenpferde an eben dieser Quelle ward das umliegende Land der prallen Sonne ausgesetzt und rief eine Dürre hervor.
Der Löwe ersehnt sich daher für sein Volk schattiges Gefilde und lindernden Regenguss aus Himmelshöhn.

Widerstreit entflammt.
Zeus muss schlichten, er muss die Parteien besänftigen, will er den Frieden auf Erden wahren.

Wenn da nicht auch der Landsmann mit seinem Anliegen noch wäre…



 

 
 
4 
 Dezember 
 
2000


 

Der himmlische Reichstag
Der demokratische Schleiermantel verkappter Monarchie

Alljährlich, wenn das schillernde Nordlicht in farbenprächtigem Gewande am nächtlichen Polarhimmel streift, wird über der Antarktis im wolkenerbauten Spiegelsaal ein Reichstag einberufen, auf dem irdische Vertreter ihre drückenden Belange dem HERRN vortragen.

Die göttliche Audienz
Der HERR selbst als weiser Rechtssprecher
Ein Engel als Schreiber dienend
Die Sonne, während einer Sonnenfinsternis ihres Himmelslaufes der Erde abkömmlich
Die Vier Elemente,
     das Wasser in Gestalt einer Regenwolke
     die Luft vertretend in den vier Winden
     die Erde als fruchtbare Ackerscholle
     das Feuer, abwesend durch Rodungsbrände des tropischen Regenwaldes
Ein Apfelbaum, als Gesandter des Pflanzenreiches
Ein Löwe, der Regent der Tierwelt
Ein Bauer, Sprachrohr der niederen Menschenklassen

Der HERR begrüßt die Geladenen,

1.) Der Apfelbaum dankt der Ackerscholle und dem günstigen Standort am Flußufer, klagt aber über die spärliche Herbstsonne, die die Ertragskraft stark minderte.
Ein Sonnendach wird dem Apfelbaum durch den HERRN zuteil.

2.) Zugleich Einspruch von Seiten des Löwen, der sich über eine langandauernde Dürreperiode in der Steppe seines Königreiches empört und Regen erbittet anstatt die sengende Glut noch weiter walten zu lassen.
Die Bitte richtet der HERR an die Regenwolke weiter, sie möge sich doch mit seinesgleichen zu einer Gewitterfront sich vereinen und die Wüstenregion lebensverheißend schwemmen.

3.) Prompt springt der Bauer auf, der durch mächtige Regengüsse seine Weizenernte verloren hatte, Frau und Kinder aber ernähren müsse.
Der HERR zürnt zunächst dem Raumordner, die dem Bauern Einlaß gewährte und stellt den Bauern selbst zur erklärenden Rede.
König und Fürsten – so entschuldigt sich der Bauer – seien durch prunkvolle Hofbälle und Treibjagden verhindert und berufend auf das Große Abendmahl ( Mt, 22, 1-10 ) sei er erschienen.
Der HERR stimmt dem eigenmächtigen Handeln des Bauern zu und mahnt die Sonne und die Regenwolke um ein Gleichmaß ihrer Segensstiftung.

Während der Bauer auf einem Wolkenknäuel wieder Platz nehmen möchte, bittet dieser noch um Senkung des Zinsgroschens ( gebt dem Kaiser,was des Kaisers ist ).
Der HERR teilt dem Bauern mit, daß mit Adam das Zepter der Macht den Menschen übereignet wurde und sich der Wandel der Menschen dadurch seinem Herrschaftsbereich entzogen habe.
Der Bauer müsse schon selbst mit Gleichgesinnten seine Rechte erkämpfen, den Segen würde aber der HERR spenden.