| 25 Dezember 2017 |
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| DICHTUNG | Conrad Ferdinand Meyer | |
| LESUNG | Stephan Sulke | |
| BEREITSTELLUNG | LYRIK & MUSIK |
Inhaltsangabe
In einer Gewitternacht sucht ein Reiter Unterschlupf auf einem Adelssitz. Er fordert Herberge mit dem Hinweis, Knecht des Königs zu sein. Der Schloßherr gewährt ihm diese, darauf hinweisend, daß seine Gastfreundschaft ohnehin ausgereicht hätte. Während der Reiter sich am Feuer wärmt, erkennt er, daß er schon früher an diesem Ort gewesen ist, während einer Hugenottenjagd, die drei Jahre zurückliegt. Dabei hat er die Hausherrin zu Tode gefoltert, weil sie ihren Ehemann, einen Hugenotten, nicht hatte verraten wollen. Auch die Kinder des Hauses, die das Essen auftragen, erkennen den Gast wieder. Mit Unbehagen nimmt der Reiter das Abendmahl zu sich und sieht abgehend, wie eines der Kinder mit dem Vater flüstert. Nach einer angsterfüllten Nacht voller Alpträume steht der Schloßherr, über Nacht ergraut, vor seinem Lager und fordert zur Abreise. In einer morgendlichen Idylle reitend, begleitet vom Schloßherren, erwähnt der Kurier noch einmal seine Zugehörigkeit zum König. Dieses aufgreifend, erwidert der Schloßherr, daß er sich über Nacht schwer getan habe, dem Dienste, des „größten Königs“ Genüge zu tun, daß er aber schließlich seine Rache zu Gunsten der göttlichen Gerechtigkeit aufgegeben habe.Quelle: Lyrik & Musik
Wild zuckt der Blitz. In fahlem Lichte steht ein Turm.
Der Donner rollt. Ein Reiter kämpft mit seinem Ross,
Springt ab und pocht ans Tor und lärmt. Sein Mantel saust
Im Wind. Er hält den scheuen Fuchs am Zügel fest.
Ein schmales Gitterfenster schimmert goldenhell
Und knarrend öffnet jetzt das Tor ein Edelmann …
— „Ich bin ein Knecht des Königs, als Kurier geschickt
Nach Nîmes. Herbergt mich! Ihr kennt des Königs Rock!“
— „Es stürmt. Mein Gast bist du. Dein Kleid, was kümmert’s mich?
Tritt ein und wärme dich! Ich sorge für dein Tier!“
Der Reiter tritt in einen dunkeln Ahnensaal,
Von eines weiten Herdes Feuer schwach erhellt,
Und je nach seines Flackerns launenhaftem Licht
Droht hier ein Hugenott im Harnisch, dort ein Weib,
Ein stolzes Edelweib aus braunem Ahnenbild …
Der Reiter wirft sich in den Sessel vor dem Herd
Und starrt in den lebendgen Brand. Er brütet, gafft …
Leis sträubt sich ihm das Haar. Er kennt den Herd, den Saal …
Die Flamme zischt. Zwei Füße zucken in der Glut.
Den Abendtisch bestellt die greise Schaffnerin
Mit Linnen blendend weiß. Das Edelmägdlein hilft.
Ein Knabe trug den Krug mit Wein. Der Kinder Blick
Hangt schreckensstarr am Gast und hangt am Herd entsetzt …
Die Flamme zischt. Zwei Füße zucken in der Glut.
— „Verdammt! Dasselbe Wappen! Dieser selbe Saal!
Drei Jahre sind’s … Auf einer Hugenottenjagd
Ein fein, halsstarrig Weib … ‚Wo steckt der Junker? Sprich!‘
Sie schweigt. ‚Bekenn!‘ Sie schweigt. ‚Gib ihn heraus!‘ Sie schweigt.
Ich werde wild. D e r Stolz! Ich zerre das Geschöpf …
Die nackten Füße pack ich ihr und strecke sie
Tief mitten in die Glut … ‚Gib ihn heraus!‘ … Sie schweigt …
Sie windet sich … Sahst du das Wappen nicht am Tor?
Wer hieß dich hier zu Gaste gehen, dummer Narr?
Hat er nur einen Tropfen Bluts, erwürgt er dich.“
Eintritt der Edelmann. „Du träumst! Zu Tische, Gast …“
Da sitzen sie. Die drei in ihrer schwarzen Tracht
Und er. Doch keins der Kinder spricht das Tischgebet.
Ihn starren sie mit aufgerissnen Augen an —
Den Becher füllt und übergießt er, stürzt den Trunk,
Springt auf: „Herr, gebet jetzt mir meine Lagerstatt!
Müd bin ich wie ein Hund!“ Ein Diener leuchtet ihm,
Doch auf der Schwelle wirft er einen Blick zurück
Und sieht den Knaben flüstern in des Vaters Ohr …
Dem Diener folgt er taumelnd in das Turmgemach.
Fest riegelt er die Tür. Er prüft Pistol und Schwert.
Gell pfeift der Sturm. Die Diele bebt. Die Decke stöhnt.
Die Treppe kracht … Dröhnt hier ein Tritt? … Schleicht dort ein Schritt? …
Ihn täuscht das Ohr. Vorüberwandelt Mitternacht.
Auf seinen Lidern lastet Blei, und schlummernd sinkt
Er auf das Lager. Draußen plätschert Regenflut.
Er träumt. „Gesteh!“ Sie schweigt. „Gib ihn heraus!“ Sie schweigt.
Er zerrt das Weib. Zwei Füße zucken in der Glut.
Aufsprüht und zischt ein Feuermeer, das ihn verschlingt …
— „Erwach! Du solltest längst von hinnen sein! Es tagt!“
Durch die Tapetentür in das Gemach gelangt,
Vor seinem Lager steht des Schlosses Herr — ergraut,
Dem gestern dunkelbraun sich noch gekraust das Haar.
Sie reiten durch den Wald. Kein Lüftchen regt sich heut.
Zersplittert liegen Ästetrümmer quer im Pfad.
Die frühsten Vöglein zwitschern, halb im Traume noch.
Friedsel’ge Wolken schwimmen durch die klare Luft,
Als kehrten Engel heim von einer nächt’gen Wacht.
Die dunkeln Schollen atmen kräft’gen Erdgeruch.
Die Ebne öffnet sich. Im Felde geht ein Pflug.
Der Reiter lauert aus den Augenwinkeln: „Herr,
Ihr seid ein kluger Mann und voll Besonnenheit
Und wisst, dass ich dem größten König eigen bin.
Lebt wohl. Auf Nimmerwiedersehn!“ Der andre spricht:
„Du sagst’s! Dem größten König eigen! Heute ward
Sein Dienst mir schwer … Gemordet hast du teuflisch mir
Mein Weib! Und lebst! … Mein ist die Rache, redet Gott.“
| 24 November 2017 |
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Nichts kann einen Menschen tiefer in Gedanken versetzen als Blödsinn eines anderen Exemplars der selben Evolutionsstufe.
Bruno L.
| 29 April 2017 |
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„Ein Buch sollte die Axt für das gefrorene Meer in uns sein!“
Ein Blick in das Bücherregal einer Bücherei in Mosbach verrät:
Hier wird der Leser im Höchstmaß unterhalten, belustigt, vom hastigen Treiben des Alltags in aller Kunst abgelenkt und in die Liebesarme des reinen, gepflegten, gesellschaftlich eingepriesenen Konsums getrieben.
Ich möchte keine entspannenden, unterhaltsamen, amüsierenden Bücher, die mir lieb über das Haupt streicheln und meine Weltanschauung abnicken, sondern markzehrende, schriftgewordene Stimmen, die mein Welt- und Gedankenbäude in seinem Statikdünken hinterfragen und der Mahnruf an mich erregt, diesen oder jenen Balken überdauernder Einstellungen [1]Der Balken im Auge aus der gedanklichen Weltkonstruktion rauszureißen und mit prüfendem Blick noch einmal zu überdenken, ob dieser oder jener Stahlträger korridierter Tradition überhaupt vonnöten ist.
Fußnoten
| 28 April 2017 |
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Whatsapp, Messenger, Twitter, Facebook …
Die Litanei an Hirnausdünstungen mit sporadischen Gedankenauswürfen ließe sich unschwer fortsetzen.
Sollten wir für die digitale Außenwelt immer verfügbar sein, unsere Lebenszeit gar verströmen?
Ehrlich gesagt habe ich mittlerweile das Nachdenken während eines Spazierganges als die zu favorisierende geistige Disziplin wiederentdeckt und optimiere indessen meine internen Schaltkreise/ana(un)logen(en) Gedankenkreise, sinne nach, wo des Ärgers, des Weltverdrusses angelegter Spannung zu hoch war und löte dann Widerstände ein, händisch versteht sich und nicht im Touch-Screen-Verfahren.
| 8 November 2016 |
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Wenn Freizeit knapp(er) wird und geistige Zerstreuung der sonst überreizenden Außenwelt auf ein Minimum abgenötigt wird, gewinnt Wesentliches Raum.
Trainingswohnen ist daher auch ein Sich-Einüben („Training“) innerer Einkehr („geistige Wohnung“).
| 3 November 2016 |
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Lucius Annaeus Seneca
- Glücklich ist dasjenige Leben, das mit seiner Natur in vollem Einklang steht!
- Lass‘ keine Stunde ungenutzt vorübergehen, nimm den heutigen Tag voll in Beschlag, dann wirst du weniger von den folgenden abhängig sein!
Alle Stunden umfasse mit beiden Armen! So wirst du weniger vom Morgen abhängen, wenn auf das Heute du die Hand legst. [1]Moralische Briefe an Lucilius
Epistulae morales ad Lucilium - Nichts ist unser wahres Eigentum als die Zeit. Dieses flüchtige und schwer fassbare Gut ist das einzige, dessen Besitz die Natur uns vergönnt hat und doch verdrängt uns der erste Beste daraus.
- Unstetiges Hin- und Herflattern ist Anzeichen eines krankhaften Gemütszustandes.
Erstes Anfordernis an eine Geistesverfassung, die als eine wohlgeordnete gelten soll, ist die Fähigkeit, den Schritt zu hemmen und Einkehr in sich selbst zu halten. - Der Geist wächst von innen heraus, nährt und übt sich selbst.
Was dich tugendhaft machen kann, ist in dir.
Die einzige Erfordnis, um tugendhaft zu sein, ist ein fester Wille. - Soweit wie möglich suche aber deinen Schutz bei der Philosophie. Sie wird dich in ihrem Schoße bergen, in ihrem Heiligtume wirst du sicher oder doch sicherer sein.
Mit der Philosophie darst du dich aber nicht brüsten, sie soll dir dazu verhelfen, deine eigenen Fehler loszuwerden, nicht anderen die ihrigen vorzurücken. - Man kann weise sein, ohne Gepränge und ohne Unwillen zu erregen.
- Deine Sinnesweise musst du ändern, nicht den Himmelsstrich.
Magst du das weite Meer durchkreuzen, mögen dir Länder und Städte entschwinden, deine Fehler werden dir überall hinfolgen. [2]Vergil - Es ist verzeihlich, wenn wir Tränen vergießen, sofern wir sie nicht maßlos strömen lassen, sondern ihnen wehren.
Weder trocken sollen die Augen bleiben beim Verlust eines Freundes noch überströmen.
Weinen sollen wir, nicht jammern!
Tränen sollen als Beweis der Sehnsucht dienen! Wir geben uns nicht dem Schmerze hin, sondern zeigen ihn. - Lege des Schicksals Gunst nicht zu dessen Ungunsten aus!
Es hat dir genommen, aber auch gegeben. - Geselligkeit und Einsamkeit: Man muss beides miteinander verbinden und abwechseln lassen. Die erstere weckt die Sehnsucht nach Menschen, die letztere die Sehnsucht nach uns selbst. Und beide werden einander hilfreich ergänzen: Den Hass gegen das Menschengetümmel wird die Einsamkeit heilen, den Überdruss an der Einsamkeit das Menschengetümmel.
- Es ist weit vernünftiger, dich an weniger Schriftsteller zu halten, als irrend umherzuschweifen von einem zum anderen.
- Der Begierde ist nichts genug, der Natur genügt auch schon das Geringste.
- Es zeugt von Hochherzigkeit, wenn man Beleidigungen verachtet. Die kränkendste Art von Rache, die einen treffen kann, ist es, gar für wert gehalten zu werden, um ein Opfer der Rache zu werden.
Bei vielen haben sich leichte Beleidigungen gerade dadurch tiefer in ihre Seele eingegraben, dass sie sich rächten.
Der ist eine große und edle Erscheinung, der es macht wie ein gewaltiges Tier, der das
Gebell kleiner Hunde anhört ohne sich darum zu bekümmern.
Man wird sich weniger verachtet sehen, wenn man sich für eine Beleidigung rächt.
Wenn wir zur Rache greifen wie zu einem Heilmittel, so soll es ohne Zorn geschehen. - Es ist besser von einer Sache nichts wissen zu wollen als sich zu rächen. Beleidigungen von Seiten der Machthaber muss man mit heiterer Miene ertragen, nicht bloß mit Geduld. Sie werden es wieder so machen, wenn sie sehen, dass sie ihren Zweck erreicht haben.
- Es ist weit besser, überhaupt sich nichts merken zu lassen, als die Beleidigung zu rächen.
Dem Zorn muss man entsagen, gleichviel ob der Gegner uns gewachsen ist oder mächtiger oder schwächer.
Mit einem der uns gleich ist sich zu messen, ist eine bedenkliche Sache.
Mit einem Überlegenen eine Tollwut.
Mit einem Schwächeren eine Erniedrigung.
Es verrät eine kleinliche und elende Sinnesart, den, der einen beißt, wieder zu beißen. - Es sind reine Lappalien, wegen derer wir uns so ernsthaft erbosen.
Dinge wie die, um welche sich Knaben zanken und streiten.
Nicht von dem, was wir mit so tiefer Ergriffenheit betreiben, ist wirklich ernst und groß.
Man achtet so oft das Kleine für groß. - Wäge des abends deine Handlungen und Äußerungen ab.
Nichts soll dir verborgen bleiben, nichts übergangen werden.
Warum sollte man sich vor seinen Verfehlungen fürchten?
Da man sagen kann: „Gib acht, dass du das nicht wieder tust! Für dieses Mal sei es dir verziehen! Bei jenem Wortkampf hast du dich von der Streitsucht weit fort treiben lassen. Lass dich nicht wieder in ein Gespräch mit Unkundigen ein. Diejenigen sind unbeholfen, die nie haben Schüler sein wollen.
Jene hast du mit deiner Mahnung zu scharf angefasst, daher hast du ihn nicht gebessert, sondern beleidigt.
Künftig sieh nicht nur darauf, ob es wahr ist, was du sagst, sondern ob der, dem es gesagt wird, die Wahrheit auch verträgt.“ - Wozu Streit und Nachstellungen?
Kannst du dem, welchem du zürnst, mehr anwünschen als den Tod?
Er wird auch ohne dein Zutun sterben.
Es ist verlorene Arbeit, sich um das zu bemühen, was doch von selbst eintreten wird.
Du erwiderst: „Ich habe es nicht gerade auf den Tod abgesehen, sondern auf Verbannung, Schmach, Schaden, die sollen ihn treffen.“
Es ist verzeihlicher, seinem Feinde eine Wunde zu wünschen als eine Pustel, denn dies zeugt nicht nur von boshafter, sondern auch von kleinlicher Gesinnung.
Magst du es nun auf die härtesten oder geringeren Strafen abgelegt haben, wie rasch verfliegt die kurze Spanne Zeit, während der jenem die Qual der Strafe auferlegt und dir die boshafte Freude daran gegönnt ist. Wie bald werden wir den letzten Atemzug tun?
Solange wir aber noch atmen, solange wir noch unter Menschen sind, wollen wir auch Menschlichkeit üben.
Niemandem soll Furcht vor uns, niemandem Gefahr von uns drohen.
Beeinträchtigungen, Beleidigungen, Schmähungen, Sticheleien wollen wollen wir verachten und frohen Mutes die kurzen Widerwärtigkeiten ertragen.
Im Handumdrehen werden wir der Sterblichkeit unseren Tribut bezahlen.
Fußnoten






















