28 April 2012 | |
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»Von Rechts wegen sollte dieses Büchlein in jedem Hause, am Fenster, unterm Spiegel, oder wo sonst Gesang- und Kochbücher zu liegen pflegen, zu finden sein, um aufgeschlagen zu werden in jedem Augenblick der Stimmung oder Unstimmung.«
Johann Wolfgang von Goethe
über: “Des Knaben Wunderhorn”
Schwere Brombeeren (2:34)
Achim von Arnim (1781 – 1831)
Es wollt ein Mägdlein früh aufstehn,
Drei Stündlein vor dem Tag.
Wollt in den grünen Wald naus gehen,
Brombeerlein brechen ab.
Und als sie in den Wald nein kam,
Begegnet ihr Jägers Knecht.
»Ei Mädchen, scher dich weg nach Haus,
Dem Herrn ist das nicht recht.«
Und als das Mädchen heimwärts kam,
Begegnet ihr Jägers Sohn:
»Ei Mädchen, pflück nur ohne Scham,
Einen Schoß voll gönn ich dir schon.«
»Einen Schoß voll den begehr ich nicht,
Eine Handvoll ist mir genug.«
Die Brombeeren standen dicht an dicht,
Sie suchten sie immerzu.
Und als ein halbes Jahr um war,
Die Brombeern wurden groß,
Und als drei viertel Jahr um war,
Saß ein Kindlein auf dem Schoß.
Herr Olof (4:42)
Johann Gottfried Herder (1744–1803)
Herr Olof reitet spät und weit,
Zu bieten auf seine Hochzeitsleut.
Da tanzen Elfen auf grünem Land,
Erlkönigs Tochter reicht die Hand.
»Willkommen, Herr Olof, was eilst du von hier?
Tritt her in den Reihen und tanz mit mir.«
»Ich darf nicht tanzen, nicht tanzen ich mag,
Frühmorgen ist mein Hochzeitstag.«
»Hör an, Herr Olof, komm, tanz mit mir,
Zwei güldene Sporen schenk ich dir.
Ein Hemd von Seide so weiß und fein,
Meine Mutter bleichts im Mondenschein.«
»Ich darf nicht tanzen, nicht tanzen ich mag,
Frühmorgen ist mein Hochzeitstag.«
»Hör an! Herr Olof komm tanz mit mir,
Einen Haufen Goldes schenk ich dir.«
»Einen Haufen Goldes nehm ich wohl,
Doch tanzen ich weder darf noch soll.«
»Und willst du Herr Olof, nicht tanzen mit mir,
Soll Seuch und Krankheit folgen dir.«
Sie tät einen Schlag ihm auf sein Herz,
Noch niemals fühlt er solchen Schmerz.
Sie hob ihn bleichend auf sein Pferd.
»Reit heim nun zu deinem Bräutlein wert.«
Und als er kam vor des Hauses Tor,
Seine Mutter zitternd stand davor.
»Hör an, mein Sohn, sag an mir gleich,
Wie ist deine Farbe blass und bleich!«
»Wie sollt sie nicht blass sein und bleich,
Ich war in des Erlenköniges Reich.«
»Hör an mein Sohn, mir lieb und traut,
Was soll ich denn sagen deiner Braut?«
»Sag ihr, ich sei im Wald zur Stund,
Zu erproben mein Pferd dort und den Hund.«
Frühmorgen als es Tag kaum war,
Da kam die Braut mit der Hochzeitschar.
Sie tranken Met, sie tranken Wein,
»Wo ist Herr Olof, der Bräutigam mein?«
»Herr Olof, er ritt in den Wald zur Stund,
Er erprobt allda sein Pferd und den Hund.«
Die Braut hob auf den Scharlach rot,
Da lag Herr Olof, und er war tot.
Das Wunderhorn (8:20)
aus: »Des Knaben Wunderhorn«
hrsg. von Achim von Armin und Clemens Brentano
Ein Knab auf schnellem Ross
Sprengt auf der Kaisrin Schloss.
Das Ross zur Erd sich neigt,
Der Knab sich zierlich beugt.
Wie lieblich, artig, schön
Die Frauen sich ansehn.
Ein Horn trug seine Hand,
Daran vier goldne Band.
Gar mancher schöne Stein
Gelegt ins Gold hinein.
Viel Perlen und Rubin
Die Augen auf sich ziehn.
Das Horn vom Elephant,
So gross man keinen fand,
So schön man keinen fing,
Und oben dran ein Ring.
Wie Silber blinken kann!
Und hundert Glocken dran
Vom feinsten Gold gemacht.
Aus tiefem Meer gebracht
Von einer Meerfei Hand
Der Kaiserin gesandt.
Zu ihrer Reinheit Preis
Weil sie so schön und weis.
Der Knabe sagte auch:
»Dies ist des Horns Gebrauch:
Ein Druck von Eurem Finger,
Ja, ja, von Eurem Finger
Und diese Glocken all
Sie geben süßen Schall,
Wie nie ein Harfenklang
Und keiner Frauen Sang,
Kein Vogel obenher,
Die Meerfei nicht im Meer
Noch schöner singen kann!«
Fort sprengt der Knab bergan,
Ließ in der Kaisrin Hand
Das Horn, so weltbekannt.
Ein Druck von ihrem Finger,
O süßes hell Geklinger!