Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

16 
 August 
 
2015


 

[…] Noch ein anderer häufiger Irrtum ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, nämlich die Illusion, Liebe bedeute notwendigerweise, dass es niemals zu Konflikten komme.
Genauso wie Menschen gewöhnlich meinen, Schmerz und Traurigkeit müssten unter allen Umständen vermieden werden, so glauben sie auch, Liebe bedeute das Fehlen jeglicher Konflikte. Sie haben auch allen Grund zu dieser Annahme, weil die Streitigkeiten in ihrer Umgebung offenbar nichts als destruktive Auseinandersetzungen sind, die keinem Beteiligten irgendeinen Nutzen bringen. [1]Erich Fromm: Die Kunst des Liebens.
Die Liebe und ihr Verfall in der heutigen westlichen Gesellschaft.
S.137.

Die Ursache hierfür ist jedoch, dass die “Konflikte” der meisten Menschen in Wirklichkeit Versuche darstellen, den wirklichen Konflikten auszuweichen. Es sind Meinungsverschiedenheiten über geringfügige, nebensächliche Dinge, die sich in ihrer Natur nicht dazu eignen, etwas klar zu stellen oder zu einer Lösung zu kommen. Wirkliche Konflikte zwischen zwei Menschen, die nicht dazu dienen, etwas zu verdecken oder auf den anderen zu projizieren, sondern die in der Tiefenschicht der inneren Wirklichkeit, zu der sie gehören, erlebt werden, sind nicht destruktiv. Sie dienen der Klärung und führen zu einer Katharsis, aus der beide Partner wissender und gestärkt hervorgehen. [2]Erich Fromm: Die Kunst des Liebens.
Die Liebe und ihr Verfall in der heutigen westlichen Gesellschaft.
S.137-138.

Wieso sollte es verwehrt sein, in einer Beziehung über (Ur-)Ängste sich auszutauschen und dadurch seinem Gegenüber sich besser zu erklären?

Anstatt wie in einem Stellungskrieg (→Die Fronten erstarrten) unsere subjektiv legitimierten Standpunkte verbissen zu verteidigen, sollten wir mehr über die eigenen Ängste und die des anderen sprechen, denn diese sind am verwurzelsten und handlungsleitend. Dies ermöglicht wahres, ganzheitliches Verständnis für sein Gegenüber und dessen für uns oft so irrational erscheinendes Verhaltensmuster. Sich in den gegenseitigen Ängsten zu begegnen, ist vielleicht die elemenarste Begegnung überhaupt.

Es muss und darf nicht innerhalb einer Beziehung immer unentwegter Wonnefluss bestehen, es dürfen auch die Worte versiegen und Tränen innerer Verzweiflung fließen.

Fußnoten[+]

 
 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert