25 Dezember 2018 | |
Schwüle (0:19)
Conrad Ferdinand Meyer (1825 – 1898)
Conrad Ferdinand Meyer (1825 – 1898)
[…]
Eine liebe, liebe Stimme ruft
Mich beständig aus der Wassergruft –
Weg, Gespenst, das oft ich winken sah!
Sterne, Sterne, seid ihr nicht mehr da?
[…]
Eine liebe, liebe Stimme ruft
Mich beständig aus der Wassergruft –
Weg, Gespenst, das oft ich winken sah!
Sterne, Sterne, seid ihr nicht mehr da?
[…]
Fingerhütchen 1:34)
Conrad Ferdinand Meyer (1825 – 1898)
Conrad Ferdinand Meyer (1825 – 1898)
Liebe Kinder, wisst ihr, wo
Fingerhut zu Hause?
Tief im Tal von Acherloo
Hat er Herd und Klause.
Aber schon in jungen Tagen
Muss er einen Höcker tragen.
Geht er, wunderlicher nie
Wallte man auf Erden!
Sitz er, staunen Kinn und Knie,
Dass sie Nachbarn werden.
Körbe flicht aus Binsen er,
Früh und spät sich regend.
Trägt sie zum Verkauf umher
In der ganzen Gegend.
Und er gäbe sich zufrieden,
Wär er nicht im Volk gemieden.
Denn man zischelt mancherlei:
Dass ein Hexenmeister,
Dass er kräuterkundig sei
Und im Bund der Geister.
Solches ist die Wahrheit nicht.
Ist ein leeres Meinen.
Doch das Volk im Dämmerlicht
Schaudert vor dem Kleinen.
So die Jungen wie die Alten
Weichen aus dem Ungestalten –
Doch vorüber wohlgemut
Auf des Schusters Räppchen
Trabt er. Blauer Fingerhut
Nickt von seinem Käppchen.
Einmal geht er heim bei Nacht
Nach des Tages Lasten.
Hat den halben Weg gemacht,
Darf ein bisschen rasten.
Setzt sich und den Korb daneben.
Schimmernd hebt der Mond sich eben.
Fingerhut ist gar nicht bang,
Ihm ist gar nicht schaurig.
Nur dass noch der Weg so lang,
Macht den Kleinen traurig.
Etwas hört er klingen fein –
Nicht mit rechten Dingen,
Mitten aus dem grünen Rain
Ein melodisch Singen:
»Silberfähre, gleitest leise« –
Schon verstummt die kurze Weise.
Fingerhütchen spähet scharf
Und kann nichts entdecken.
Aber was er hören darf,
Ist nicht zum Erschrecken.
Wieder hebt das Liedchen an
Unter Busch und Hecken.
Doch es bleibt das Reimwort dann
Stets im Hügel stecken.
»Silberfähre, gleitest leise« –
Wiederum verstummt die Weise.
Lieblich ist, doch einerlei
Der Gesang der Elfen.
Fingerhütchen fällt es bei,
Ihnen einzuhelfen.
Fingerhütchen lauert still
Auf der Töne Leiter.
Wie das Liedchen enden will,
Führt er leicht es weiter:
»Silberfähre, gleitest leise«
– »Ohne Ruder, ohne Gleise.«
Aus dem Hügel rufts empor:
»Das ist dir gelungen!«
Unterm Boden kommt hervor
Kleines Volk gesprungen.
»Fingerhütchen, Fingerhut«,
Lärmt die tolle Runde,
»Fass dir einen frischen Mut!
Günstig ist die Stunde!
Silberfähre, gleitest leise
Ohne Ruder, ohne Gleise!
Dieses hast du brav gemacht.
Lernet es, ihr Sänger!
Wie du es zustand gebracht,
Hübscher ists und länger!
Zeig dich einmal, schöner Mann!
Lass dich einmal sehen:
Vorn zuerst und hinten dann!
Lass dich einmal drehen!
Weh! Was müssen wir erblicken!
Fingerhütchen, welch ein Rücken!
Auf der Schulter, liebe Zeit,
Trägst du krumme Bürde!
Ohne hübsche Leiblichkeit
Was ist Geisteswürde?
Eine ganze Stirne voll
Glücklicher Gedanken!
Unter einem Höcker soll
Länger sie nicht schwanken!
Strecket euch, verkrümmte Glieder!
Garstger Buckel, purzle nieder!
Fingerhut, nun bist du grad,
Bist des Fehls genesen!
Heil zum schlanken Rückengrat!
Heil zum neuen Wesen!«
Plötzlich steckt der Elfenchor
Wieder tief im Raine.
Aus dem Hügelrund empor
Tönts im Mondenscheine:
»Silberfähre, gleitest leise
Ohne Ruder, ohne Gleise.«
Fingerhütchen wird es satt,
Wäre gern daheime.
Er entschlummert müd und matt
An dem eignen Reime.
Schlummert eine ganze Nacht
Auf derselben Stelle.
Wie er endlich aufgewacht,
Scheint die Sonne helle:
Kühe weiden, Schafe grasen
Auf des Elfenhügels Rasen.
Fingerhut ist bald bekannt,
Lässt die Blicke schweifen.
Sachte dreht er dann die Hand,
Hinter sich zu greifen.
Ist ihm Heil im Traum geschehn?
Ist das Heil die Wahrheit?
Wird das Elfenwort bestehn
Vor des Tages Klarheit?
Und er tastet, tastet, tastet:
Unbebürdet! Unbelastet!
»Jetzt bin ich ein grader Mann!«
Jauchzt er ohne Ende,
Wie ein Hirschlein jagt er dann
Übers Feld behende.
Fingerhut steht plötzlich still,
Tastet leicht und leise.
Ob er wieder wachsen will?
Nein, in keiner Weise!
Selig preist er Nacht und Stunde,
Da er sang im Geisterbunde –
Fingerhütchen wandelt schlank,
Gleich als hätt er Flügel,
Seit er schlummernd niedersank
Nachts am Elfenhügel.
Fingerhut zu Hause?
Tief im Tal von Acherloo
Hat er Herd und Klause.
Aber schon in jungen Tagen
Muss er einen Höcker tragen.
Geht er, wunderlicher nie
Wallte man auf Erden!
Sitz er, staunen Kinn und Knie,
Dass sie Nachbarn werden.
Körbe flicht aus Binsen er,
Früh und spät sich regend.
Trägt sie zum Verkauf umher
In der ganzen Gegend.
Und er gäbe sich zufrieden,
Wär er nicht im Volk gemieden.
Denn man zischelt mancherlei:
Dass ein Hexenmeister,
Dass er kräuterkundig sei
Und im Bund der Geister.
Solches ist die Wahrheit nicht.
Ist ein leeres Meinen.
Doch das Volk im Dämmerlicht
Schaudert vor dem Kleinen.
So die Jungen wie die Alten
Weichen aus dem Ungestalten –
Doch vorüber wohlgemut
Auf des Schusters Räppchen
Trabt er. Blauer Fingerhut
Nickt von seinem Käppchen.
Einmal geht er heim bei Nacht
Nach des Tages Lasten.
Hat den halben Weg gemacht,
Darf ein bisschen rasten.
Setzt sich und den Korb daneben.
Schimmernd hebt der Mond sich eben.
Fingerhut ist gar nicht bang,
Ihm ist gar nicht schaurig.
Nur dass noch der Weg so lang,
Macht den Kleinen traurig.
Etwas hört er klingen fein –
Nicht mit rechten Dingen,
Mitten aus dem grünen Rain
Ein melodisch Singen:
»Silberfähre, gleitest leise« –
Schon verstummt die kurze Weise.
Fingerhütchen spähet scharf
Und kann nichts entdecken.
Aber was er hören darf,
Ist nicht zum Erschrecken.
Wieder hebt das Liedchen an
Unter Busch und Hecken.
Doch es bleibt das Reimwort dann
Stets im Hügel stecken.
»Silberfähre, gleitest leise« –
Wiederum verstummt die Weise.
Lieblich ist, doch einerlei
Der Gesang der Elfen.
Fingerhütchen fällt es bei,
Ihnen einzuhelfen.
Fingerhütchen lauert still
Auf der Töne Leiter.
Wie das Liedchen enden will,
Führt er leicht es weiter:
»Silberfähre, gleitest leise«
– »Ohne Ruder, ohne Gleise.«
Aus dem Hügel rufts empor:
»Das ist dir gelungen!«
Unterm Boden kommt hervor
Kleines Volk gesprungen.
»Fingerhütchen, Fingerhut«,
Lärmt die tolle Runde,
»Fass dir einen frischen Mut!
Günstig ist die Stunde!
Silberfähre, gleitest leise
Ohne Ruder, ohne Gleise!
Dieses hast du brav gemacht.
Lernet es, ihr Sänger!
Wie du es zustand gebracht,
Hübscher ists und länger!
Zeig dich einmal, schöner Mann!
Lass dich einmal sehen:
Vorn zuerst und hinten dann!
Lass dich einmal drehen!
Weh! Was müssen wir erblicken!
Fingerhütchen, welch ein Rücken!
Auf der Schulter, liebe Zeit,
Trägst du krumme Bürde!
Ohne hübsche Leiblichkeit
Was ist Geisteswürde?
Eine ganze Stirne voll
Glücklicher Gedanken!
Unter einem Höcker soll
Länger sie nicht schwanken!
Strecket euch, verkrümmte Glieder!
Garstger Buckel, purzle nieder!
Fingerhut, nun bist du grad,
Bist des Fehls genesen!
Heil zum schlanken Rückengrat!
Heil zum neuen Wesen!«
Plötzlich steckt der Elfenchor
Wieder tief im Raine.
Aus dem Hügelrund empor
Tönts im Mondenscheine:
»Silberfähre, gleitest leise
Ohne Ruder, ohne Gleise.«
Fingerhütchen wird es satt,
Wäre gern daheime.
Er entschlummert müd und matt
An dem eignen Reime.
Schlummert eine ganze Nacht
Auf derselben Stelle.
Wie er endlich aufgewacht,
Scheint die Sonne helle:
Kühe weiden, Schafe grasen
Auf des Elfenhügels Rasen.
Fingerhut ist bald bekannt,
Lässt die Blicke schweifen.
Sachte dreht er dann die Hand,
Hinter sich zu greifen.
Ist ihm Heil im Traum geschehn?
Ist das Heil die Wahrheit?
Wird das Elfenwort bestehn
Vor des Tages Klarheit?
Und er tastet, tastet, tastet:
Unbebürdet! Unbelastet!
»Jetzt bin ich ein grader Mann!«
Jauchzt er ohne Ende,
Wie ein Hirschlein jagt er dann
Übers Feld behende.
Fingerhut steht plötzlich still,
Tastet leicht und leise.
Ob er wieder wachsen will?
Nein, in keiner Weise!
Selig preist er Nacht und Stunde,
Da er sang im Geisterbunde –
Fingerhütchen wandelt schlank,
Gleich als hätt er Flügel,
Seit er schlummernd niedersank
Nachts am Elfenhügel.
Der römische Brunnen 8:44)
Conrad Ferdinand Meyer (1825 – 1898)
Conrad Ferdinand Meyer (1825 – 1898)
Aufsteigt der Strahl und fallend gießt
Er voll der Marmorschale Rund,
Die, sich verschleiernd, überfließt
In einer zweiten Schale Grund.
Die zweite gibt, sie ist zu reich,
Der dritten wallend ihre Flut,
Und jede nimmt und gibt zugleich
Und strömt und ruht.
Er voll der Marmorschale Rund,
Die, sich verschleiernd, überfließt
In einer zweiten Schale Grund.
Die zweite gibt, sie ist zu reich,
Der dritten wallend ihre Flut,
Und jede nimmt und gibt zugleich
Und strömt und ruht.
14 Juni 2018 | |
DICHTUNG | Hermann Hesse | |
LESUNG | Jürgen Prochnow | |
SOLIST | Giora Feidman | |
BEREITSTELLUNG | LYRIK & MUSIK |
Bist allein im Leeren,
Glühst einsam, Herz,
Grüßt dich am Abgrund
Dunkle Blume Schmerz.
Reckt seine Äste
Der hohe Baum Leid,
Singt in den Zweigen
Vogel Ewigkeit.
Blume Schmerz ist schweigsam,
Findet kein Wort,
Der Baum wächst bis in die Wolken,
Und der Vogel singt immerfort.
12 April 2018 | |
DICHTUNG | Friedrich Schiller | |
LESUNG | Jürgen Goslar | |
BEREITSTELLUNG | wortlover |
Drei Worte nenn ich euch, inhaltschwer,
Sie gehen von Munde zu Munde,
Doch stammen sie nicht von außen her,
Das Herz nur gibt davon Kunde,
Dem Menschen ist aller Wert geraubt,
Wenn er nicht mehr an die drei Worte glaubt.
Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei,
Und würd er in Ketten geboren,
Laßt euch nicht irren des Pöbels Geschrei,
Nicht den Mißbrauch rasender Toren,
Vor dem Sklaven, wenn er die Kette bricht,
Vor dem freien Menschen erzittert nicht.
Und die Tugend, sie ist kein leerer Schall,
Der Mensch kann sie üben im Leben,
Und sollt er auch straucheln überall,
Er kann nach der göttlichen streben,
Und was kein Verstand der Verständigen sieht,
Das übet in Einfalt ein kindlich Gemüt.
Und ein Gott ist, ein heiliger Wille lebt,
Wie auch der menschliche wanke,
Hoch über der Zeit und dem Raume webt
Lebendig der höchste Gedanke,
Und ob alles in ewigem Wechsel kreist,
Es beharret im Wechsel ein ruhiger Geist.
Die drei Worte bewahret euch, inhaltschwer,
Sie pflanzet von Munde zu Munde,
Und stammen sie gleich nicht von außen her,
Euer Innres gibt davon Kunde,
Dem Menschen ist nimmer sein Wert geraubt,
So lang er noch an die drei Worte glaubt.