Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

31 
 Juli 
 
2012

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Der Abend wechselt langsam die Gewänder,
die ihm ein Rand von alten Bäumen hält;
du schaust: und von dir scheiden sich die Länder,
ein himmelfahrendes und eins, das fällt;

und lassen dich, zu keinem ganz gehörend,
nicht ganz so dunkel wie das Haus, das schweigt,
nicht ganz so sicher Ewiges beschwörend
wie das, was Stern wird jede Nacht und steigt –

und lassen dir (unsäglich zu entwirrn)
dein Leben bang und riesenhaft und reifend,
so dass es, bald begrenzt und bald begreifend,
abwechselnd Stein in dir wird und Gestirn.

 

 

Textdichter Rainer Maria Rilke
Lesung Matthias Habich
Bereitstellung wortlover

 
 
27 
 Juli 
 
2012


 

Des aufdringlichen Wortes Würgegriff,
der frommen Lippe abzuringen heischt
das Ungemach des üblen Lästertons
in wohlfeil, blankgeschliff’ner Rede,
entwaffne [1]entgegne ich mit stumpfem [2]dumpfem Schweigen.

Fußnoten[+]

 
 
17 
 Juli 
 
2012


 

DICHTUNG Ingeborg Bachmann
LESUNG Sophie Rois
BEREITSTELLUNG wortlover


 

Es kommen härtere Tage.
Die auf Widerruf gestundete Zeit
wird sichtbar am Horizont.
Bald musst du den Schuh schnüren
und die Hunde zurückjagen in die Marschhöfe.
Denn die Eingeweide der Fische
sind kalt geworden im Wind.
Ärmlich brennt das Licht der Lupinen.
Dein Blick spurt im Nebel:
die auf Widerruf gestundete Zeit
wird sichtbar am Horizont.

Drüben versinkt dir die Geliebte im Sand,
er steigt um ihr wehendes Haar,
er fällt ihr ins Wort,
er befiehlt ihr zu schweigen,
er findet sie sterblich
und willig dem Abschied
nach jeder Umarmung.

Sieh dich nicht um.
Schnür deinen Schuh.
Jag die Hunde zurück.
Wirf die Fische ins Meer.
Lösch die Lupinen!

Es kommen härtere Tage.