Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

24 
 März 
 
2018

abgelegt in
Gibran, Khalil

 

Weisheit von Khalil Gibran aus: “Der Prophet”


DICHTUNG Khalil Gibran
LESUNG Troubadonna



Eure Kinder sind nicht eure Kinder.
Es sind Söhne und Töchter von des Lebens Verlangen nach sich selber.
Sie kommen durch euch, doch nicht von euch;
Und sind sie auch bei euch, so gehören sie euch doch nicht.
Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, doch nicht eure Gedanken,
Denn sie haben ihre eigenen Gedanken.
Ihr dürft ihren Leib behausen, doch nicht ihre Seelen.
Denn ihre Seelen wohnen im Hause von morgen, das ihr nicht zu betreten vermögt,
selbst nicht in euren Träumen.
Ihr dürft euch bestreben, ihnen gleich zu werden, doch suchet nicht,
sie euch gleich zu machen.
Denn das Leben läuft nicht rückwärts, noch verweilet es beim Gestern.
Ihr seid die Bogen, von denen eure Kinder als lebende Pfeile entsandt werden.
Der Schütze sieht das Zeichen auf dem Pfade der Unendlichkeit, und Er biegt euch mit
Seiner Macht, auf dass Seine Pfeile schnell und weit fliegen.
Möge das Biegen in des Schützen Hand euch zur Freude gereichen;
Denn gleich wie Er den fliegenden Pfeil liebt, so liebt Er auch den Bogen, der standhaft bleibt.

 
 
25 
 November 
 
2017

Schlagwörter

0

 

Sonett VIII.

Du selbst Musik, und hörst Musik so trübe?
Süßes kämpft nicht mit dem Süßen, Lust weckt Lust.
Liebst du etwas, damit es dich betrübe?
Eröffnest freudig deiner Qual die Brust?

Wenn dir das Ohr Einklang der rein gestellten,
In Einigkeit vermählten Töne stört,
So scheinen sie nur lieblich dich zu schelten,
Der seine Stimm’ in Ledigkeit verzehrt.

Horch wie ein Klang die Saiten, gleiches Falles
Wie teure Gatten wechselseits durchdringt;
Wie Vater, Kind, und frohe Mutter, alles
In eins, die eine muntre Note singt!

Ein sprachlos Lied, der vielen eine Pflicht,
Dir singt es: einsam gehest du zunicht.

 
 
25 
 November 
 
2016

Schlagwörter

0

 

DICHTUNG Heinrich Heine
LESUNG Klaus Maria Brandauer
BEREITSTELLUNG Sergej Fährlich


 

Aus: Buch der Lieder

 
Hoffnung und Liebe! Alles zertrümmert!
Und ich selber, gleich einer Leiche,
Die grollend ausgeworfen das Meer,
Lieg ich am Strande,
Am öden, kahlen Strande,
Vor mir woget die Wasserwüste,
Hinter mir liegt nur Kummer und Elend,
Und über mich hin ziehen die Wolken,
Die formlos grauen Töchter der Luft,
Die aus dem Meer, in Nebeleimern,
Das Wasser schöpfen,
Und es mühsam schleppen und schleppen,
Und es wieder verschütten ins Meer,
Ein trübes, langweilges Geschäft,
Und nutzlos, wie mein eignes Leben.
Die Wogen murmeln, die Möwen schrillen,
Alte Erinnerungen wehen mich an,
Vergessene Träume, erloschene Bilder,
Qualvoll süße, tauchen hervor!

Es lebt ein Weib im Norden,
Ein schönes Weib, königlich schön.
Die schlanke Zypressengestalt
Umschließt ein lüstern weißes Gewand;
Die dunkle Lockenfülle,
Wie eine selige Nacht,
Von dem flechtengekrönten Haupte sich ergießend,
Ringelt sich träumerisch süß
Um das süße, blasse Antlitz;
Und aus dem süßen, blassen Antlitz,
Groß und gewaltig, strahlt ein Auge,
Wie eine schwarze Sonne.

O, du schwarze Sonne, wie oft,
Entzückend oft, trank ich aus dir
die wilden Begeistrungsflammen,
Und stand und taumelte, feuerberauscht –
Dann schwebte ein taubenmildes Lächeln
Um die hochgeschürzten, stolzen Lippen,
Und die hochgeschürzten, stolzen Lippen
Hauchten Worte, süß wie Mondlicht,
Und zart wie der Duft der Rose –
Und meine Seele erhob sich
Und flog, wie ein Aar, hinauf in den Himmel!

Schweigt, ihr Wogen und Möwen!
Vorüber ist Alles, Glück und Hoffnung,
Hoffnung und Liebe! Ich liege am Boden,
Ein öder, schiffbrüchiger Mann,
Und drücke mein glühendes Antlitz
In den feuchten Sand.