Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

27 
 Oktober 
 
2019


 

DICHTUNG Hermann Hesse
LESUNG Stefanie Kloß
KOMPOSITION, ARRANGEMENT
UND PRODUKTION
Schöherz&Fleer – Hesse Projekt
BEREITSTELLUNG LYRIK & MUSIK


 

Bleich blickt die föhnige Nacht herein,
Der Mond im Wald will untergehn.
Was zwingt mich doch mit banger Pein
Zu wachen und hinauszusehn?

Ich hab geschlafen und geträumt;
Was hat mir mitten in der Nacht
Gerufen und so bang gemacht,
Als hätt ich Wichtiges versäumt?

Am liebsten liefe ich vom Haus,
Vom Garten, Dorf und Lande fort
Dem Rufe nach, dem Zauberwort,
Und weiter und zur Welt hinaus.

 
 
27 
 September 
 
2018


 

DICHTUNG Hermann Hesse
LESUNG Matthias Haase
BEREITSTELLUNG wortlover



An dem Gedanken bin ich oft erwacht
Daß jetzt ein Schiff geht durch die kühle Nacht
Und Meere sucht und nach Gestaden fährt,
Nach denen heiße Sehnsucht mich verzehrt.
Daß jetzt an Orten, die kein Seemann kennt,
Ein rotes Nordlicht ungesehen brennt.

Daß jetzt ein schöner fremder Frauenarm
Sich liebesuchend preßt in Kissen weiß und warm.
Daß einer, der zum Freund mir war bestimmt,
Jetzt fern im Meer ein dunkles Ende nimmt.
Daß meine Mutter, die mich nimmer kennt,
Vielleicht im Schlaf jetzt meinen Namen nennt.

 
 
8 
 August 
 
2018

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Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

 

Das Kind am Brunnen (1:55)
Friedrich Hebbel (1813 – 1863)
Frau Amme, Frau Amme, das Kind ist erwacht!
Doch die liegt ruhig im Schlafe.
Die Vöglein zwitschern, die Sonne lacht,
Am Hügel weiden die Schafe.

Frau Amme, Frau Amme, das Kind steht auf.
Es wagt sich weiter und weiter!
Hinab zum Brunnen nimmt es den Lauf,
Da stehen Blumen und Kräuter.

Frau Amme, Frau Amme, der Brunnen ist tief!
Sie schläft, als läge sie drinnen!
Das Kind läuft schnell, wie es noch nie lief,
Die Blumen lockens von hinnen.

Nun steht es am Brunnen, nun ist es am Ziel.
Nun pflückt es die Blumen sich munter.
Doch bald ermüdet das reizende Spiel.
Da schauts in die Tiefe hinunter.

Und unten erblickt es ein holdes Gesicht,
Mit Augen so hell und so süße.
Es ist sein eignes, doch weiß es das nicht,
Viel stumme, freundliche Grüße!

Das Kindlein winkt. Der Schatten geschwind
Winkt aus der Tiefe ihm wieder.
Herauf! Herauf! So meint es das Kind,
Der Schatten: Hernieder! Hernieder!

Schon beugt es sich über den Brunnenrand.
Frau Amme, du schläfst noch immer!
Da fallen die Blumen ihm aus der Hand
Und trüben den lockenden Schimmer.

Verschwunden ist sie, die süße Gestalt,
Verschluckt von der hüpfenden Welle.
Das Kind durchschauerts fremd und kalt,
Und schnell enteilt es der Stelle.
Der Becher (5:52)
Friedrich Hebbel (1813 – 1863)
Von einem Wunderbecher
Hab ich mit Angst geträumt.
Woraus dem durstgen Zecher
Die höchste Fülle schäumt.
Draus durft ich alles trinken,
Was Erd und Himmel bot.
Doch müsst ich dann versinken
In einen ewgen Tod.

Mit Wonne und mit Grausen
Hielt ich ihn in der Hand.
Ein wundersames Brausen
In seinem Kelch entstand.
Es flog an mir vorüber
Die Welt in Nacht und Glanz
Wie regellos im Fieber
Verworrner Bilder Tanz.

Und als ich länger blickte,
Bis auf den Grund hinein,
Wie Blitzesflamme zückte
Mirs da durch Mark und Bein.
Und, gänzlich drin versunken,
War mir zuletzt zu Sinn,
Als hätt ich schon getrunken
Und schwände nun dahin.
Nachtgefühl (7:30)
Friedrich Hebbel (1813 – 1863)
Wenn ich mich abends entkleide,
Ganz gemach, Stück für Stück,
So tragen die müden Gedanken
Mich vorwärts und manchmal zurück.

Ich denke der alten Tage,
Da zog die Mutter mich aus.
Sie legte mich still in die Wiege.
Die Winde brausten ums Haus.

Ich denke der letzten Stunde,
Da werdens die Nachbarn tun.
Sie senken mich still in die Erde.
Dann werde ich lange ruhn.