7 April 2012 | |
Ich saz ûf eime steine | – | Ich saß auf einem Steine |
mittelhochdeutsch | – | heutiges Deutsch (frei) |
Ich saz ûf eime steine und dahte bein mit beine, dar ûf satzte ich den ellenbogen; ich hete in mîne hant gesmogen mîn kinne und ein mîn wange. Dô dâhte ich mir vil ange, wie man zer werlte solte leben: Deheinen rât kond ich gegeben, wie man driu dinc erwurbe, der keinez niht verdurbe. Diu zwei sind êre und varnde guot, daz dicke ein ander schaden tuot; das dritte ist gotes hulde, der zweier übergulde. Die wolte ich gerne in einen schrîn. Jâ leider, des enmac niht sîn, daz guot und werltlîch êre und gotes hulde mêre zesamen in ein herze komen. Stîge unde wege sint in benomen: untriuwe ist in der sâze, gewalt vert ûf der strâze, fride unde reht sint sêre wunt. Diu driu enhabent geleites niht, diu zwei enwerden ê gesunt. | Ich saß auf einem Steine und deckte Bein mit Beine. Darauf der Ellbogen stand; es schmiegte sich in meine Hand das Kinn und eine Wange. Da dachte ich sorglich lange, dem Weltlauf nach und irdischem Heil, doch wurde mir kein Rat zuteil: wie man drei Ding erwürbe, dass ihrer keins verdürbe. Zwei Ding sind Ehr und zeitlich Gut, das oft einanander Schaden tut, das Dritte Gottes Segen, den beiden überlegen: Die hätt ich gern in einem Schrein doch mag es leider nimmer sein, dass Gottes Gnade kehre mit Reichtum und mt Ehre zusammen ei ins gleiche Herz; sie finden Hemmungen allerwärts: Untreue liegt im Hinterhalt, kein Weg ist sicher vor Gewalt, so Fried als Recht sind todeswund, und werden die nicht erst gesund, wird den drei Dingen kein Geleite kund. |
Textdichter | Walther von der Vogelweide | |
Lesung | Hans Hegner | |
Bereitstellung | wortlover |
6 Januar 2012 | |
DICHTUNG | Walther von der Vogelweide | |
ÜBERSETZUNG | WikiPedia | |
BEREITSTELLUNG | Ginnungsgap |
Under der linden | – | Unter den Linden |
mittelhochdeutsch | – | heutiges Deutsch |
Under der linden an der heide, dâ unser zweier bette was, dâ muget ir vinden schône beide gebrochen bluomen unde gras. Vor dem walde in einem tal, tandaradei, schône sanc diu nahtegal. | Unter der Linde an der Heide, wo unser gemeinsames Bett war, dort könnt ihr finden gepflückte sorgsam Blumen und Gras. Vor dem Walde in einem Tal, tandaradei, sang die Nachtigall lieblich. | |
Ich kam gegangen zuo der ouwe, dô was mîn friedel komen ê. Dâ wart ich enpfangen, hêre frouwe, daz ich bin sælic iemer mê. Kuster mich? Wol tûsentstunt: tandaradei, seht, wie rôt mir ist der munt. | Ich kam zu der Au, da war mein Liebster schon da. Dort wurde ich empfangen, als edle Frau! (so) dass ich für immer glücklich bin. | |
Dô het er gemachet alsô rîche von bluomen eine bettestat. Des wirt noch gelachet inneclîche, kumt iemen an daz selbe pfat. Bî den rôsen er wol mac, tandaradei, merken, wâ mirz houbet lac. | Da hatte er prächtig gemacht aus Blumen ein Bett. Darüber wird jetzt noch herzlich gelacht, wenn jemand denselben Weg entlang kommt. An den Rosen kann er wohl, tandaradei, erkennen, wo mein Haupt lag. | |
Daz er bî mir læge, wessez iemen (nû enwelle got!), sô schamt ich mich. Wes er mit mir pflæge, niemer niemen bevinde daz, wan er und ich, und ein kleinez vogellîn – tandaradei, daz mac wol getriuwe sîn. | Dass er bei mir lag, wüsste das jemand (das wolle Gott nicht!), dann würde ich mich schämen. Was er mit mir tat, das soll nie jemand erfahren, außer er und ich und ein kleines Vöglein, tandaradei, das kann wohl verschwiegen sein. |