Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

20 
 Januar 
 
2008

abgelegt in
Gedankenschau

 

„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“

 
So lautet in vereinfachter und doch konzentrierter Form der kategorische Imperativ von Immanuel Kant.

Demnach bräuchte im Prinzip der Mensch als Vernunft begabtes und ethisch geleitetes Wesen durch die Verinnerlichung, durch die Internalisierung richtigen Handelns, keine äußeren Vorgaben, keine handlungsstrukturierenden Maßnahmen, “Gesetze” genannt, da er immer der “goldenen Spur” der sozialen Verträglichkeit folgen würde und sein Handeln folglich unschadhaft wäre.

Nun ist der Mensch aber auch ein egozentrisches Wesen, das meist auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist und gerade durch das “Brechen” der von Kants geforderten Maxime sich in der Hackordnung unserer Gesellschaft günstiger positionieren kann und dessen auch meist bestrebt ist.

Insofern bedarf der Mensch das “Korsett des Regelung”.
Er braucht wie ein Kind, das sich nicht zu Tisch artig zu verhalten weiß, eine Serviette, weil es sappert.
Er braucht seine wohldosierte Portionen, weil er sonst entgegen der ritterlichen Tugend der Maßhaltung sich im Übermaß bereichern würde.
Er braucht Regeln, weil er sich nicht wie ein Erwachsener zu benehmen weiß.
Er braucht einen Ordnungsrahmen, in dem er sich bewegen darf.
Er braucht Gesetze, Vorschriften, Auflagen, diese an für sich überflüssige Litanie von “Regulierungsmaßnahmen”, die ein reifer Geist durch intuitives und bedächtiges Handeln aber nicht nötig hätte.

Dementsprechend sind Gesetze etwas für infantil Verharrte, für motivationsverarmte, geistig bewusst selbstentmündigte Menschen, eben etwas für denkfaule Narren.

Und für das sittlich handelnde Subjekt einfach nur Quatsch.

 
 
9 
 Januar 
 
2008

abgelegt in
Gedankenschau

 

Auf der Internet-Seite des Tübinger Literaturcafés findet sich folgender interessante Text, der sich gegen herrschende Strukturen des Literaturbetriebes richtet:

 

Für mich als Autor haben Lesungen immer auch ein Moment von Unmittelbarkeit und Basisdemokratie. Sie entfalten ihre Wirkkraft jenseits des etablierten Literaturbetriebes, jenseits der Macht von Verlagen, von Vertriebsstrukturen und großen Feuilletons. Und der »Schwarze Vorhang« steigert diese Unmittelbarkeit noch. Er ist eine Rückkehr zur Wirkmacht des reinen Wortes, ohne jede Extrinsik, frei von den üblichen Verfälschungen des Literarischen durch die Hoheit des Buchstaben B: das Berühmte, das Beeidete, das Beglaubigte, das Bewährte, das Bildhafte. “

Joachim Zelter

 

 
Jede Lesung, jedes Buch, damit also jeder Text unterliegt heute dem Zwang der Vorabinformation, der externen Beglaubigung, ohne die sich angeblich niemand mehr auf die Erfahrung von Sprache und Inhalt einlassen will.

Joachim Zelter hat es das »eng geschnürte Korsett von B’s« genannt – »das Bekannte, Beeidete, Beglaubigte, Bewährte, Begründete, Bedeutende, Bedeutete« –, das dem Text seine Wirkung schon verschafft, bevor ihn jemand gehört oder gelesen hat. Oder umgekehrt: Ohne dieses Korsett aus B’s, so will es der Betrieb, soll sich niemand mehr auf Texte einlassen. Erst muß der Hörer oder Leser wissen, und dann erst darf er erfahren … Und der »Konsument« glaubt folglich, daß es auch so sein müsse.

Das Konzept des Schwarzen Vorhangs versucht, diesen Mechanismus zu unterlaufen:

Völlig frei von Sekundärinformationen (Namen, Verlage, kurzgefaßte Inhalte, Einleitungen, Vorstellungsrunden, Aussehen, Kleidung und das ohnehin völlig unerhebliche Bekannt- oder eben Nichtbekanntsein) müssen sich unsere Besucher allein der Stimme und dem Text, den Worten, dem Inhalt hingeben; die Vorleserin, der Vorleser bleibt hinter dem Schwarzen Vorhang verborgen. Ob in renommierten Verlagen veröffentlicht oder in der Schublade gehütet: Alles ist möglich, entscheidend ist und bleibt der Text.

Für die Zuhörer bedeutet dies, daß sie sich in kürzester Zeit auf einen Text einstimmen müssen, ohne vorher zu wissen, ob sie Lyrik oder Prosa, Trauriges oder Lustiges, Erzählendes oder Sprachspiele hören werden. Das verlangt viel an Flexibilität und Aufmerksamkeit, ermöglicht aber eine völlig neue, unvorbelastete Rezeption. Auch für die Autorinnen und Autoren, das sei erwähnt, ist es eine große Herausforderung, keine reagierenden, lächelnden oder gelangweilten Gesichter vor sich zu sehen, sondern nur den schwarzen Stoff.

Wer gelesen hat, erfährt das Publikum erst am Ende der Veranstaltung, und auch das nicht immer.

Wir Veranstalter sind sehr darauf gespannt, wie dieses Experiment beim Publikum, aber auch bei den Autorinnen und Autoren ankommen wird.

Die Autorinnen und Autoren lesen ohne Honorar, als Geschenk an das Publikum.

Der Eintritt ist frei.

 
 
3 
 Januar 
 
2008

abgelegt in
Gedankenschau

 

Es naht sich wiederum mit Fasching die Zeit der sittlichen Entgleisung…

An Heilig Weihnacht mit des frommen Herzens hellstem Glockenspiele und allerfeinlichen Besinnlichkeit noch dem Himmel zugestrebt, wagt man sich nun mit dem Jahreswechsel im Sinneswandel mit “geiler Brust” (aus: “Die Räuber” von Friedrich Schiller) an den Abgrund moralischer Verwerfungen.
Zu keiner Zeit des Jahres werden mehr Kuckuckskinder ins geordnete Ehenest gesetzt als in dieser Narrenzeit.

Gespaltene Persönlichkeit?
Oder ist der Mensch nur ein Wesen, das die Extremerfahrungen sucht, um sich wiederum -für den Alltag gerüstet- auf ein gesundes Mittelmaß einzupendeln?